Zitatverfälschung: Worte, die Prof. Heyo Eckel nie gesagt hat (Berichtigungen)
Ein Zitat von Prof. em Heyo Eckel geistert seit 2006 durch die Republik, verbreitet von organisierten Mobilfunkgegnern:
"Elektromagnetische, gepulste Wellen von Sendemasten und Handys beeinflussen und deformieren den Zellkern."
Im Internet finden sich für dieses Zitat etliche Fundstellen. Hier ein paar Beispiele:
- Deutsches Ärzteblatt (Kommentar)
- Comuterzeitschrift PC-Welt (Kommentar)
- Ulrich Warnke in einem Buch von Heike-Solweig Bleuel
- Handelsblatt (Kommentar)
- gutefrage.net (Antwort auf Frage)
- Merkur-online (Kommentar)
- inside-handy.de (Kommentar)
- Schwarzwälder Bote (Kommentar)
- Zitatsammlung von Wolfgang Maes (PDF)
Vorbemerkung: Wer sich die Beispiele angesehen hat, dem wird wahrscheinlich aufgefallen sein, dass die Mehrzahl der Kommentare anonym und meist wortgleich verfasst wurden von einem Mobilfunkgegner, der ausnahmslos auf die Facebook-Seite "Mobilfunk und Gesundheit" verlinkt und häufig auch auf die Website "Mobilfunkstudien" des Anti-Mobilfunk-Vereins Diagnose-Funk. Das ist keine echte Meinungsvielfalt. Vielmehr spaziert ein einziger anonymer Mobilfunkgegner mit eigenwerblichen Kommentaren durch die Medien und hinterlässt mal hier mal dort seine Duftnote. Das wäre nun nicht weiter tragisch, würde diese Duftnote nicht faul riechen.
Hauptbemerkung: Wie dieser Meldung auf Omega-News zu entnehmen ist, beruht das besagte Zitat auf einem Interview mit Heyo Eckel, das die Schwäbische Post am 7. Dezember 2006 brachte. Heute ist dieses Original-Interview nicht mehr frei im Internet erhältlich. Ich habe deshalb, um mit einer Primärquelle auf Nummer sicher zu gehen, das Leserecht für den Artikel bei der Schwäbischen Post erworben und von der entscheidenden Passage den folgenden Screenshot angefertigt.
Und jetzt wird deutlich: Was angeblich Heyo Eckel gesagt haben soll, kommt in Wahrheit von Markus Lehmann, dem Autor des Artikels!
Eckel hat auf die Frage "Sind elektromagnetische Wellen gefährlich für den Menschen?" zunächst nur geantwortet:
"Diese Wellen deformieren und schädigen den Zellkern."
Frei dazu erfunden wurden in dem angeblichen Zitat die typischen Reizworte, mit denen Mobilfunkgegner gerne hausieren gehen:
- gepulst
- Sendemasten
- Handys
Wieder einmal wurde ein Zitat, das im Original nicht genug her gibt, von Mobilfunkgegnern passend zusammen gefälscht, indem ein vom Autor des Artikels fälschlich gezogenes Fazit dem ahnungslosen Prof. Eckel in den Mund gelegt wird. Wer als erster diese Zitatverfälschung begangen hat und zahlreiche Abschreiber fand, habe ich aus Zeitmangel nicht weiter geprüft.
Tatsächlich hat Prof. Eckel zum Zellkern nicht nur den einen Satz gesagt, sondern merklich mehr. Die grobe Zitatverfälschung umfasst damit auch noch den Tatbestand der unzulässigen, weil sinnentstellenden Verkürzung, wie sich am unverfälschten Originalzitat erkennen lässt:
"Diese Wellen deformieren und schädigen den Zellkern. Das ist bewiesen und haben Untersuchungen "in vitro" (im Laborversuch) ergeben. Der Zellkern kann sich auch durch natürliche Vorkommnisse verändern. Darüber hat man aber keinen Einfluss. Diese Veränderungen durch die Wellen sind aber sicher belegt."
Für Neulinge in der Anti-Mobilfunk-Szene noch der Hinweis: Dass Funkwellen den Zellkern "deformieren und schädigen" kann gut sein, die Einwirkung ist dann aber deutlich über Grenzwert. Dies ist unstrittig und sicher belegt. Ob es solche Zellkernschädigungen auch unterhalb der Grenzwerte gibt ist strittig und nicht belegt. Wichtigster Belastungszeuge ist die berühmt-berüchtigte Wiener "Reflex"-Studie. Diese zeigt jedoch gleich zwei Schwächen: zum einen lasten a) auf ihr bislang nicht klar widerlegte Fälschungsvorwürfe und b) ist es bisher bei keiner dezidierten Reflex-Replikation gelungen, die alarmierenden Ergebnisse zu reproduzieren. Doch selbst wenn wider Erwarten die "Reflex"-Ergebnisse wahr sind, müssen sich Anwohner von Sendemasten nicht sorgen. Die Befunde traten bei Immissionen auf, wie sie selbst in unmittelbarer Nähe zu einem Mobilfunk-Sendemasten nicht auftreten können, sondern nur beim Gebrauch von Handys.
[Admin: editiert (Datumskorrektur) am 16.02.15]
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –