Fall Brown: Wie Diagnose-Funk die Tatsachen verdreht (Elektrosensibilität)
Einer Meldung der Bürgerwelle Schweiz zufolge hat in Los Angeles die Lehrerin Laurie Brown vor Gericht durchgesetzt, dass ihr Arbeitgeber ihre "Elektrosensibilität" gegenüber W-Lan als Behinderung anerkennen muss.
Diagnose-Funk hat die Meldung von der Website der Bürgerwelle (BW) Schweiz erbeutet und verwurstet diese nun auf der eigenen Website mit dem Orginaltitel und einem selbst erfundenen Untertitel (Bild):
Screenshot der Diagnose-Funk-Leitseite (Ausschnitt) am 1. März 2021.
Und wieder einmal wird das Bemühen des Vereins um Desinformation ersichtlich. Lag schon Peter Schlegel von der BW Schweiz mit seiner "Wi-Fi-Krankheit" weit neben der Spur, übertreffen ihn die Geisterfahrer aus Stuttgarter mit der Behauptung "Krankheitsursache: WLAN an der Schule".
Ein kurzer Blick in Wikipedia zum Stichwort "Behinderung" zeigt, wo es klemmt:
Als Behinderung bezeichnet man eine dauerhafte und gravierende Beeinträchtigung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Teilhabe bzw. Teilnahme einer Person. Verursacht wird diese durch die Wechselwirkung ungünstiger sozialer oder anderer Umweltfaktoren (Barrieren) und solcher Eigenschaften der Betroffenen, welche die Überwindung der Barrieren erschweren oder unmöglich machen.[1]
Behinderung wird also nicht als „Krankheit“ betrachtet [...]
Warum verdrehen die Desinformanten aus Esslingen (Schweiz) und Stuttgart trotzdem die Tatsachen?
Ehrliche Antworten werden wir von den Urhebern der alternativen Fakten wohl nicht bekommen, also interpretiere ich den Sachverhalt und stütze mich dabei auf Tatsachen.
Die Lehrerin Laurie Brown erstritt vor Gericht, dass ihre behauptete "Elektrosensibilität" gegenüber Wi-Fi (entspricht W-Lan im deutschsprachigen Raum) als Behinderung anerkannt wurde. Nicht mehr und nicht weniger. Im Urteilstext findet sich der Begriff Wi-Fi deshalb 23-mal. Von "Krankheit" (illness) geschweige denn von "Wi-Fi-Krankeit" (Wi-Fi illness) ist hingen im Urteilstext 0-mal die Rede. Ersetzt man illness gegen sickness gibt es zwei Treffer für microwave sickness, als Synonym für "Elektrosensibilität", gebraucht jedoch nicht vom Gericht, sondern von der Klägerin in zitierten Fragmenten ihrer ersten Beschwerde gegenüber der Schulverwaltung. Die Verdrehung geht damit unstreitig ganz allein auf das Konto der beiden Desinformanten in der Schweiz und Deutschland.
Jetzt wird es spekulativ. Als parteiische Mitspieler in der Mobilfunkdebatte sind Bürgerwelle Schweiz und Diagnose-Funk stets daran interessiert, ihre Sicht der Dinge anderen aufzudrängen. Im konkreten Fall die abseitige Sichtweise, W-Lan würde Menschen krank machen. Dummerweise gibt das Urteil aus den USA dies aber nicht her, denn das Gericht prüfte alles mögliche, etwa ob Brown Repressalien der Schulverwaltung ausgesetzt war oder diskriminiert wurde, einen Kausalzusammenhang zwischen der behaupteten "Elektrosensibilität" der Klägerin und dem W-Lan an der Schule aber prüfte es nicht. Ergo ist das Urteil kein "Beweis" dafür, Brown würde tatsächlich auf W-Lan mit Symptomen reagieren und schon gar nicht dafür, W-Lan würde andere Menschen krank machen. Damit ist das Urteil für Desinformanten nur wenig ergiebig.
Um dennoch ein bisschen Nektar saugen zu können, griffen BW Schweiz und Diagnose-Funk zu der List, im Titel ihrer Meldungen W-Lan als "Krankmacher" zu stigmatisieren, wohl wissend, dass der weitgehend sachliche Fließtext diese Verdrehung gar nicht stützt. Der Trick ist gerissenen Schreibern seit langem bekannt: Mit suggestiven Titelzeilen, die auch erstrangig in Erinnerung bleiben, werden unaufmerksame Leser so konditioniert, dass diese einen angebotenen Fließtext im Sinne der irreführenden Titelzeilen missverstehen und Botschaften darin erkennen, die dort gar nicht geschrieben stehen.
Wir dürfen uns also nicht wundern, wenn künftig die weniger hellen Kerzen auf der Torte der Mobilfunkgegner herum posaunen werden, ein altmodisches "Appelationsgericht" () in den USA habe bestätigt, W-Lan könne krank machen.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
gesamter Thread:
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