Review zu Hirntumoren: Kritik von Di Ciaula & Replik der Autoren (Forschung)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 16.02.2025, 14:39 (vor 6 Tagen) @ e=mc2

Eine vierköpfige italienische Medizinergruppe um Agostino Di Ciaula (und Fiorella Belpoggi) übt im Januar 2025 mit ihrem Leserbrief "Exposure to radiofrequency electromagnetic fields and risk of cancer: Epidemiology is not enough!" (Volltext) Kritik an der im Startposting verlinkten Review von Karipidis et al.

Die Medizinergruppe stört sich an der Schlussfolgerung von Karipidis et al., dass "weder insgesamt noch langfristig eine nachteilige Auswirkung der Exposition auf die untersuchten Ergebnisse beobachtet werden konnte". Denn diese Schlussfolgerung basiere auf epidemiologischen Studien mit einer Evidenzstärke, die laut den Reviewautoren nur von niedrig bis mäßig reiche. Die Einschränkungen seien hauptsächlich auf mögliche Selektionsverzerrungen, eine suboptimale Bewertung der individuellen Exposition und/oder eine fehlende Anpassung an individuelle Störfaktoren zurückzuführen.

In ihrer Antwort auf Di Ciaula et al. schreiben Karipidis et al. unter anderem: "Wir sind uns bewusst, dass das Fehlen von Beweisen nicht definitiv mit dem Beweis des Fehlens gleichzusetzen ist; wir können jedoch nur die verfügbaren Daten und Beweise auswerten und einer Metaanalyse unterziehen, die überwiegend aus Fall-Kontroll-Studien stammen, welche aufgrund ihres Designs Einschränkungen bei der retrospektiven Expositionsbewertung aufweisen und deshalb nur eine mäßige Sicherheit zulassen. Wir erkennen dies in der Diskussion an (siehe 5.2. Einschränkungen in der Beweisführung).

Di Ciaula et al. geben an, dass ein hoher Body-Mass-Index, Alkoholkonsum und Ernährungsgewohnheiten Risikofaktoren für Glioblastome sind und argumentieren, dass sie als Störfaktoren wirken könnten. Tatsächlich haben nur wenige Studien in unserer Review solche potenziellen Störfaktoren berücksichtigt und diese Studien fanden keine Belege für eine solche Störung (siehe Anhang 5, Tabelle S7.1 und S7.2 für Details). Am wichtigsten ist, dass die oben genannten Faktoren auch mit der Nutzung von Mobiltelefonen in Zusammenhang stehen müssen, um als Störfaktor zu fungieren. Für den Body-Mass-Index und den Alkoholkonsum wurden einige positive Korrelationen mit der Nutzung von Mobiltelefonen beobachtet (z.B. Schuz et al 2022). Dies bedeutet, dass Originalstudien, die diese Faktoren nicht berücksichtigt haben, den Zusammenhang zwischen der Nutzung von Mobiltelefonen und Krebs eher überschätzen. Folglich kann das in unserer Metaanalyse beobachtete Fehlen eines Zusammenhangs nicht durch mangelnde Kontrolle dieser Störfaktoren in den Originalstudien erklärt werden. Gäbe es eine Restverfälschung durch diese Faktoren, würde dies eher zu einer Überschätzung als zu einer Unterschätzung des beobachteten Krebsrisikos durch die Nutzung von Mobiltelefonen in unserer systematischen Überprüfung führen. [...]"

Einen vorsorgeorientierten Ansatz zur Regulierung der Funktechnik wollen die Reviewautoren nicht fordern, dies wäre aus ihrer Sicht unverhältnismäßig und außerhalb des Rahmens ihrer systematischen Review.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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