Bauplanungsrecht: Mast im Außenbereich kann unzulässig sein (Allgemein)

Gast, Donnerstag, 23.02.2012, 12:41 (vor 4585 Tagen)

Im Rechtsstreit um die Baugenehmigung für einen 34-Meter-Mobilfunksendemasten im Außenbereich von Durlangen (150 Meter vor der Wohnbebauung), hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg der Gemeinde Recht gegeben. Damit ergibt sich die deutschlandweit einmalige Situation, dass ein Netzbetreiber gerichtlich dazu angehalten wird, einen Sendemasten im Innenbereich einer Gemeinde zu errichten. Dort aber stehen die geeigneten Standorte zivilrechtlich nicht zur Verfügung.

Nachfolgend Details zur Entscheidung des VGH BW, geschrieben von Rechtsanwalt Dr. Christian Schrader:

Die Errichtung eines Mobilfunkmasts im Außenbereich durch ein Privatunternehmen kann bauplanungsrechtlich unzulässig sein. Das hat der VGH Baden-Württemberg mit einem vergangene Woche verkündeten Urteil entschieden.

Worum ging es?

Ein privates Unternehmen (Klägerin) beantragte auf einem Grundstück im Außenbereich der Gemeinde Durlangen (Ostalbkreis) die Errichtung eines Mobilfunkmasts. Auf die Klage des Unternehmens hin, hatte das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 30. Juni 2009 das zuständige Landratsamt Ostalbkreis zur Erteilung einer Baugenehmigung für den Mobilfunkmast verpflichtet.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs

Der VGH Baden-Württemberg hat der dagegen gerichteten Berufung der Gemeinde Durlangen (Beigeladene) stattgegeben und, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils, die Klage auf Erteilung der Baugenehmigung abgewiesen.

Nach Auffassung des VGH ist der Mobilfunkmast am geplanten Standort nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 Baugesetzbuch (BauGB) privilegiert zulässig, wie von der Klägerin geltend gemacht und vom Verwaltungsgericht angenommen.

Zwar sei der Mast eine der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienende Anlage im Sinne dieser Vorschrift. Er erfülle jedoch nicht die auch für eine solche Anlage geltende weitere Voraussetzung der "Ortsgebundenheit". Dies erfordere nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Anlage nach ihrem Gegenstand und Wesen ausschließlich an der fraglichen Stelle betrieben werden könne. Ihr Betrieb müsse auf die geographische oder die geologische Eigenart der Stelle angewiesen sein.
Daran fehle es, wenn der Standort im Vergleich mit anderen Stellen zwar Lagevorteile biete, das Vorhaben aber nicht damit stehe oder falle, ob es hier und so und nirgendwo anders ausgeführt werden könne. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Der Mobilfunkmast sei zur Erfüllung der ihm vorwiegend zugedachten Funktion, im Innenbereich gelegene Siedlungsflächen der Gemeinde Durlangen einschließlich der Teilorte Tanau und Zimmerbach mit Telekommunikationsdienstleistungen zu versorgen, nicht auf die geographische Eigenart des von der Klägerin gewählten Standorts im Außenbereich angewiesen.

Denn es gebe, wie eine Standortuntersuchung der Klägerin belege, mehrere funktechnisch geeignete Standorte im Innenbereich der Gemeinde Durlangen, an denen diese Funktion ebenso gut erfüllt werden könnte. Der Umstand, dass diese Standorte für die Klägerin zivilrechtlich nicht verfügbar seien, sei in diesem Zusammenhang nicht erheblich. Als sonstiges Vorhaben im Außenbereich sei das Vorhaben unzulässig, weil es die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtige. Ob das Vorhaben auch aus anderen Gründen rechtlich unzulässig sei, wie von der Beigeladenen geltend gemacht, bedürfe daher keiner Entscheidung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat aber die Revision zum Bundesverwaltungsgerichts zugelassen, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, welche Anforderungen an die Ortsgebundenheit einer der öffentlichen Versorgung dienenden Mobilfunkanlage zu stellen sind. Die Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des schriftlichen Urteils eingelegt werden.

