Schweiz: Kein Anstieg psychischer Störungen (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 14.04.2012, 19:06 (vor 4467 Tagen)

"In der Schweiz leidet jeder oder jede Sechste unter einer psychischen Störung. Die Zahl bleibt konstant – psychische Krankheiten wie Depressionen sind entgegen der Volksmeinung nicht auf dem Vormarsch."

So steht es auf einer Webseite des SF (Schweizer Fernsehen).

Kommentar: Auf mich wirkt es zwar so, dass weit mehr als nur jeder sechste Schweizer eine psychische Störung hat - aber das liegt wahrscheinlich an der selektiven Auswahl, die bei meinen Schweiz-Kontakten durch das Stichwort "Mobilfunk/Elektrosmog" automatisch getroffen wird (sozusagen "Selection Bias").

Irritierend finde ich, dass der bekannte Psychiater Borwin Bandelow schon 2008 von einer nur künstlich herbeigeschriebenen Zunahme psychischer Störungen gesprochen hat, dennoch aber die Kette (glaubhafter) Meldungen nicht abreißen will, die Anzahl nehme dramatisch zu. Um die Diskrepanz scheint sich niemand zu kümmern. So darf jeder sich das heraussuchen, was ihm in den Kram passt. In E-Smog-Foren ist es seit langem üblich, den Anstieg psychischer Störungen mehr oder weniger diskret dem Mobilfunk zur Last zu legen (Beispiel). Dieses Munkeln & Raunen ist ein guter Nährboden für Geschäftemacherei mit der Angst. Das geht mit den "psychischen Störungen" nun schon seit Jahren so, es gehörte mMn langsam mal eine kompetente Erklärung dafür her, wie es zu diesen völlig gegensätzlichen Meldungen über die Entwicklung psychischer Störungen kommt und wie es wirklich darum bestellt ist. Selektierende Schaubilder wie dieses halte ich dabei nicht für sonderlich zielführend, denn es weckt mMn eher Vorbehalte gegenüber unserem akademischen Nachwuchs. Besser wäre mMn eine Darstellung, die die Anzahl der Behandlungsfälle psychisch Kranker zeigt, sagen wir mal ab 1990. Klar, dass irgendwelche bekannten Änderungen der Randbedingungen (z.B. großzügigere Kostenübernahme durch KKn) dann bei der Interpretation mit einfließen müssten, so wie sich ein auffälliger "Huckel" in der Prostatakrebsstatistik auf den Anfang der 1990er-Jahre neu eingeführten PSA-Test zurückführen lässt, dabei wurden lediglich Diagnosen vorweggenommen, die in späteren Jahren mit herkömmlicher Diagnose ebenso gefallen wären, ein "echter" Anstieg ist der "Huckel" nicht gewesen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
, Depression, Somatoforme Störung, psychische Störung


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