Diagnose T78.4 - schließt psychische Reaktion ein (Allgemein)
Mit Hilfe eines ICD-10-Diagnosecodes versuchen Interessenvertreter von MCS und EHS, den psychischen Aspekt der Erkrankung mit vermeintlich amtlicher Bestätigung aus der Welt zu schaffen.
Offiziell werden in unserer Rechtsordnung in Deutschland besonders empfindliche Personengruppen, zu denen auch umwelterkrankte Menschen gehören (z. B. MCS-Kranke), rechtlich nicht geschützt. Obwohl z.B. die Multiple Chemikaliensensitivität (MCS) von der Weltgesundheitsorganisation als physisches und nicht psychisches Krankheitsgeschehen klassifiziert wurde (T78.4 im ICD-10-GM) und diese Diagnosen-Klassifikation u.a. nach dem Sozialgesetzbuch V (Krankenversicherungsrecht) in der Bundesrepublik Deutschland rechtlich verbindlich ist, wird diese Diagnosen-Klassifikation von öffentlich-rechtlichen Körperschaften (wie z. B. der Deutschen Rentenversicherung Bund) und vielen Gutachtern und auch Gerichten nicht berücksichtigt.
... schreibt Rechtsanwalt Wilhelm Krahn-Zembol.
Klingt erst einmal gut.
Aber stimmt es auch?
Wir haben die Probe aufs Exempel gemacht, bei der WHO nachgesehen, und stellen fest: Nein, die Darstellung des Anwalts stimmt so nicht, MCS wird in der Diagnosecodierung mit keinem Wort erwähnt. T78.4 ist gemäß WHO die Klassifizierung für Allergy, unspecified.
In der Deutschen Modifikation der ICD-10 (ICD-10 GM - German Modification) bedeutet der Code T78.4: Allergie, nicht näher bezeichnet. Die Einschlusskriterien dieser Diagnose dort lauten:
Allergische Reaktion o.n.A.
Idiosynkrasie o.n.A.
Überempfindlichkeit o.n.A.
Bemerkenswert ist das Kriterium Idiosynkrasie, denn es weist in eine Richtung, die von MCS und EHS stets mit großem Elan bekämpft wird, gemeint ist Psychiatrie und Psychosomatik. Wikipedia erklärt dies ausgesprochen anschaulich an zwei Beispielen.
Die Behauptung von Krahn-Zembol, MCS sei als "physisches und nicht psychisches Krankheitsgeschehen klassifiziert" worden, auch sie ist nicht sonderlich belastbar.
Richtig ist, dass die Diagnose T78.4 unter den Klassentitel "Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen" fällt. Dies allein als Beleg dafür zu werten, MCS/EHS sei kein psychisches Krankheitsgeschehen, ist jedoch zu kurz gegriffen. Das ausdrücklich genannte Diagnosekriterium Idiosynkrasie pulverisiert den Versuch, über die Diagnosecodierung der WHO den psychischen Aspekt bei überzeugten MCS und EHS elegant zu entsorgen. Der Code T78.4 kann vielmehr ausgesprochen treffend den psychosomatischen Effekt benennen, wie ihn typische EHS zum Beispiel beim Anblick eines Mobilfunk-Sendemasten erleben (äußere Ursache) oder beim Ansprechen eines Elektrosmog-Melders (äußere Ursache), den viele EHS ständig bei sich tragen.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –