Faktencheck: Pathologie der Dummheit in D-A-CH (Allgemein)
Warum Dummheit nichts mit Intelligenz zu tun haben muss und ab wann eine Diskussion mit Anhängern von Verschwörungstheorien sinnlos ist.
Dumme Entscheidungen hätten in der Geschichte der Menschheit "schon mehr Schaden angerichtet als alle Waffen, Bakterien und Viren gemeinsam", schreibt Heidi Kastner in ihrem neuen Buch über Dummheit. Geboren wurde die Idee zu der Abhandlung über dummes Verhalten "durch die jahrzehntelange Begegnung mit dem Phänomen, das einen immer wieder fassungslos macht", wie die Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie erzählt.
[...] Dummheit ist vor allem mal zum einen diese unhinterfragbare Überzeugung, im Besitz der Wahrheit zu sein, und zwar ohne Zweifel. Damit geht auch die anmaßende Position einher, zu allem eine bedenkenswerte Meinung beziehen zu können, ohne sich über das Thema gründlich zu informieren. Der Glaube, eh genug zu wissen, nur wenn man einmal irgendwo etwas gehört hat, und daraus eine Position beziehen zu können, das ist Faulheit oder Indolenz. Man bemüht sich nicht um ordentliche Entscheidungsgrundlagen und folgt seinem Bedürfnis, mit einem Schild herumzurennen, ohne seine Position zu überdenken oder sich für seine eigene Position verantwortlich zu fühlen, weil diese Verantwortung in der Gruppe diffundiert. Wenn alle dasselbe schreien, kann ich das getrost mitschreien und brauche mir nicht zu überlegen, was ich da eigentlich schreie. Dummheit ist aber auch eine völlig fehlverstandene Toleranz, die meint, man müsse alles gelten lassen. Das muss man nicht. Man muss auch nicht jede Meinung wertschätzen. Alles verstehen bedeutet bekanntlich, alles zu verzeihen – was W. S. Maugham als Mentalität des Teufels bezeichnet hat. Man muss sich positionieren und überlegen, warum man sich positioniert. Es reicht nicht zu sagen, dass das viele andere auch machen.
[...] Es gibt intelligente Menschen, die fürchterlich dumme Entscheidungen treffen und sich sehr dumm verhalten. Dumm meint, ignorant zu sein, unglaublich selbstsicher oder nur "bei sich" zu sein, wie es so schön heißt heutzutage, es bedeutet das Ausblenden von Verantwortungen, dass man keine Informationen vor Entscheidungsfindungen einholt, selbstzentriert und selbstherrlich zu sein, kein Gefühl dafür zu haben, dass man als Teil eines Ganzen auf der Welt ist und das Ganze mitbedenken muss, wenn man Entscheidungen trifft. Dummheit hat auch viel zu tun mit einer gewissen Form von Arroganz.
[...] Es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum die Faktenverweigerung gerade im deutschsprachigen Raum, der Österreich, Deutschland und die Schweiz umfasst, Hochkonjunktur hat. Das ist in Skandinavien, aber auch im südeuropäischen Raum anders. [...]
Es ist nachvollziehbar, dass es Länder, die eine lange Tradition von Denk-, Positions- und Moraldiktatur haben, gewohnt sind, das Denken und Bestimmen anderen zu überlassen. Kirchen haben nicht mehr den enormen Zulauf von früher, dieses jahrhundertelang tradierte autoritäre Denkmodell löst sich zunehmend auf. Die Leute orientieren sich jetzt an allen möglichen anderen Denkvorgaben. Deshalb haben Esoterik und Schwurbelei Hochkonjunktur. Es braucht offenbar jemanden, der einem vermittelt, zu den Auserwählten, die den Durchblick haben, zu gehören. Das ist im Wesentlichen in der Religion, die sich als die einzig wahre bezeichnet, auch so. Da fühlt man sich auch erhaben, so sehr, dass man andere missioniert. Das hat immer auch was mit Selbstwert zu tun. Sie wollen ja nicht Fakten abgleichen, sondern recht haben. Derselbe Mechanismus funktioniert bei Verschwörungsmythen. Da braucht man nicht diskutieren, das ist sinnlos. mehr ...
gesamter Thread: