5G-Mobilfunk auf 28 GHz könnte heiße Ohren verursachen (Forschung)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 24.11.2020, 01:32 (vor 1250 Tagen)

5G-Funkstrecken im Bereich von 26 GHz bahnen sich zwar auch hierzulande an, von öffentlichem Mobilfunk in diesem Frequenzbereich ist weltweit jedoch weit und breit nichts zu sehen, die Anwendungen sind von industrieller Art. Beispielsweise will die Autoindustrie über fabrikinterne 26-GHz-5G-Funknetze die üppige Firmware für die zahllosen Steuergeräte in Autos während der Produktion drahtlos einspielen. Denn auf 26 GHz geht das wegen der dort möglichen sehr hohen Datenraten schnell und ganz ohne Gefummel mit Kabeln und Steckern. Die Wissenschaft aber kümmert sich bereits heute um 28-GHz-Mobiltelefone – und sieht prompt heiße Ohren kommen.

An der Georgia Southern University, USA, untersuchten zwei Wissenschaftler mit Simulationsmodellen, welche Exposition Menschen von 5G-Basisstationen und 5G-Endgeräten zu erwarten haben, wenn die Trägerfrequenz im 28-GHz-Band ist. Das Ergebnis publizierten sie im April 2020 unter dem Titel Human Electromagnetic Field Exposure in 5G at 28 GHz und verglichen dabei die 28-GHz-Exposition mit der älterer Mobilfunkstandards (3,9G und 4G).

Das Ergebnis für 5G-Endgeräte wird Mobilfunkgegner entzücken, denn die Autoren schreiben:

Also, it is significant to notice that no regulation existsat 28 GHz where this article investigates for 5G. As such, we refer to the ICNIRP’s guideline that is set to be 2W/kg by the [13] at a frequency ‘below 10 GHz.’ In Fig. 3d, it provides a “inferred” understanding on SAR in an uplink. The zoom-in look shown in Fig. 3d suggests that in 5G, use of a handheld device within the distance of 8 cm causes an EMF absorption exceeding 2 W/kg, which would have been prohibited if the carrier frequency was lower than 10 GHz. This implies the gravity of human EMF exposure in an uplink of 5G.

(Und jetzt auf deutsch: Es ist auch wichtig zu erkennen, dass, während wir für diesen Artikel 5G untersucht haben, es [in den USA] keine Regulierung für 28 GHz gab. Daher beziehen wir uns auf den Grenzwert von ICNIRP, der auf 2 W/kg bei einer Frequenz "unter 10 GHz" festgelegt wurde. In Abb. 3d erlaubt dies ein "abgeleitetes" Verständnis der SAR in einem 5G-Uplink. Die in Abb. 3d gezeigte Detailvergrößerung lässt vermuten, dass bei 5G die Verwendung eines Handgerätes im Abstand von [weniger als] 8 cm eine EMF-Absorption von mehr als 2 W/kg verursacht, was bei einer Trägerfrequenz von weniger als 10 GHz noch verboten gewesen wäre. Dies impliziert das Ausmaß der EMF-Exposition von Menschen bei einem Uplink von 5G [im 28-GHz-Band]).

Sieht man sich die technischen Daten der Simulation in dem Artikel an, wird schnell klar, wo der Hase im Pfeffer liegt: Für 3,9G- und 4G-Handys nahmen die Autoren noch einen mickrigen Antennengewinn von 1 dBi an, für das simulierte 28-GHz-5G-Handy jedoch einen von 20 dBi (entspricht etwa 80-Mal mehr Strahlungsleistung). Warum so viel? Mobilfunkgegner jaulen uns seit zwei Jahren die Ohren voll, wegen der kurzen Reichweite hoher 5G-Frequenzen müssten schrecklicherweise x-Mal mehr Funkmasten errichtet werden, damit diese 5G-Handys überhaupt noch erreichen können. Nun, was für die Funkmasten gilt, gilt auch für 28-GHz-Handys. Auch sie benötigen (winzige) Richtantennen mit hoher Strahlungsleistung, damit ihrerseits sie die Funkmasten noch erreichen können ...

