Neues von Berenis (11): Oktober 2017 (Forschung)
Im Zeitraum Ende Januar bis Mitte Mai 2017 wurden 106 neue Publikationen identifiziert, von denen 12 von Berenis vertieft diskutiert wurden. Sechs davon wurden gemäss den Auswahlkriterien als besonders relevant und somit zur Bewertung ausgewählt und werden im Folgenden zusammengefasst.
Experimentelle Tier- und Zellstudien
1./2. Globale Analysen von Proteinen und epigenetischen Markierungen von Zellen unter Einfluss von elektromagnetischen Feldern (Kuzniar et al. 2017, Manser et al. 2017)
Obwohl die Autoren keine geordneten Veränderungen der epigenetischen Profile festgestellt hatten, wurde doch eine interessante Beobachtung gemacht. Die Variabilität der epigenetischen Markierungen war abhängig von der Expositionsbedingung, aber nicht in allen Genelementen gleichermassen, und je nach Modifikation unterschiedlich ausgeprägt. So waren beispielsweise wichtige regulatorische Genelemente weniger betroffen als Regionen ausserhalb von Genen. Dies könnte so interpretiert werden, dass die Exposition quasi das Hintergrundrauschen der epigenetischen Profile von Zellen beeinflusst. Ob dies langfristig zu pathologischen Situationen führen oder einen Einfluss auf Entwicklungsprozesse haben kann, bleibt in weitergehenden Studien abzuklären. Dieser Einfluss könnte aber durchaus eine mögliche Erklärung für Beobachtungen in neueren Studien über EMF-Effekte auf Zelldifferenzierungsprozesse sein.
3. Der Einfluss von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern auf Mitochondrien (Sun et al. 2017). Die Autoren haben menschliche Leukämie-Zellen für 5 Tage einem HF-EMF (900 MHz, 120 μW/cm², 4 Std/Tag) oder radioaktiver Gammastrahlung als Positiv-Kontrolle ausgesetzt, und dann nach 30 Minuten, 4 und 24 Stunden Effekte auf die Mitochondrien untersucht. Vergleichbar mit der Wirkung von radioaktiver Bestrahlung wurde auch bei HF-EMF ein vorübergehender Anstieg von freien Radikalen (ROS) beobachtet. Dieser war mit bis zu 50% nach 30 Minuten am ausgeprägtesten, noch nachweisbar nach 4 Stunden, aber verschwunden nach 24 Stunden.
Epidemiologische Studien
4. Handynutzung von werdenden Müttern in der Schwangerschaft und Verhaltenssauffälligkeiten bei Kindern (Birks et al. 2017). Die Studie von Birks et al. (2017) ging der Frage nach, ob die Handynutzung von werdenden Müttern während der Schwangerschaft zu späteren Verhaltensauffälligkeiten der Kinder führt. Dazu wurden Kohorten-Daten aus fünf Ländern (Dänemark, Holland, Norwegen, Spanien und Südkorea) herangezogen, mit insgesamt mehr als 80‘000 teilnehmenden Mutter-Kind-Paaren. Sowohl die Daten zur Handynutzung der Mütter als auch zu Verhaltensauffälligkeiten der Kinder wurden mit Fragebögen erhoben, die von den Müttern ausgefüllt wurden. Im Falle der Handynutzungs-Daten geschah dies in drei der Kohorten prospektiv, das heisst vor der Geburt der Kinder, und in den übrigen beiden Kohorten retrospektiv zum Zeitpunkt der Erhebung möglicher Verhaltensauffälligkeiten als die Kinder zwischen fünf und sieben Jahren alt waren. Dabei wurde bei Kindern, deren Mütter ihr Handy während der Schwangerschaft häufig nutzten (je nach Studie mehr als vier- bis sechsmal oder mehr als eine Stunde täglich) ein 22% erhöhtes Risiko für Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsdefizite beobachtet, jedoch nicht für allgemeine Verhaltensprobleme und emotionale Probleme.
5. Wahrgenommene und modellierte Exposition durch Mobilfunkbasisstationen am Wohnort, und Zusammenhang mit unspezifischen Symptomen und Schlafstörungen (Martens et al. 2017). Eine Querschnittsanalyse der Daten von 2011/12 bei 14,829 Studienteilnehmenden im Alter von 31–65 Jahren sowie Längsschnittanalysen nach einem (n=2,228) beziehungsweise zwei Jahren (n=1,740) ergab keinen Zusammenhang zwischen modellierter HF-EMF-Exposition und dem Auftreten von unspezifischen Symptomen und Schlafstörungen, jedoch fanden die Autoren einen Zusammenhang zwischen der selbst wahrgenommenen Exposition und dem Auftreten von Gesundheitsproblemen.
Theoretische Studie zu Mechanismen
6. Ein physikalischer Mechanismus der Magnetorezeption (Binhi & Prato 2017, inklusive Kommentare von Barnes & Greenebaum 2017 sowie Prato & Binhi 2017). Die Annahme ist, dass die Präzession des magnetischen Moments mit einer biochemischen Reaktion gekoppelt ist und eine Reaktionskaskade auslöst. Störungen der Präzession haben deshalb Änderungen der biochemischen Kaskade zur Folge. Die Art der Kopplung wird offen gelassen. Mit den genannten Prämissen zeigen die Autoren, dass trotz thermischem Rauschen biologische Effekte durch schwache niederfrequente Magnetfelder theoretisch möglich sind; ebenso beim Fehlen des Erdmagnetfeldes. Das Modell sagt komplexe Dosis-Wirkungsbeziehungen und weitere Observablen voraus, die sich in biologischen Experimenten testen lassen.
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