Mobilfunk: Kälbchen kommen blind zur Welt (Allgemein)
Der Schweizer Landwirt Hans Sturzenegger behauptet seit geraumer Zeit in öffentlich gehaltenen Vorträgen, es sei erwiesen, die Felder von Mobilfunk-Basisstationen hätten die Erblindung von Kälbern zur Folge. Hier im Forum wurde der "Fall Sturzenegger" wiederholt mit viel Skepsis diskutiert. Kräftig Auftrieb bekam der Landwirt 2006, als Michael Hässig von der Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich die Tiere seines Hofes auf EMF-Einwirkung hin untersuchte. Erste Resultate zeigten damals einen Zusammenhang zwischen dem Standort erkrankter Kälber im 1. Drittel der Trächtigkeit und der Sendeleistung der nächststehenden Mobilfunkantenne, sowie der Gesamtsendeleistung aller umliegenden Antennen. Ursprünglich sollte die Studie eine Doktorarbeit von Hässigs Mitarbeiterin Franziska Jud hervorbringen und Ende 2007 zu ende gewesen sein. Doch daraus wurde nichts.
2011 zeigt die Vortragstätigkeit Sturzeneggers in der deutschen Bodenseeregion Wirkung. Jetzt ist auch dort ein Landwirt, der glaubt, Mobilfunk mache seine Kälber blind. So zumindest berichtet dies Adelinde Schwegler in der Schwäbische Zeitung.
Die grenzüberschreitende Infizierung der Bodenseeregion mit der Sturzenegger-These war für mich Anlass, diese Woche bei Prof. Michael Hässig nachzufragen.
IZgMF: Bislang dachte ich, die Studie sei im Dezember 2007 abgeschlossen worden mit einer Dissertation von Frau Jud. Jetzt aber sehe ich, dass in der Forschungsdatenbank der Uni Zürich das Ende der Studie auf Dezember 2012 datiert ist. Dazu würde ich nun gerne von Ihnen wissen:
Warum wurde die Laufzeit der Studie so erheblich verlängert, soll z.B. ein bislang vager Verdacht erhärtet werden?
Hässig: Wir wollen der Problematik weiter auf den Grund gehen. Zur Zeit sind 2 Publikationen im Druck zu diesem Thema.
IZgMF: Gibt es über den Kenntnisstand der Dissertation Jud hinaus gegenwärtig neue Hinweise, dass die Immission von Mobilfunk-Basisstationen in kausalem Zusammenhang mit der Augen-Erkrankung der Kälber steht?
Hässig: Kausal nicht aber Untersuchungen bezüglich weiterer Hinweise auf die Pathogenese (Entstehung) via Redox-Reaktionen sind im Gang.
IZgMF: Ist Ihnen bekannt, dass der Landwirt Hans Sturzenegger als Referent auf organisierten öffentlichen Veranstaltungen den Eindruck erweckt, die Vetsuisse-Fakultät hätte bestätigt, Mobilfunkfelder würden bei Kälbern Nukleäre Katarakte bewirken und würden Sie diese Darstellung des Landwirts bestätigen?
Hässig: Der kausale Zusammenhang kann von unserer Seite nicht bestätigt werden. Dazu fehlen noch diverse Beweise. Sehen Sie dazu die Kausalitätskriterien von Bradford-Hill, 1965:
Gesicherte Assoziation: Der Zusammenhang muss statistisch genügend gesichert sein.
Konstante Assoziation: Die Resultate müssen unter verschiedenen Umständen gleich bleiben.
Zeitliche Chronologie: Die Ursache kommt vor der Krankheit.
Dosis-Wirkung-Zusammenhang
Biologische Plausibilität: Der Zusammenhang muss nach dem heutigen Wissensstand erklärbar sein.
Experimentelle Bestätigung
Analogie: Ähnliche Ursachen müssen zu ähnlichen Krankheiten führen.
Kohärenz: Die Resultate müssen reproduzierbar sein.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
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