Eine Klärung aus Leipzig ist also zu erwarten (VGH BW, U. v. 17.2.2012, Az: 8 S 1796/10; Quelle: PM v. 17.2.2012).

Für weitere Informationen zu dem angesprochenen Thema stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

RA Dr. Christian Schrader Fachanwalt für Verwaltungsrecht Kontakt:
Dr. Christian Schrader Rechtsanwälte Faller & Abraham Basler Straße 4, D-79100 Freiburg Tel.: 0761/707 80-0 E-Mail: schrader@faller-abraham; www.faller-abraham.de

Tags:
Recht, Baden-Württemberg, Aktenzeichen

Betreiber-Dilemma: Kein Standort in und um Durlangen

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 23.02.2012, 18:53 (vor 4585 Tagen) @ Gast

Denn es gebe, wie eine Standortuntersuchung der Klägerin belege, mehrere funktechnisch geeignete Standorte im Innenbereich der Gemeinde Durlangen, an denen diese Funktion ebenso gut erfüllt werden könnte. Der Umstand, dass diese Standorte für die Klägerin zivilrechtlich nicht verfügbar seien, sei in diesem Zusammenhang nicht erheblich.

Ich habe bei Dr. Schrader nachgefragt was es denn bedeutet, wenn das Gericht den Außenstandort des Betreibers kassiert hat und zugleich im Innenbereich für den Betreiber kein Standort zivilrechtlich zur Verfügung steht.

Die Antwort des Rechtsanwalts macht ein Dilemma für die Betreiber deutlich:

"Ihre Frage kann ich ganz einfach beantworten: Die Konsequenz ist das, was die Planer 'Nullvariante' nennen - auf der Gemarkung dieser Gemeinde jedenfalls würde es also keinen Sendemast geben."

Allerdings ist dies nur dann ein Betreiber-Dilemma, wenn die Betreiber auf Biegen und Brechen Durlangen mit Mobilfunkdiensten versorgen möchten. Verzichten sie darauf in Anbetracht der Widerstände, könnte sich im Laufe der Zeit das Dilemma auf Bewohner/Besucher von Durlangen erstrecken. Ob Mobilfunknutzer unter den gegebenen Umständen eine Versorgung einklagen könnten ist mir nicht bekannt.

Der in der Karte unten erkennbare Senderstandort in Durlangen ist nicht der umstrittene! Der umstrittene Standort liegt oben im Norden an der nach Nordwesten führenden gelben Straße K3255 etwa auf halber Strecke zu den ganz oben im Bild ansatzweise erkennbaren Durlangener Teilort Tanau.

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Bild: EMF-Datenbank der BNetzA

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Bürgermeister schließt Mast in Durlangen nicht aus

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 23.02.2012, 19:06 (vor 4585 Tagen) @ H. Lamarr

"... Die Konsequenz ist das, was die Planer 'Nullvariante' nennen - auf der Gemarkung dieser Gemeinde jedenfalls würde es also keinen Sendemast geben."

Auszug aus der Rems-Zeitung vom 18. Februar:

Bürgermeister Gerstlauer brach wegen des Urteils gestern keineswegs in Jubel aus, sondern relativierte die Bedeutung des Gerichtsbeschlusses. „Dies ist für uns ein Etappen-​Sieg. Wir haben Zeit gewonnen – mehr nicht!“. Denn die Gegenseite hat immer noch die Möglichkeit, gegen das aktuelle Urteil in die Revision zu gehen. Dann würde sich – in dritter Instanz – das Bundesverwaltungsgericht mit der Durlanger Angelegenheit befassen.

„Gegenstand des seit 2006 laufenden Verfahrens ist ja nicht etwa das Thema, ob Mobilfunk der Gesundheit schadet oder nicht, sondern die rein verwaltungsrechtliche Frage, welche Kriterien bei der Standortsuche erfüllt sein müssen, um die Bedingungen für eine Privilegierung zu erfüllen.“ Deshalb bedeute das jetzige Urteil auch keineswegs, dass in Durlangen nun keine Sendeanlage für Mobilfunk installiert werden darf. Es könne, so Gerstlauer, jederzeit ein anderer Bauantrag kommen, so dass erneut ein Genehmigungsverfahren beginne.