Die winzigen Richtantennen wollen auf den ersten Blick so gar nicht mit der Angabe "antenna height" = 1,5 Meter zusammenpassen. Doch gemeint sind mit der Angabe nicht die Höhe (Länge) der Antenne, sondern deren Abstand zum Erdboden. Handliche 28-GHz-5G-Handys mit auf 1,5 Meter ausziehbaren Teleskopantennen fände ich allerdings schön retro, Derartiges wird es aber wohl nur in den Zirkeln strickender Mobilfunkgegner geben :-).

Prinz Charles ist auf natürliche Weise davor geschützt, möglicherweise kommende 28-GHz-5G-Handys zu nahe an seinen Kopf zu halten. Alle anderen müssen darauf hoffen, dass die mit dem verwendeten Simulationsmodell einhergehenden Annahmen und Randbedingungen früher oder später zu der Erkenntnis führen werden, dass wir nichts so heiß essen wie es gekocht wird.

Hintergrund
Prof. Achim Enders über 5G-Mobilfunk auf 26 GHz: "mal sehen"
Frankreich: ANFR ertappt Gigaset bei Überschreitung des SAR-Grenzwerts

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

5G-Mobilfunk auf 28 GHz könnte heiße Ohren verursachen

Kuddel, Dienstag, 24.11.2020, 22:40 (vor 1249 Tagen) @ H. Lamarr
bearbeitet von Kuddel, Dienstag, 24.11.2020, 23:11

Sieht man sich die technischen Daten der Simulation in dem Artikel an, wird schnell klar, wo der Hase im Pfeffer liegt: Für 3,9G- und 4G-Handys nahmen die Autoren noch einen mickrigen Antennengewinn von 1 dBi an, für das simulierte 28-GHz-5G-Handy jedoch einen von 20 dBi (entspricht etwa 80-Mal mehr Strahlungsleistung).

Antennengewinn hat bezüglich SAR bei körpernah betriebenen Endgeräten selten eine schädliche Auswirkung...im Gegenteil, denn mit mehr Antennengewinn verteilt sich die Leistung auf eine größere Strahlungsfläche, womit die SAR gegenüber einer Antenne mit geringem Gewinn sogar geringer ausfällt.

Achtung: "EIRP" und "Antennengwinn" sind Rechengrößen, welche immer einen punktfömigen Strahler voraussetzen, auch wenn dieser physikalisch nicht existiert.

Analogie1: Gegen sie 10 Watt auf eine Lötkolbenspitze (einzelner Dipol) , wird diese mehrere hundert Grad heiss. Geben sie 10Watt auf eine Antenne von der Größe einer Herdplatte (16 Dipole auf einer Fläche verteilt), wird diese gerade mal warm.

Analogie 2: Speisen Sie 100 Millwatt in die Antenne des Radioteleskops in Effelsberg ein (100 Meter Durchmesser) , so erhalten sie rechnerisch mehrere Kilowatt EIRP Strahlungsleistung.
Ein SAR wird hingegen kaum nachweisbar sein, da sich die eingespeiste Leistung von 100mW auf 7000 m² Fläche verteilen.
Selbst in der gefürchteten "Haupkeule" unmittelbar vor der Schüssel betrüge die messbare Strahlungsleistungsdichte weniger als 14 Mikrowatt / Quadratmeter und wären damit trotz ">1000 Watt EIRP" selbst bei "baubiologischer Betrachtung" absolut verträglich :-)


Was mich viel mehr irritiert, ist die Annahme eines Endgerätes, welches angeblich bei 28 GHz mit 3 Watt Leistung senden soll.
Meiner Meinung nach sehr realitätsfern, denn bei realistisch angenommenen 10% Wirkungsgrad des Senders würde bei einer solchen Leistung die Batterie eines Akkubetriebenen Mobiltelfons innerhalb von Minuten leergsaugt werden.
Realistisch wäre allenfalls ein TDMA Betrieb mit sehr kurzen Sendepulsen, wodurch sich aber die SAR entsprechen dem Tastverhältnis auf womöglich 1/10 bis 1/20 el reduziert.

Wo ich hingegen zustimme, ist dass man bei 28GHz über eine Verkleinerung des "Voxel-Volumens " bei der SAR Betrachtung nachdenken muss.

K

5G-Mobilfunk auf 28 GHz könnte heiße Ohren verursachen

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 26.11.2020, 23:04 (vor 1247 Tagen) @ Kuddel

Antennengewinn hat bezüglich SAR bei körpernah betriebenen Endgeräten selten eine schädliche Auswirkung...im Gegenteil, denn mit mehr Antennengewinn verteilt sich die Leistung auf eine größere Strahlungsfläche, womit die SAR gegenüber einer Antenne mit geringem Gewinn sogar geringer ausfällt.

