Belpoggis 5G-Review für Stoa: Übersetzung irreführend (Allgemein)
In der Tat, ganz schön dreist, zumal Übersetzung nicht gleich Übersetzung ist.
Um die Qualität der Übersetzung prüfen zu können, habe ich mir in der deutschen Fassung (PDF) eine zufällig gefundene auffällige Textpassage herausgesucht, und diese mit dem englischen Originaltext (PDF) verglichen. Besagte Textpassage hat die Gliederungsnummer 6.1 (6.1.1 bis 6.1.4). Dort geht es um die zusammenfassende Bewertung von Studienergebnissen für den 5G-Frequenzbereich FR1 (450 MHz bis 6000 MHz). Auffällig war, dass im Deutschen mal von Beweisen die Rede ist, mal von Hinweisen. Bekanntlich sind dies Begriffe der Evidenzbewertung, sie sind genau definiert und dürfen keinesfalls willkürlich verändert werden, z.B. weil ein Übersetzer etwas Abwechslung ins stilistische Einerlei bringen will.
In der Übersetzung von Diagnose-Funk ist aber genau das passiert, wie die folgende Liste der verkürzt wiedergegebenen Gliederungspunkte 6.1.1 bis 6.1.4 zeigt. Der besseren Übersicht wegen habe ich zu jedem Gliederungspunkt ein Pärchen (englisch/deutsch) gebildet. Stellen, bei denen die Übersetzung vom Original abweicht, habe ich im deutschen Text rot markiert.
6.1.1 Cancer in humans
There is limited evidence in humans for the carcinogenicity of radiofrequency radiation. [...]
6.1.1 Krebs beim Menschen
Es gibt nur begrenzte Beweise für die Karzinogenität hochfrequenter Strahlung beim Menschen. [...]
6.1.2 Cancer in experimental animals
There is sufficient evidence in experimental animals for the carcinogenicity of radiofrequency radiation.
6.1.2 Krebs bei Versuchstieren
Es gibt ausreichende Beweise für die Karzinogenität von hochfrequenter Strahlung bei Versuchstieren.
6.1.3 Reproductive/developmental effects in humans
There is sufficient evidence of adverse effects on the fertility of men. [...]
6.1.3 Auswirkungen auf die Fortpflanzung/Entwicklung beim Menschen
Es gibt ausreichende Hinweise auf schädliche Wirkungen auf die Fruchtbarkeit von Männern. [...]
6.1.4 Reproductive/developmental effects in experimental animals
There is sufficient evidence of adverse effects on male rat and mouse fertility. [...]
6.1.4 Auswirkungen auf die Fortpflanzung/Entwicklung bei Versuchstieren
Es gibt ausreichende Hinweise auf schädliche Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit von männlichen Ratten und Mäusen. [...]
Der Übersetzer hat "evidence" nicht konsequent übersetzt. Da "Hinweis" einen schwächeren Evidenzgrad beschreibt, werden aus meiner Sicht zwei der vier Endpunkte in der deutschen Übersetzung unzutreffend (zu schwach) bewertet.
Auf Seite 9 (PDF-Nummerierung!, deutsche Fassung) sind die von Belpoggi verwendeten Evidenzgrade definiert. Dort aber ist weder von "Beweis" die Rede, noch von "Hinweis", sondern von "Nachweis". Eigenartigerweise ist dort ausgerechnet die wichtige Tabelle mit den Evidenzgraden nicht übersetzt worden! Wobei ich das sogar nachempfinden kann, denn der Evidenzgrad "Limited" [evidence] ist aus meiner Sicht so uneindeutig definiert, dass ein Übersetzer es nur falsch machen kann. Was ist denn nun zutreffend, wenn ein Endpunkt mit "limited evidence" bewertet wird: Ist der beobachtete Effekt dann nur möglicherweise oder schon wahrscheinlich mit der Exposition verknüpft? Die IARC würde bei einer Verwechslung von 2A mit 2B wahrscheinlich keinen Spaß verstehen.
Fazit: Eine zufällig gefundene kurze Textpassage aus der deutschen Übersetzung zeigt mMn bereits so viele Unstimmigkeiten in Bezug auf die zentral wichtige Evidenzbeurteilung, dass ich mir nicht ausmalen möchte, was auf den 200 Seiten der deutschen Fassung noch im Argen liegt. Der Wert so eines übersetzten Papiers beruht doch darauf, dass sich ein Leser darauf verlassen können muss, dass die Risikobewertungen mit dem Original ausnahmslos übereinstimmen. Die kleine Probe aufs Exempel hat aber gezeigt, dies trifft bei zwei von vier Bewertungen nicht zu. Für mich ist damit die Übersetzung bereits hinfällig, weil mein Vertrauen in deren Richtigkeit erschüttert ist.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
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