Gigaherz-Jakob kann BVGer-Urteil nicht richtig interpretieren (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 24.08.2021, 20:21 (vor 1362 Tagen)

In seinem jüngsten Beitrag stellt Gigaherz-Präsident Jakob drei Richter am Bundesverwaltungsgericht (BVGer) und einen am Bundesgericht der Schweiz als Vollidioten dar. Angeblich seien die vier Richter zu dämlich, zu erkennen, dass durch ein neues Unterwerk, das der Hochspannungsleitung Wattenwil-Mühleberg Strom für 13'300 Haushalte in Bern entzieht, auch der Strom durch die Seile der Hochspannungsleitung anwächst. Ein Blick ins Urteil des BVGer zeigt indes: Nicht die Richter sind dämlich.

Wie Ex-Elektriker Jakob sich aufplustert, ist hier nachzulesen. Und mir fehlt als Nachrichtentechniker und Technischer Redakteur eigentlich die Kompetenz, ihm in Starkstromfragen die Hosen runter zu lassen. Im konkreten Fall bedarf es dazu jedoch keiner Fachkompetzenz, denn Jakob ist wieder einmal über seine eigenen Beine gestolpert und nicht imstande gewesen, ein unmissverständlich formuliertes Urteil richtig zu lesen.

Jakob ergeht sich in seinem Text in vielen unbelegten Nebensächlichkeiten, im Kern behauptet er ...

[...] dass die hochgelehrten Richter Greppi, Candrian und Tiefenthal vom Bundes-Verwaltungsgericht zum Schluss gekommen waren, auf der bereits anderweitig voll ausgelasteten Hochspannungsleitung von Wattenwil nach Mühleberg, die jetzt im Westen von Bern über eine neue Unterstation noch zusätzliche weitere 13’300 Haushaltungen mit ektrischer [sik!] Energie versorgen soll, werde der Strom nicht ansteigen. [...]

Wäre dies wahr, dürfte Jakob die Richter ungestraft "Superhirne" nennen, denen ein "physikalisches Wunder" gelungen sei. Doch was Jakob behauptet ist nicht wahr, sondern gelogen. Dies können sogar Laien im Urteil A-6127/2019 des BVGer vom 11. März 2021 nachlesen, das später vom Bundesgericht (Richter Müller) bestätigt wurde.

Jakobs Denkfehler: Er hat nicht verstanden, die Richter differenzieren zwischen dem lastabhängigen momentanen Betriebsstrom auf einer Leitung und dem lastunabhängigen maximal zulässigen (maßgebenden) Strom. Diese Differenzierung ist so leicht verständliche und klar formuliert, dass es mMn äußerst schwierig ist, sie nicht zu verstehen. Die entscheidende Passage im Urteil lautet:

7.3.2 Immerhin kann festgehalten werden, dass das Unterwerk Riedbach nicht zu einer Erhöhung des massgebenden Stroms auf der Leitung zwischen Wattenwil, Gasel und Mühleberg führt. Als massgebender Strom gilt für Freileitungen der nach dem Stand der Technik berechnete maximal zulässige Dauerstrom bei 40 °C Umgebungstemperatur und 0.5 m/s Windgeschwindigkeit (Anhang 1 Ziff. 13 Abs. 2 Bst. a NISV). Aufgrund dieser Definition ist [der] massgebende Strom nicht vom realen Betrieb der Anlage abhängig, sondern er wird aufgrund des maximal möglichen Stromflusses in Abhängigkeit des für die Leiterseile verwendeten Materials und des Leiterquerschnitts berechnet (vgl. Stellungnahme des BAFU vom 22. April 2020, Rz. 3.6). Entsprechend führt das neue Unterwerk – entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführenden – nicht zu einer Erhöhung des massgebenden Stroms im Sinne von Anhang 1 Ziff. 13 Abs. 2, da das Unterwerk an sich zwar unter Umständen einen Einfluss auf den realen Betrieb der Anlage hat, jedoch keinen Einfluss auf die Berechnung des massgebenden Stroms. Da für die Beurteilung, ob eine Freileitung den Anlagegrenzwert für nichtionisierende Strahlung gemäss NISV einhält, auf die genannte Berechnung des massgebenden Stroms abgestellt wird (vgl. Anhang 1 Ziff. 15 und 16 NISV), entsteht durch eine eventuelle Erhöhung des tatsächlichen Stromflusses (bis zum maximal zulässigen Dauerstrom) keine für die Beurteilung der Einhaltung der Anlagegrenzwerte relevante Veränderung.

Jakob unterdrückt seinen Denkfehler unter anderem mit der Behauptung, die Leiterseile der Hochspannungsleitung seien schon vor der Errichtung der zusätzlichen Entnahmestelle in Gestalt des Unterwerks Riedbach zu 100 Prozent ausgelastet gewesen. Wäre es so, könnte man seinen Ausführungen etwas mehr Glauben schenken. Die Drama-Queen aus Schwarzenburg unterlässt es jedoch, seine Behauptung auch nur ansatzweise zu belegen und ich sehe nicht, dass die Betreibergesellschaft BKW Energie AG dem Ex-Elektriker regelmäßig über den Auslastungsgrad ihrer besagten Leitung berichtet hat. Aller Voraussicht nach stellt Jakob über den Auslastungsgrad der Leitung lediglich eine Vermutung an, die er als Tatsache ausgibt.

Es ist also wie immer: Gigaherz-Jakob versteht einen simplen Sachverhalt falsch, pöbelt hemmungslos, wird widerlegt und denkt nicht im Traum daran, seinen Fehler einzugestehen.

Übrigens, das Urteil 1C_200/2021, das Jakob am Ende seines Beitrags versteckt hat, war heute beim Bundesgericht nicht aufzufinden. Entweder nennt Jakob ein falsches Aktenzeichen, oder das Urteil wurde noch nicht in die Datenbank des Bundesgerichts eingepflegt.

--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

RSS-Feed dieser Diskussion

powered by my little forum