Nachgemessen: Kresse doch nicht elektrosensibel (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 05.12.2013, 09:49 (vor 3935 Tagen) @ H. Lamarr

Na wer sagt's denn, habe heute mit einem der beiden Jungforscher telefoniert und die Zusage für weiterführendes Material bekommen. Soviel vorweg: Der Versuch wurde nur 1-mal gemacht, die abgebildete Kresse welkte unter Einfluss von DECT (nicht Handy). Nachdem die Kresse aus dem Funkfeld genommen wurde, wuchsen auch die verkümmerten Pflänzchen normal weiter.

Was sagst du nun, Franz?!

Das weiterführende Material bestätigt diese Telefonauskunft nicht. Nachfolgend ein Auszug aus der Zusammenfassung der Dokumentation für den Jugend-forscht-Wettbewerb:

Mit einfachen Kressesamen und einem Mobiltelefon habe ich einen Versuchsaufbau erarbeitet. Ein Behälter mit eingepflanzten Kressesamen wurde der Strahlung ausgesetzt, indem man daneben ein Mobiltelefon platzierte, ein zweiter Kontrollbehälter wurde in relativ strahlenfreier Umgebung gehalten. Darüber hinaus habe ich mich bemüht die Bedingungen vergleichbar zu gestalten.
Die Samen wurden täglich vermessen und fotografiert, die Ergebnisse in Wachstumsstatistiken festgehalten.
Das auffallendste Ergebnis hierbei war, dass die bestrahlten Pflanzen einen Tag später zu keimen begannen, als die der Kontrollgruppe.
Ansonsten war das Wachstum der beiden Gruppen relativ konstant. Man konnte dementsprechend keine weiteren signifikanten Unterschiede zwischen den bestrahlten Pflanzen und denen der Kontrollgruppe festgestellt werden.
Ich konnte demnach die angebliche Gefahr, die von Handystrahlung ausgehen soll nicht bestätigen, jedoch auch nicht eindeutig wiederlegen.

Das klingt schon einmal merklich weniger dramatisch. Warum sich, von zufälligen Abweichungen einmal abgesehen, bei dem Versuch nichts Weltbewegendes ereignete, ist leicht erkennbar, wenn man sich die Arbeit ansieht. Dem jungen Forscher unterlief bei seinem Versuchsaufbau ein Fehler, wie folgender Textauszug belegt:

Neben einem der beiden Behälter wurde das Handy Typ Nokia 6210 (ohne Simkarte), das an das Ladegerät angeschlossen war, platziert. Somit waren der Topf und die darin enthaltenen Kressesamen Tag und Nacht der Bestrahlung des Mobiltelefons ausgesetzt.

Die Kresse bekam, wenn überhaupt, schlimmstenfalls alle 30 Minuten für nur 1 Sekunde Funk ab (PLU des Handys). Wobei mir nicht klar ist, ob ohne SIM der PLU überhaupt durchgeführt wird, denn woher soll das Handy denn (für einen Notruf) wissen, in welches Netz es sich einbuchen soll? Sicherheitshalber habe ich soeben mal meinem Handy die SIM-Karte entnommen und gemessen (HF35C), was nach dem Einschalten passiert. Bei Mittelwertmessung passierte nichts, das Handy verursachte keinen Messwert. Bei Spitzenwertmessung wurde das ständig schwankende Hintergrundsignal (etwa 300 µW/m²) um ungefähr 200 µW/m² stärker, sobald ich das Handy 50 cm vor die Antenne hielt. Oha! Was war das denn? Doch dann hielt ich anstelle des Handys einen mit Münzen prall gefüllten Geldbeutel hin und auch da stieg der Messwert im gleichen Maße an, es war also nur eine Reflexion, keine HF-Abstrahlung des Handys ohne SIM.

Damit ist klar: Die Kresse wurde in dem Experiment mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überhaupt nicht befeldet, nicht einmal mit dem PLU.

Kresse scheint dennoch für Elektrosmog-Forscher eine große Anziehungskraft zu haben. 2013 wollen Schülerinnen in Dänemark abermals festgestellt haben, dass Kresse unter Funkeinwirkung verkümmert. Sogar ein altgedienter Wissenschaftler will der Elektrosensibilität der Kresse jetzt auf den Grund gehen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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