Schweiz, Standortvermieter - Rücktritt vom Rücktritt (Allgemein)

Gast, Mittwoch, 08.05.2019, 08:06 (vor 2009 Tagen)

Auszug: OnlineReport

Kaum eine Mobilfunkantenne im Baselbiet löste derartigen Widerstand aus wie jene auf einem Gelterkinder Wohnblock. Der reumütige Hausbesitzer Hans Buess kündigte darauf hin 2012 den Mietvertrag mit Sunrise auf Ende April 2019. Nun hat sein Sohn Jürg Buess die Kündigung heimlich rückgängig gemacht und den Mietvertrag verlängert.

Gelterkinder Passanten staunten am Morgen des 6. Februar 2010: Erstmals seit Menschengedenken zogen rund 80 Personen in einem Demonstrationszug durch das Dorf. Ausgerüstet mit Transparenten, Tröten und Trillerpfeifen protestierten sie gegen das "Strahlen-Meer im Wohnquartier" – ausgelöst durch eine geplante UMTS-Mobilfunkantenne auf dem Mehrfamilienhaus an der Rickenbacherstrasse 11.

Endstation der dörflichen Manifestation war das unweit davon gelegene Wohnhaus von Hans Buess, einem gestandenen Malermeister, Gründer eines renommierten Renovationsbetriebs und Lokalchronist, im Volksmund "Johnson" genannt. Ihm gehört die Liegenschaft "Riba 11", wie er sie nennt, und er war es zusammen mit seiner Frau, der Sunrise vertraglich die Bewilligung erteilte, auf dem Haus die Antenne zu errichten. Vereinbart wurde eine jährliche Entschädigung von 9’000 Franken. ...

Patron kündigte Antennen-Vertrag

Beim geistig rüstigen, damals 86-jährigen "Johnson" Buess hatte die anhaltende Aktivität einen Umdenkprozess ausgelöst. Schon im Frühjahr zog der Familienpatron seine Vermietungs-Bereitschaft beziehungsweise seinen "leider in zu guter Treue" (wie er schrieb) mit Sunrise abgeschlossenen Vertrag zurück. Grund: Die "grosse Resonanz aus gut Hunderten berechtigten Einsprachen" sei die Lage "wirklich unzumutbar".

In einem Brief an das kantonale Bauinspektorat ersuchte das Ehepaar Buess gar um "Nichterteilung der Baubewilligung". Ein Brief belegt, dass Buess gegenüber Sunrise seinen "Rücktritt vom Vertrag BL-402-2" schon wenige Tage vor der Dorf-Demo eingeleitet hatte: "Uns wird vorgeworfen, wir seien geldgierig und die Mieterträge seien uns wichtiger als das gute nachbarschaftliche Verhältnis."

Am Morgen des 18. April 2012 lud er schliesslich zu einer Medienkonferenz. Bei Gutzi und Getränken erklärte Buess vor Vertretern der Medien und des Komitees "Kein Strahlen-Meer im Wohnquartier", er sei von der Antennenbetreiberin "über den Tisch gezogen worden". (O-Ton hier) Die Antennengegner hätten ihm mit ihrem Widerstand "aus dem Herz gesprochen" und seien "Verbündete auf gleicher Ebene". Mehr noch: Buess trat später sogar dem "ABtennenverein Gelterkinden" bei, der Ende 2012 gegründet wurde und das Komitee "Kein Strahlen-Meer im Wohnquartier" ablöste.

... In einem Brief an Sunrise hatte Hans Buess noch Ende 2012 festgehalten, dass die Kündigung "automatisch auf unsere Erben" übergehe. Angesichts dieser zahlreichen Belege der Standort-Kündigung wurde es im "ABtennenverein" ruhiger. Doch passiv blieb er nicht: Auf einer Protesttafel an der Rickenbacherstrasse wies er in mehreren Sujets (zuletzt: "Der Countdown läuft") auf den umstrittenen Strahlen-Mast hin, der seit Jahren in Betrieb ist.

Sohn macht Vater-Versprechen rückgängig

... Doch ohne dass der Verein informiert wurde, geschah Grundlegendes, das alles bisher Versprochene zur Makulatur macht. Denn seit 2014 vertritt "Johnsons" Sohn Jürg Buess die Interessen seines Vaters. Was der knapp 70-jährige ehemalige Zivilrichter Buess junior dem Verein vorenthalten hatte, vertraute er dieser Tage der "Basler Zeitung" an: "Ich habe das nochmals angeschaut und abgewogen, und ich bin zum Schluss gekommen, dass die Antenne stehen bleibt. Ich stelle mich auf den Standpunkt, dass die Angelegenheit zu 100 Prozent rechtskonform verlaufen ist."

Die Antenne bleibt somit weiterhin Jahre in Betrieb. Ob sie auf die G5-Technologie hochgerüstet wird, ist nicht bekannt.

"Keine Rechenschaft schuldig"

Als Vereinspräsident Adrian Hasler vergangenen August Jürg Buess in einem Brief anfragte, ob das Versprechen seines Vaters gegenüber der Quartier-Öffentlichkeit immer noch gelte, und unter Hinweis auf den Frieden im Quartier um ein Gespräch bat, blockte der Standort-Vermieter schroff ab. Er sehe "keinen Anlass, mit ihnen zusammen zu sitzen. Wir sind ihnen keine Rechenschaft schuldig über unsere zukünftigen Entscheide betreffs der Antenne".

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Standortverpächter

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