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Revision: BVG erleichtert Mobilfunkmasten im Außenbereich

H. Lamarr @, München, Freitag, 21.06.2013, 10:46 (vor 4101 Tagen) @ Gast

Der Verwaltungsgerichtshof hat aber die Revision zum Bundesverwaltungsgerichts zugelassen, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, welche Anforderungen an die Ortsgebundenheit einer der öffentlichen Versorgung dienenden Mobilfunkanlage zu stellen sind. Die Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des schriftlichen Urteils eingelegt werden.

Eine Klärung aus Leipzig ist also zu erwarten ...

So geschehen am 20. Juni 2013:

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute die Voraussetzungen konkretisiert, unter denen ein Funkmast für Telekommunikationseinrichtungen (Mobilfunk) nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB privilegiert im Außenbereich zulässig ist.

Gegenstand des Revisionsverfahrens war die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung einer Mobilfunk-Sendeanlage im Außenbereich (§ 35 BauGB) besitzt. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat der Klage entsprochen, der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat auf die Berufung der Beigeladenen die Klage abgewiesen. Streitig war insofern, ob die beantragte Mobilfunk-Sendeanlage nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB privilegiert zulässig ist. Im Revisionsverfahren war zu klären, welche Anforderungen an die Ortsgebundenheit einer Anlage der öffentlichen Versorgung mit Mobilfunkdiensten gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB zu stellen sind. Die Oberverwaltungsgerichte beantworten diese Frage uneinheitlich. So soll es für die Ortsgebundenheit ausreichen, wenn zur Erfüllung der Versorgungsfunktion funktechnisch geeignete Standorte im Innenbereich zivilrechtlich nicht verfügbar sind. Dem konnte sich der Verwaltungsgerichtshof Mannheim in der angefochtenen Entscheidung nicht anschließen.

Die Klägerin beabsichtigt die Errichtung eines Funkmastes im Gebiet der beigeladenen Gemeinde. Die hierfür beantragte Baugenehmigung wurde abgelehnt, weil die Gemeinde das insoweit erforderliche Einvernehmen verweigert hatte. Die Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Auf die Berufung der beigeladenen Gemeinde hat der Verwaltungsgerichtshof Mannheim die Klage jedoch abgewiesen. Nach seiner Auffassung ist das Vorhaben der Klägerin nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB privilegiert zulässig, denn es könne ebenso gut im Innenbereich verwirklicht werden, was sich aus der von der Klägerin vorgelegten Standortanalyse ergebe. Dass die im Innenbereich in Frage kommenden Standorte zivilrechtlich nicht verfügbar seien, weil sich die Eigentümer weigerten, diese der Klägerin zur Verfügung zu stellen, sei unbeachtlich. Damit fehle es an der von § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB vorausgesetzten Ortsgebundenheit.

Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Berufung der beigeladenen Gemeinde zurückgewiesen. § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB setzt zwar die Ortsgebundenheit des Vorhabens als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraus. Aufgrund der technischen Besonderheiten des Mobilfunks ist es allerdings nicht erforderlich, dass das Vorhaben auf einen einzigen Standort angewiesen ist. Es können vielmehr auch mehrere Standorte innerhalb eines bestimmten Raumes in Betracht kommen, von denen aus der Funkmast seine netzbezogene Versorgungsfunktion erfüllen kann. Schließt ein solcher Raumbezug auch Standorte im Innenbereich der Gemeinde ein, ist die Außenbereichsprivilegierung des Vorhabens nur dann zu bejahen, wenn dem Funkmastbetreiber ein Ausweichen auf einen solchen Standort - etwa weil dieser zivilrechtlich nicht verfügbar ist - nicht zugemutet werden kann. Davon war im vorliegenden Fall auszugehen, so dass das Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB privilegiert zulässig ist.

BVerwG 4 C 2.12 - Urteil vom 20. Juni 2013

Vorinstanzen:
VGH Mannheim 8 S 1796/10 - Urteil vom 17. Februar 2012
VG Stuttgart 6 K 1177/09 - Urteil vom 30. Juni 2009

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
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