Magnetisiertes Wasser fördert Wachstum von Maispflanzen (Forschung)

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 30.12.2015, 22:08 (vor 3157 Tagen)

Aus dem Iran erreichte uns über die Fachzeitschrift Electromagnetic Biology and Medicine eine frappierende Studie, durchgeführt von Botanikern und Physikern.

Change of growth pattern, metabolism, and quality and quantity of maize plants after irrigation with magnetically treated water

F. Ghanatia, S. Mohamadalikhania, M. Soleimania, R. Afzalzadehb & A. Hajnorouzic

Abstract

Water molecules can be affected by magnetic fields (MF) due to their bipolar characteristics. In the present study maize plants, from sowing to the end period of generative stage, were irrigated with magnetically treated water (MTW).Tap water was treated with MF by passing through a locally designed alternative magnetic field generating apparatus (110 mT). Irrigation with MTW increased the ear length and fresh weight, 100-grain fresh and dry weights, and water productivity (119.5%, 119.1%, 114.2%, 116.6% and 122.3%, respectively), compared with the control groups. Levels of photosynthetic pigments i.e. chlorophyll a and b, and the contents of anthocyanin and flavonoids of the leaves were increased compared to those of non-treated ones. Increase of the activity of superoxide dismutase (SOD) and ascorbate peroxidase (APX) in leaves of the treated plants efficiently scavenged active oxygen species and resulted in the maintenance of photosynthetic membranes and reduction of malondealdehyde. Total ferritin, sugar, iron and calcium contents of kernels of MTW-irrigated plants were respectively 122.9%, 167.4%, 235% and 185% of the control ones. From the results presented here it can be concluded that the influence of MF on living plant cells, at least in part, is mediated by water. The results also suggest that irrigation of maize plant with MTW can be applied as a useful method for improvement of quantity and quality of it.

Im ersten Moment dachte ich: Magnetisiertes Wasser? So ein Schmarrn. Und spontan fiel mir dieser Beitrag ein. Eine kurze Recherche brachte dann aber hervor: Wasser kann tatsächlich magnetische Eigenschaften haben. Aber nicht nur Wasser, sondern nahezu jedes Material auf Erden. Doch ist dies nicht der Magnetismus, den wir alle kennen (Ferromagnetismus), sondern ein Diamagnetismus. Dieser tritt nur dann auf, wenn ein äußeres Magnetfeld auf diamagnetisches Material einwirkt. Diamagnetismus ist zudem so schwach, dass er im Alltag von Para- und Ferromagnetismus völlig verdeckt wird. Diese Weisheiten habe ich mir zusammen gegooglet, unter anderem bei Wikipedia.

Nach Wegfall des äußeren Magnetfeldes ist diamagnetisches Material allerdings wieder in dem Zustand, den es vor der Feldeinwirkung hatte. Gegenteilige Erkenntnisse konnte ich abseits pseudowissenschaftlicher Esoterik nicht finden. Die Forscher in Teheran gehen jedoch offensichtlich davon aus, dass sie Wasser mit einem 100-mT-Feld dauerhaft magnetisiert haben.

Am Rand meiner Kompetenz angekommen ergriff ich die Initiative und holte mir Rat bei dem Physiker M. Hahn, der in der Blütezeit der Mobilfunkgegnerei mit seinen treffenden Kritiken bei dem einen oder anderen vorlauten Mobilfunkgegner nächtliches Schwitzen verursache. Hahn antwortete mir:

Ja, die "Wasserphysik" hinter diesem Versuch erscheint rätselhaft. Sie haben Recht, Effekte aufgrund des Diamagnetismus verschwinden bei Abschalten des äußeren Feldes. Und auch sonst wäre es verwunderlich, würde Mais, mit magnetisiertem Wasser gewässert, besser wachsen.

"Bipolar characteristics" meint beim Wassermolekül üblicherweise das elektrische Dipolmoment des Wassers. Hierauf beruht die Beeinflussbarkeit der Moleküle durch elektrische Felder. Welche Wechselwirkungen eines magnetischen Feldes aufgrund welcher (anderen?) bipolaren Eigenschaften hier gemeint sind, erschließt sich aus dem Abstract nicht. Anders als es die lapidare Erwähnung vermuten lässt, ist jedenfalls kein Mechanismus allgemein bekannt, mit dem ein Magnetfeld die physikalischen Eigenschaften von Wassermolekülen mit nach Abschalten des Feldes anhaltender Wirkung verändert. Gäbe es diesen "Hajnorouzi-Effekt", sollte er sich doch schon direkt am Wasser physikalisch messbar und vielleicht sogar nobelpreisverdächtig zeigen.

Jedenfalls bräuchte man nicht den Umweg über angebliche Wirkungen auf Pflanzen zu gehen, die mit diesem Wasser begossen wurden. Allein aufgrund des Abstracts sollte man zwar nicht viel spekulieren, aber diese Kombination eines unscharf beschriebenen x mit dessen allerlei ganz genau angegebenen positiven Wirkungen y1 bis y10 macht mich immer skeptisch. So sollen die Unterschiede zwischen behandelten und unbehandelten Pflanzen (immerhin lebendes biologisches Material) z.B. im Zuckergehalt und der Korntrockenmasse mit drei bis vier Stellen Genauigkeit bestimmt worden sein. Die Unterschiede, nicht die absoluten Messwerte!

Das Magnetfeld wurde erzeugt durch einen "locally designed alternative magnetic field generating apparatus". Hausgemachter alternativer Magnetfeldgenerator? Ich unterstelle mal, dass hier nicht von Alternativ- oder Komplementärphysik die Rede sein soll, sondern von Wechselfeldern. Dann aber hätte ich die Bezeichnung "alternating field" erwartet. Und ich hätte zu diesem Feld, auch im Abstract, schon mal eine Frequenzangabe erwartet. Von "alternativen Magnetfeldern" ist bei einem der Autoren (Hajnorouzi) auch schon in einer anderen Arbeit (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21227536) die Rede. Besseres Wachstum von Mais durch "eine Kombination eines geomagnetischen und eines schwachen elektromagnetischen Feldes“. Diesmal direkte Feldwirkung auf die Pflanze, ohne den Umweg über das Gießwasser. Die Physik bleibt auch in jenem Abstract unscharf.

Wäre das Thema nicht zu ernst, würde ich den beteiligten Physikern (waren es welche?) empfehlen, einmal die positiven Wirkungen von einschlägig behandeltem Wasser bei der Verwendung als Neutronenmoderator in iranischen Kernreaktoren zu untersuchen.

Aber das tu ich natürlich nicht.

Ich finde dies ist ein schönes Beispiel, wie gefährlich schlichtes Studiensammeln sein kann, das vor allem Diagnose-Funk betreibt. Dort sammelt ein gelernter Drucker. Er kann wegen fehlender Kenntnisse Science nicht von Junk-Science unterscheiden und sammelt daher zwangsläufig auch "Schrottstudien" oder Studien ohne Relevanz ein, präsentiert diese jedoch wie Qualitätsstudien. Diese Selbstüberschätzung kann keine validen Ergebnisse hervor bringen.

Hintergrund
Mobilfunkstudien: Bewertung der Ergebnisse durch Laien

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Wasser, Selbstüberschätzung, Hensinger, Magnetfeld, Laien, Physiker, Botaniker, Studiensammlung


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