Wolfgang Maes: die nächste Zitatfälschung, heute Repacholi (Berichtigungen)

H. Lamarr @, München, Freitag, 27.03.2015, 23:16 (vor 3511 Tagen)

Mehr Krebs durch Handys? Diese Frage stellte 1997 scheinheilig der Baubiologe Wolfgang Maes in dem Baubiologen-Blättchen Wohnung + Gesundheit (PDF). Anlass ist die berühmte "Repacholi-Mäusestudie". Maes fasst zusammen: "Australischer WHO-Wissenschaftler weist erstmals nach, dass die Strahlung von Mobiltelefonen die Tumorrate bei Mäusen verdoppelt."

In seinem dramatischen Beitrag zitiert der Baubiologe eine ganze Reihe von Stimmen zur Repacholi-Studie, unter anderem auch die taz. Hier der Original-Wortlaut bei Maes:

Repacholi in der taz am 7. Mai 1997: "Unser Modell ist das bisher beste, um etwas über den Zusammenhang von Mobilfunkwellen und Krebs auszusagen. Wir haben im Doppelblindversuch 100 Mäuse bestrahlt. Sie entwickelten im Vergleich zu der unbestrahlten Gruppe von ebenfalls 100 Mäusen 2,4-mal so oft Krebs. Um jede Fehlerquelle auszuschließen, haben wir auf 2 herunterkorrigiert." Die taz: "Mit einem plausiblen Versuchsmodell wollten die Forscher jeden Krebsverdacht widerlegen. Es wird der Mobilfunklobby sehr schwer fallen, das Ergebnis kleinzureden."

Doch haben Mike Repacholi und taz dies am 7. Mai 1997 tatsächlich gesagt? Wer dies prüfen möchte kann den alten Artikel bei der taz gegen wenig Geld einsehen oder sich gratis hier schlau machen.

Bingo!

Konnten wir Herrn Maes bislang nur Zitatverfälschungen nachweisen, wenn auch zum Teil krasse, so ist es diesmal eine handfeste Zitatfälschung. Denn Maes hat sich das, was er Repacholi und taz in den Mund legt, praktisch komplett selbst passend aus Fragmenten des taz-Artikels zusammen gedengelt.

Was die SSK seinerzeit zu der Schockmeldung von Repacholi sagt, hat sie in dieser Bewertung (PDF, 3 Seiten) nieder geschrieben. Der laienhaften Aufregung von taz-Autor und Baubiologe halten die Experten Gelassenheit entgegen. Sie sollten Recht behalten.

Inzwischen ist bekannt: Die ganze Aufregung war umsonst, Repacholi war einem Confounder aufgesessen. Zwei Replikationen der Repacholi-Studie scheiterten, zuerst Utteridge (2002) später Oberto (2007).

Außer Spesen nichts gewesen. Bis drauf, dass Wolfgang Maes über die Entwarnung öffentlich kein Wort verlor. Der Mann ist eben seiner Branche verpflichtet zu 100 Prozent auf Alarm gebürstet.

Wer sich den taz-Artikel, inzwischen 18 Jahre alt, durchliest, erkennt: Es hat sich nichts geändert, Bernd-Rainer Müller vom BUND gibt sich wie immer besorgt, relativierende Vorbehalte des Studienautors sind auf dem Weg zu Baubiologe Maes ausnahmslos verendet und am Schluss gibt es eine nette kleine Verschwörungsanekdote:

Insider kolportieren, Science habe die Studie nicht gedruckt, "weil das Panik ausloesen wuerde". Und auch nature habe die Arbeit nicht drucken wollen, ohne dass weitere unabhaengige Studien die Ergebnisse bestaetigen.

Maes dengelt sich daraus zurecht:

Die Arbeit von Repacholi ist von den Geldgebern zwei Jahre zurückgehalten worden. Fachzeitschriften wie nature und Science haben eine Veröffentlichung abgelehnt, weil man Sorgen habe vor Panik in der Bevölkerung.

Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

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Original und Fälschung

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Kinder, Verantwortungslos, Repacholi, Maes, Einflussnahme, Zitatfälschung, Verband-Baubiologie, Utteridge, Funkwellen


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