Wird Liechtenstein ein Funkloch? (Allgemein)

Doris @, Dienstag, 28.07.2009, 15:55 (vor 5581 Tagen)

Streit um Handystrahlung: Wird Liechtenstein zum Funkloch?

Im Ländle hat das Parlament eine massive Senkung der Mobilfunkstrahlung beschlossen. Die Wirtschaft befürchtet, dass das Fürstentum zum Funkloch wird, und hat eine Initiative lanciert.

Dass im Hoheitsgebiet von Fürst Hans-Adam II. politische Weichenstellungen mit einer Volksinitiative entschieden werden, ist ziemlich selten. Noch seltener greifen aber die mächtigen Wirtschaftsverbände zu diesem Instrument. Doch seit zwei Wochen sammeln Exponenten des Finanzplatzes eifrig Unterschriften. Im Visier stehen zwei Artikel des Umweltschutzgesetzes, die der Landtag erst vor einem Jahr gegen den Willen der Regierung beschlossen hat. Sie legen fest, dass im Mobilfunk der zulässige Strahlengrenzwert bis 2013 von heute 6 auf 0,6 Volt pro Meter gesenkt werden muss. Das Ziel des zehnmal tieferen Grenzwertes ist ein besserer Schutz der Bevölkerung vor der gesundheitsschädigenden Wirkung des Mobilfunks.

Zehnmal mehr Antennen nötig?

Die Volksinitiative fordert eine ersatzlose Streichung der beiden Artikel. «Es gibt keine wissenschaftlichen Beweise, dass Handystrahlen wirklich schädlich sind», sagt Jürgen Nigg, Geschäftsführer der Wirtschaftskammer Liechtenstein. «Für die Businesswelt wäre der tiefere Grenzwert aber verheerend.» Wegen der geringeren Sendeleistung befürchten die Initianten langsamere Verbindungen und bei Überlastung Totalabstürze. Telefonieren innerhalb von Gebäuden wäre nur noch beschränkt möglich.

Es sei denn, die reduzierte Leistung würde mit einem massiven Ausbau der Antennen kompensiert. Um weiterhin eine gesicherte Handynutzung zu gewährleisten, wäre laut Swisscom-Sprecherin Myriam Ziesack der Bau von 100 bis 150 zusätzlichen Masten nötig. Damit stünden auf dem Territorium des Kleinstaates sieben- bis zehnmal mehr Antennen als heute. «Das ist politisch nicht machbar», sagt Jürgen Nigg vom Initiativkomitee: «Die Umweltschützer würden wegen der Verschandelung der Landschaft auf die Barrikaden steigen.»

Kommt hinzu, dass die zusätzlichen Investitionen für die vier Mobilfunkbetreiber immens wären. Die Swisscom rechnet mit einem «zweistelligen Millionenbetrag». Nigg spricht gar von «insgesamt fast 100 Millionen Franken». Swisscom und Orange haben deshalb bereits einen Investitionsstopp beschlossen, verbunden mit der Drohung, dass sie sich aus Liechtenstein zurückziehen werden, falls das Land am niedrigeren Strahlengrenzwert festhält. «Die Zusatzinvestitionen auf eine Gebührenerhöhung umzulegen, steht für uns ausser Diskussion», sagt Swisscom-Sprecherin Ziesack.

«Gezielte Angstmacherei»

Für die Gegner der Initiative grenzt dies an Erpressung von Landtag und Volk. Klaus Schädler, Sprecher des Vereins für gesundheitsverträglichen Mobilfunk (VGM), wirft den Mobilfunkanbietern «gezielte Angstmacherei» vor. Die Bürgerbewegung zählt bloss knapp 200 Mitglieder, ist aber äusserst aktiv. Und erfolgreich: Sie hat in Liechtenstein die Handydebatte bereits vor Jahren lanciert und war treibende Kraft für den Entscheid des Parlaments, den Strahlungsgrenzwert zu senken.

Für Schädler und seine Mitstreiter ist klar, dass renommierte Wissenschaftler die Schädlichkeit der Handystrahlung längst nachgewiesen haben. Der VGM berichtet auch regelmässig von Beispielen, bei denen Menschen, die in der Nähe von Funkmasten wohnen, gesundheitliche Probleme haben. Oder von Kühen mit entzündeten Eutern und Totgeburten.

Was die Zahl der Antennen betrifft, ist der VGM überzeugt, dass sie dank einer neuen Technologie (Ultra-High-Site-Konzept) im Vergleich zu heute trotz niedrigerer Strahlung sogar reduziert werden könnte. Dabei beruft sich der Verein auf eine von der Liechtensteiner Regierung in Auftrag gegebene Studie. Für die Swisscom ist diese Lösung derzeit allerdings kein Thema. Laut VGM liegt die Zukunft der Telefonie (inklusive der drahtlosen) aber ohnehin im Ausbau der billigen und ultraschnellen Glasfasernetze.

Signalwirkung für die Schweiz

Falls die Volksinitiative der Wirtschaftsverbände scheitert, würde das Fürstentum ab 2013 zu einer Handyinsel in Europa. Die Folgen könnten jedoch umgekehrt auch für Länder ausserhalb Liechtensteins von erheblicher Tragweite sein. «Wenn wir zeigen können, dass Mobilfunk mit einem tieferen Grenzwert funktioniert, wird es zu einem Dammbruch kommen», ist Andrea Matt, Ex-Landrätin der Freien Liste, überzeugt.

Auch in der Schweiz hoffen die zahlreichen Mobilfunkkritiker auf einen Entscheid mit Signalwirkung. Hierzulande gilt mit 6 V/m der gleiche Grenzwert wie heute in Liechtenstein. Er ist damit immer noch zehnmal tiefer als jener von Deutschland und Österreich. Die beiden Länder haben die Limite auf 60 V/m festgelegt. Damit halten sie exakt den Grenzwert ein, den die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt. (Tages-Anzeiger)

Quelle: Berner Zeitung 27.07.2009


Ob es in Liechtenstein wohl eine Bewusstseinsänderung bezüglich dieses Themas geben wird?
Mir stellt sich hier die Frage, was tut eigentlich der einzelne Bürger um zur Strahlenminimierung beizutragen?
Lässt er sich nur schützen auf Kosten von anderen und belastet sich selber und andere frischfröhlich im gleichen Ausmaß weiter?

Tags:
Funkloch, Liechtenstein, Totgeburten


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