VLC: Lichtwellen statt Funkwellen (Pilotprojekt Mainau) (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Freitag, 22.05.2015, 14:03 (vor 3456 Tagen)

Für Mobilfunkgegner ist VLC (Visible Light Communication) der Rettungsring, mit dem sie der "Verstrahlung" durch Funk Paroli bieten möchten. Die Vorstellungen der Gegner sind diffus und da die Anti-Mobilfunk-Szene von technischen Laien bevölkert ist, macht das Gerücht von VLC als Ersatz für Mobilfunk (GSM, UMTS, LTE, W-LAN) den gebeutelten Mobilfunkgegnern trügerische Hoffnung.

Jüngster Aufreger ist ein auf zwei Jahre angesetztes und rund 400 k€ teures VLC-Pilotprojekt, das auf der Bodensee-Insel Mainau gestartet wurde.

Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller schürt anlässlich des Starts des Pilotprojekts mit einer unglücklich formulierten Presse-Information "Mobilfunk ohne elektromagnetische Strahlung - Pilotprojekt zur funkfreien WLAN-Datenübertragung" die falschen Hoffnungen der Mobilfunkgegner. Denn mit Mobilfunk hat das Pilotprojekt nichts zu tun, lediglich ein Konferenzraum auf der Insel wird statt mit W-LAN mit VLC versorgt.

Technischer Träger des Pilotprojekts ist das Fraunhofer HHI (Heinrich Hertz Institut), Berlin. Auf der Website des HHI zeigt ein Werbefilm anschaulich Funktion und Vorteile des VLC, die Nachteile dieser Technik (z.B. Empfindlichkeit gegen Abschattung, Problematik bidirektionaler Kommunikation, Energieeffizienz) kommen nicht zur Sprache. Gleichwohl informiert die Website des HHI umfassend und technisch detailliert über VLC, auch Prototypen der Sende-/Empfangsmodule sind dort zu sehen.

Mobilfunk-Netzbetreiber werden VLC nicht als Konkurrenz bekämpfen, denn VLC wird, wenn überhaupt, nur dort Fuß fassen, wo die Nachteile dieser Technik nicht ins Gewicht fallen. Die unter Engpässen leidenden Mobilfunknetze könnten von Datenvolumen entlastet werden, das nicht zwingend über die Mobilfunknetze geschickt werden muss, so wie dies heute bereits mit W-LAN-Funkinseln geschieht. VLC könnte Marktnischen besetzen, muss sich dabei aber gegen andere Ideen durchsetzen. Das HHI selbst sieht VLC als Ergänzung zur Funktechnik, nicht als dessen Ersatz.

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Bild: EMF-Datenbank BNetzA

Mobilfunkgegner der Region Konstanz ärgern sich seit langem über die Touristen, die die Blumeninsel Mainau besuchen und mit ihren Smartphones Fotos und Videos versenden. Denn die Lennart-Bernadotte-Stiftung, Eigentümer der Insel, soll sich weigern, den Mobilfunk-Netzbetreibern auf Mainau die Errichtung einer örtlichen Funk-Infrastruktur (Sendemasten) zu erlauben. Dem Vernehmen nach sind ästhetische Bedenken der Grund. Weil die Insel deshalb funkfrei ist, müssen die benachbarten Funkzellen auf dem Festland das Datenvolumen der Insel-Touristen mit übernehmen. Die dadurch verursachte "Mehrbelastung" der Anwohner ist den örtlichen Mobilfunkgegnern ein Dorn im Auge. Objektive Angaben zu dieser fremdverschuldeten "Mehrbelastung" gibt es nicht. Da die Grenzwerte aller Voraussicht nach auch vor Ort mit geringem Ausschöpfungsgrad eingehalten werden, ruhen die Bedenken der Konstanzer Mobilfunkgegner auf gefühlten Ängsten statt auf konkreten Daten. Wie in der Anti-Mobilfunk-Szene üblich, werden Bedenken, wenn sie erst einmal aus der Wunderlampe gelassen wurden, nicht mehr grundsätzlich hinterfragt, sondern ohne weitere Betrachtung als wahr und berechtigt angenommen.

