10. Bahnberechende Niederlage am VG Mainz (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 27.04.2025, 19:50 (vor 23 Stunden, 17 Minuten) @ H. Lamarr

Kein Zweifel, Deutschland schmort im Sommerloch. Sogar der Bundeskanzler macht Pause. Doch das Führerhauptquartier organisierter Mobilfunkgegner in Stuttgart lässt sich davon nicht unterkriegen. Es belebt seine erschöpften Streitkräfte mit der Meldung von einem angeblich bahnberechenden Grenzwerturteil, erstritten von der Rechtsanwältin Sibylle Killinger in einem Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz. Noch sind die Schlüsselfiguren guter Dinge, doch sie werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit scheitern. Wollen wir wetten?

Am 12. März 2025 hätte das Verwaltungsgericht Mainz in der vom OVG Koblenz angeordneten Neuverhandlung u.a. darüber befinden sollen, dass die Grenzwerte der 26. BImSchV die Bevölkerung in Deutschland angesichts der Studienlage nicht wirksam vor den Risiken einer Mobilfunkbefeldung durch Funkmasten schützen. Derartige Erwartungen hegten die Anwältin der Kläger (Sibylle Killinger) und eine handvoll Mobilfunkgegner, die sich am 12. März in Mainz einfanden, um das "bahnbrechende" Ereignis (O-Ton Peter Hensinger: "Das gab es noch nie!") live mitzuverfolgen.

Verhandlungsprotokoll, unverbindliches

Doch statt zu einem noch nie dagewesenen Erfolg für organisierte Mobilfunkgegner führte die Verhandlung zu einer bahnbrechenden Niederlage der Kläger. Ein kurzes parteiisches Verhandlungsprotokoll der Bürgerinitiative 5G-frei Rheinhessen (unterstützt die Kläger) gibt dazu folgende Auskünfte:

► Zu Beginn konnte RA Killinger ihre Klagepunkte noch einmal ausführlich vortragen (u.a. Risiken der Mobilfunkstrahlung, Stand der Forschung, Grenzwerte, Rolle der Icnirp, Gerichtsentscheide).

► In seiner Erwiderung konnte Prof. Dr. Koch, RA der Beklagten, die Argumente Killingers (angeblich) nicht entkräften.

► Killinger stellte anschließend sechs Anträge, als zusätzliches Beweismaterial Studien namhafter Wissenschaftler einzuholen.

► Das Gericht wies nach Beratung alle Anträge zurück.

► Daraufhin stellte Killinger einen Befangenheitsantrag gegen die Kammer mit der Begründung, das Gericht verweigere die Zulassung weiterer Expertenaussagen zur Ermittlung der tatsächlichen Gefahr der Mobilfunkstrahlung.

► Nach einer weiteren Beratung teilte die Vorsitzende Richterin mit, dass auch dieser Antrag abgelehnt wird. Aus Sicht von Zuschauern habe das Gericht damit bekundet, keiner weiteren Aufklärung zum Thema nachgehen zu wollen.

► Das Urteil (Abweisung der Klage) wurde gegen 15:30 Uhr verkündet.

► Über ein Berufungsverfahren wird nachgedacht, sobald die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt.

K&K: Kundermann interviewt Killinger

Im folgenden Video schildert ab Minute 9:21 Sybille Killinger in einer Verhandlungspause gut gelaunt ihre Eindrücke vom Verlauf der Verhandlung. Die Rechtsanwältin gibt sich inhaltlich enttäuscht. Aus ihrer Sicht hätte das Gericht nach ihrer Darlegung des Sachverhalts gar nicht anders entscheiden können, als der Klage stattzugeben. Mit dieser Einschätzung stimmt Killinger das gewohnte Klagelied Unterlegener an und es ist eine Binsenweisheit, dass Mobilfunkgegner die Studienlage üblicherweise infolge Kompetenzdefiziten völlig anders bewerten als ausgewiesene Fachleute. Der Verein Diagnose-Funk belegt diesen Sachverhalt regelmäßig (zuletzt mit seiner alarmierenden Fehleinschätzung des Athem-3-Projekts) und ohne Aussicht auf Besserung.



Drei Instanzen

Die Entscheidung des VG Mainz ist für die Kläger, für Diagnose-Funk und für organisierte Mobilfunkgegner eine empfindliche Niederlage – aber (noch) nicht das Ende. Denn die Kläger können gegen Urteile von Verwaltungsgerichten in Berufung einlegen, so diese zugelassen wird. Das Oberverwaltungsgericht/der Verwaltungsgerichtshof prüft dann vor allem, ob das VG richtig entschieden hat – auch Tatsachen können nochmals überprüft werden. Gegen Urteile des OVG/VGH ist Revision möglich – aber nur, wenn sie ausdrücklich zugelassen ist. Das Bundesverwaltungsgericht prüft dann nur noch Rechtsfragen, nicht aber neue Tatsachen.

Livestream für Ewiggestrige

Die Bürgerinitiative 5G-frei Rheinhessen, die am Anfang des Videos oben einen eher abschreckenden Auftritt hat, scheint irgendwie mit dem Produzenten des Videos (MRX_Fim) in Verbindung zu stehen. Unter dem am Ende des Videos eingeblendeten kurzen Verhandlungsprotokoll steht jedenfalls:

www.bi-5g-frei-rheinhessen.jimdosite.com

Doch dieser Link ist fehlerhaft und führt zu einer Browser-Warnmeldung, die Verbindung zu dieser Website sei nicht sicher, da sie ein nicht unterstütztes Protokoll verwendet. Ursache dieses Fehlers sind keine gefährlichen Hacker, sondern schlampige Mobilfunkgegner in Rheinhessen, welche die Funktionalität ihrer Webadresse vor der Weitergabe nicht testen. Die korrekte Webadresse der BI lautet:

https://bi-5g-frei-rheinhessen.jimdosite.com

Dort heißt es zur Verhandlung:

Die Klage des Ehepaares aus Bodenheim [...] gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Deutsche Telekom bzw. dem Bundesamt für Strahlenschutz, BfS, wurde von der Gerichtskammer abgewiesen.

Das ist natürlich Quatsch, die Bundesrepublik Deutschland wurde anlässlich der Verhandlung ganz sicher nicht von der Deutschen Telekom vertreten! Das Unternehmen war in Mainz nicht mehr und nicht weniger als eine Beigeladene.

Kurios: In Erwartung eines bahnbrechenden Urteils zugunsten organisierter Mobilfunkgegner wurden der BI zufolge die im Video zu sehenden Szenen per Livestream übertragen. Das klingt nach Public Viewing im Hosentaschenformat und mit tragischem Ausgang für organisierte Mobilfunkgegner in Stuttgart :-).

Das Video zeigt nicht mehr als fünf Mobilfunkgegner vor dem VG Mainz. Auf ihrer Website spricht die BI jedoch von "etwa 30 Aktivisten" in Mainz. Das kommt mir spanisch vor, zumal das Video auf Youtube nach fünf Wochen nur 508 Aufrufe und drei (echte) Kommentare hat. Für die übliche Übertreibung scheint mir der Überteibungsfaktor sechs unverschämt hoch. Vielleicht war es so: Mobilfunkgegner stellten fünf Aktivisten und die Gegenseite, die mit der BNetzA in Mainz immerhin Heimvorteil genießt, stellt 25.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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