19 Seiten PDF von Ecolog auf dem Prüfstand: durchgefallen! (Elektrosensibilität)

Alexander Lerchl @, Mittwoch, 19.12.2012, 15:25 (vor 4343 Tagen) @ H. Lamarr

Ich hoffe es lässt sich das Original der Arbeit der beiden Ecolog-Leuten auftreiben und dann werden wir ja sehen, was an der Behauptung des Pfarrers dran ist und wie substanziell seine Quelle ist.

Das ging schneller als gedacht: Prof. Thiede hat dieses PDF gefunden (19 Seiten), und seine Behauptung von dort wortwörtlich in sein Buch übernommen. Das ist Wahrheit, wie sie der Druckerschwärze (nicht erst) seit Guttenberg innewohnt.

Da Herr Neitzke und Frau Osterhoff keine Pappnasen sind, ist die Quelle aus meiner Sicht in erster Näherung durchaus substanziell. Ob das Werk auch kritischen Stichproben standhält, wird sich erst noch herausstellen müssen.

Dann wollen wir mal. Es wird in dem Dokument geschrieben: "In fünf von 17 Arbeiten, die die Elektrosensitivität untersuchen, werden Personen identifiziert, die reproduzierbar elektrosensitiv sind."

Das ist nachweislich falsch.

Rea et al.: http://www.aehf.com/articles/em_sensitive.html
Sehr seltsam glatte Zahlen in der ersten Tabelle ...
Aber auch Nutznießer: http://www.aehf.com/product.php?productid=1335&cat=171&page=1

Oftedal et al. 1995: http://www.sjweh.fi/show_abstract.php?abstract_id=47
Keine Studie zur Reproduzierbarkeit! Keine Elektrosensiblen / -sensitiven! Nur einer von 7 Endpunkten signifikant (Hautkribbeln)!

Müller 2000: Dissertation, keine Publikation! http://e-collection.library.ethz.ch/eserv/eth:23675/eth-23675-01.pdf
Später publiziert: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/bem.95/abstract
Und heftig kritisiert (wegen statistischer Effekte): http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/bem.10064/pdf

Müller hat später ein Buch herausgebracht: Müller Ch., Schierz Ch.
Kaum zu beweisen: Elektrosmog ist spürbar
RiskVoice 003: Phantomrisiken - Risiken in neuer Gestalt. Stiftung Risiko-Dialog, St. Gallen; (Okt. 2001)

Hietanen et al., 2002: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed?term=hietanen%202002%20mobile
Abstract: The results of the study indicated that various symptoms were reported, and most of them appeared in the head region. However, the number of reported symptoms was higher during sham exposure than during real exposure conditions. In addition, none of the test persons could distinguish real RF exposure from sham exposure. Hence, we conclude that adverse subjective symptoms or sensations, though unquestionably perceived by the test subjects, were not produced by cellular phones.

Zwamborn et al. 2003: Zu dieser Angabe habe ich keine Originalquelle gefunden.

Neitzke und Osterhoff schreiben aber zu dieser Studie einen kritischen Kommentar, die Ergebnisse seien möglichwerweise durch demografische (Geschlecht und Alter) Unterschiede der verglichenen Gruppen "(mit)verursacht" worden.

Fazit: Herr Thiede hätte sich vielleicht ein wenig Mühe machen sollen, die Originalquellen zu studieren (Theologen können das!), anstatt die Angaben von Neitzke und Osterhoff unkritisch zu übernehmen.

Halt, Stopp: Der Pfarrer kann sich nicht auf den qualitativ besseren Rubin stützen, denn Rubin bestätigt Lerchl! Um den Bremer Professor dennoch als unglaubwürdig hinzustellen, muss Prof. Thiede zielsicher an Rubin vorbei tief in die Mottenkiste greifen. Wie sich dies mit christlichen Wertvorstellungen vereinbaren lässt, die einem Theologen doch nicht allzu fremd sein sollten, ich weiß es nicht.

Nicht jeder Theologe ist a) gläubig und b) Christ. Schöne Weihnachten!

--
"Ein Esoteriker kann in fünf Minuten mehr Unsinn behaupten, als ein Wissenschaftler in seinem ganzen Leben widerlegen kann." Vince Ebert

Tags:
ECOLOG-Institut, Neitzke, Rubin, Prüfstand, Repräsentant, St.-Gallen, PubMed


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