Hintergrund
Die Anti-Mobilfunk-Szene klammert sich auch an absurde Alternativen zu den elektromagnetischen Wellen. Am 27. Oktober 2001 z.B. fand im Landratsamt der bayerischen Kleinstadt Bad Tölz Weltbewegendes statt: Dr. Hartmut Müller vom Institut für Raum-Energie-Forschung, telefonierte angeblich erstmals mit Gravitationswellen als Übertragungsmedium mit einem russischen Kollegen in St. Petersburg. Mit dem von Müller entwickelten G-Element "kann Sprache auf stehende Gravitationswellen moduliert werden, die das Universum wie ein Medium durchfluten." Das ist praktisch, kann man so doch verzögerungsfrei mit seinem Onkel auf dem Mars telefonieren. Dokumentiert ist dieser pseudowissenschaftliche Versuch, der unter dem Stichwort "G-Com" lief, beispielsweise <hier>. Inzwischen wird Dr. Müller Zeitungsberichten zufolge polizeilich gesucht. Dies und mehr gibt es <dort>.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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Hoffnung, VLC, Netzbetreiber, Augsburg, Fraunhofer, Bodensee, Pilotprojekt, HHI, Mainau, Alternative

Fraunhofer mottet VLC ein

H. Lamarr @, München, Freitag, 14.07.2017, 18:15 (vor 2671 Tagen) @ H. Lamarr

Jüngster Aufreger ist ein auf zwei Jahre angesetztes und rund 400 k€ teures VLC-Pilotprojekt, das auf der Bodensee-Insel Mainau gestartet wurde.

Mit einer Jubelmeldung feiert das Faunhofer HHI das Experiment auf der Insel Mainau als "erfolgreich" abgeschlossen – und diverse Mobilfunkgegner feiern mit. Meine Sicht ist eine andere. Da Presse-Informationen mein Fach sind, kann ich aus diesen zuweilen mehr herauslesen als andere, und stelle infolge der Substanzarmut der Meldung fest: Fraunhofer mottet nach meiner Einschätzung das VLC-Projekt jetzt ein und hofft darauf, dass künftig irgendjemand vorbei kommt, der diese Technik gebrauchen kann. Wir werden geraume Zeit nichts Neues von VLC hören und wenn doch, dann nur weitere seichte Jubelmeldungen, die VLC in den Medien halten sollen.

Das Fraunhofer HHI hat es geschickt verstanden, sich der "nützlichen Idioten" unter den Mobilfunkgegnern zu bedienen. Selbst stets distanziert und sachlich, hat das Institut nichts gegen die Desinformation unternommen, die technisch überforderte Mobilfunkgegner öffentlich herumposaunten. Peter Hensinger (Anti-Mobilfunk-Verein Diagnose-Funk) behauptete z.B., Visible Light Communication (VLC) sei "eine Alternative zum gesundheitsschädlichen WLAN". Das ist nicht weniger Humbug als hätte der gelernte Drucker behauptet, Trommeln wäre eine Alternative zu W-Lan. Noch dümmer fantasierte der BUND-KV-Stuttgart: "Bereits 2007 warnte die Europäische Umweltagentur (EEA) und 2011 der Europarat vor den möglichen Gefahren für Kinder durch hochfrequente Strahlung durch WLAN oder Mobilfunk. Mittlerweile steht mit VLC eine technische Alternative zur Verfügung, die diese Bedenken ausräumen könnte." So wie Hensinger und der BUND-Kreisverband trompeteten etliche Mobilfunkgegner ebenso öffentlich wie inkompetent für VLC. Dem Fraunhofer HHI konnte diese Gratiswerbung nur Recht sein, um möglichst viele potentielle Interessenten auf die keineswegs neue Idee der schnellen Datenkommunikation mit Lichtwellen aufmerksam zu machen. Was freilich beim HHI intern hinter vorgehaltener Hand über diese "Beihilfe" der Gegner gesagt wurde, ich kann es mir lebhaft vorstellen, zitierfähig ist es nicht.

Die Nachteile von VLC (siehe Startposting) werden diese, von Hensinger schwärmerisch als "Aufbruch in eine neue Etappe der mobilen Kommunikation" gesehene Technik in spezielle Nischenmärkten abdrängen, die auf der Website des HHI genannt werden. Ein erheblich größeres Marktvolumen könnte das IoT für VLC bedeuten, diese Anwendungen aber wurden auf Mainau gar nicht getestet. Deshalb bleibt das Schicksal von VLC weiter ungewiss, W-Lan wird es mit Sicherheit nicht ersetzen. Aus meiner Sicht ist es ein kapitaler Planungsfehler gewesen, VLC in einem Konferenzraum als Übertragungsmedium zu testen, denn diese Anwendung ist langweilig, technologisch steinzeitlich und technisch seit langem gut gelöst. Ein Test mit IoT-Gerätschaft in einem Smart Home wäre zeitgemäß gewesen und für die Medien auch ohne den Bärendienst der Mobilfunkgegner attraktiv genug, um darüber nicht nur 1-mal, sondern immer wieder einmal zu berichten. Auf Mainau wurde diese Chance verspielt, ob es eine zweite geben wird werden wir sehen.

Hintergrund
Welche Mobilfunkgegner VLC auf den Plan rief

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Infrarot, VLC, Pilotprojekt, HHI, IoT

Fraunhofer mottet VLC ein

Kuddel, Freitag, 14.07.2017, 20:53 (vor 2671 Tagen) @ H. Lamarr

...von Hensinger schwärmerisch als "Aufbruch in eine neue Etappe der mobilen Kommunikation" gesehene Technik

Ich verstehe Hensinger und Konsorten nicht.
Aus meiner Sicht ist die Glorifizierung von VLC durch die Mobilfunkgegner geradezu grotesk.

Zum einen schlagen sie lautstark Alarm, wenn fernabgefragte Kalorimeter am Heizkörper des Nachbarn gelegentlich für wenige Millisekunden 0,01 Watt Sendeleistung bei 0,001 THz abgeben.

Zum anderen feiern sie es als "strahlungsarme Alternative" zur Funktechnik wenn Visual_Light_Communication mit >10 Watt gepulster Sendeleistung bei einer Frequenz von 600 THZ drahtlose Kommunikation innerhalb eines einzigen Raums ermöglicht. :no:

Übrigens: Ab einer Frequenz von 1000 THZ spricht man von Ultraviolett-Strahlung, die bekanntlich krebserregend ist ;-)

Meine Meinung zu den Erfolgsaussichten von VLC hatte ich im Forum schon mehrfach kund getan...z.B. >hier<
Es ist alter Wein (siehe Irda + Infrarotkopfhörer aus den 1990er Jahren) in neuen Schläuchen (nicht anderes als ein "Turbo-Irda" mit 100fach höherer Sendeleistung. )

Auch die Schwächen sind immer noch dieselben:
Die Technik funktioniert prinzipbedingt nur bei Kunstlicht in abgedunkelten Umgebungen bei einer Reichweite von ein paar Metern. Jede Fremdlichtquelle reduziert die Reichweite bzw Datenrate drastisch.

Im Dunkeln ist's gut funkeln ;-)

K

Fraunhofer mottet VLC ein

Gast, Samstag, 15.07.2017, 00:15 (vor 2671 Tagen) @ Kuddel

Im Dunkeln ist's gut funkeln ;-)

Derweil VLC doch mit handelsüblichen LED-Lampen für Beleuchtungszwecke funktionieren soll, sehe ich noch ein anderes Problem: Wenn einer versehentlich/mutwillig den Lichtschalter betätigt, reißt bei allen im "Konferenzzimmer" schlagartig die Internetverbindung ab. Und im Dunkeln sitzen die Konferenzteilnehmer dann auch noch. Für "digitale" Halbstarke in Schulen wäre das mutmaßlich ein gefundenes Fressen, um bei ihren Zuckerpuppen Eindruck zu machen. Selbstverständlich ließe sich Solches durch technische Maßnahmen vermeiden, spätestens bei Stemmarbeiten dürfte VLC gegenüber FK (engl.: WC) jedoch das Nachsehen haben.

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Game over, VLC, Fraunhofer, HHI, Li-Fi

Freudenstadt: Fraunhofer mottet VLC ein

H. Lamarr @, München, Montag, 21.08.2017, 15:40 (vor 2633 Tagen) @ H. Lamarr

Das Fraunhofer HHI hat es geschickt verstanden, sich der "nützlichen Idioten" unter den Mobilfunkgegnern zu bedienen. Selbst stets distanziert und sachlich, hat das Institut nichts gegen die Desinformation unternommen, die technisch überforderte Mobilfunkgegner öffentlich herumposaunten.

Das virale Marketing mit technisch überforderten Mobilfunkgegnern funktioniert lokal sogar noch im August 2017 – also nach Ende des Pilotprojekts auf der Insel Mainau.

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