Kapiere ich nicht, "Kuddel". Ist es nicht genau umgekehrt? Mit mehr Antennengewinn verteilt sich die Leistung (infolge der zwangsläufig mit zunehmenden Antennengewinn einsetzenden stärkeren Richtwirkung) auf einen schmaleren Abstrahlkegel und daher auf eine kleinere Strahlungsfläche. Wie, wenn nicht durch die mit der Richtwirkung verbundenen Zunahme der Leistungsflussdichte im Abstrahlkegel soll denn sonst die höhere Reichweite von Richtantennen (gegenüber Antennen ohne Richtwirkung) bei gleichbleibender Einspeiseleistung zustande kommen?

[...]

Analogie1: Gegen sie 10 Watt auf eine Lötkolbenspitze (einzelner Dipol) , wird diese mehrere hundert Grad heiss. Geben sie 10Watt auf eine Antenne von der Größe einer Herdplatte (16 Dipole auf einer Fläche verteilt), wird diese gerade mal warm.

Sie meinen mit den 16 Antennen diejenigen der Simulation? Ihr Beispiel leuchtet mir ein, würden die 16 Antennen alle gleichzeitig gespeist. Aber ist das denn der Fall? Ich habe das Multi-Mimo-Antennenkonzept von 5G-Mobiltelefonen so verstanden, dass die Sendeleistung, wie immer auch, nur auf die Antennen geht, die situationsbezogen nicht von der Hand abgedeckt werden.

Analogie 2: Speisen Sie 100 Millwatt in die Antenne des Radioteleskops in Effelsberg ein (100 Meter Durchmesser) , so erhalten sie rechnerisch mehrere Kilowatt EIRP Strahlungsleistung.
Ein SAR wird hingegen kaum nachweisbar sein, da sich die eingespeiste Leistung von 100mW auf 7000 m² Fläche verteilen.
Selbst in der gefürchteten "Haupkeule" unmittelbar vor der Schüssel betrüge die messbare Strahlungsleistungsdichte weniger als 14 Mikrowatt / Quadratmeter und wären damit trotz ">1000 Watt EIRP" selbst bei "baubiologischer Betrachtung" absolut verträglich :-)

Schön plausibles Beispiel, das die Drama-Queen aus Schwarzenburgleider nicht daran hindern wird, weiterhin mit fürchterlich hohen EIRP-Werten von Mobilfunkantennen Angst und Schrecken im Schweizervolk zu verbreiten.

Was mich viel mehr irritiert, ist die Annahme eines Endgerätes, welches angeblich bei 28 GHz mit 3 Watt Leistung senden soll.
Meiner Meinung nach sehr realitätsfern, denn bei realistisch angenommenen 10% Wirkungsgrad des Senders würde bei einer solchen Leistung die Batterie eines Akkubetriebenen Mobiltelfons innerhalb von Minuten leergsaugt werden.
Realistisch wäre allenfalls ein TDMA Betrieb mit sehr kurzen Sendepulsen, wodurch sich aber die SAR entsprechen dem Tastverhältnis auf womöglich 1/10 bis 1/20 el reduziert.

Die 3 W werden mutmaßlich die maximale Peak-Sendeleistung sein, die, Sie wissen es, durch die Leistungsregelung üblicherweise gedrosselt wird. Dann noch kurze Sendeimpulse sowie ein dicker Akku und das 28-GHz-Handy sollte zumindest einen Tag durchhalten. Wobei ich mir noch immer schlecht vorstellen kann, dass es überhaupt jemals verbindungssichere 28-GHz-Handys geben wird.

Wo ich hingegen zustimme, ist dass man bei 28GHz über eine Verkleinerung des "Voxel-Volumens " bei der SAR Betrachtung nachdenken muss.

... damit kleinräumige SAR-Hotspots nicht übersehen werden. Wird offensichtlich für 28 GHz und darüber noch nicht im großen Stil gemacht.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

5G-Mobilfunk auf 28 GHz könnte heiße Ohren verursachen

Kuddel, Freitag, 27.11.2020, 21:43 (vor 1246 Tagen) @ H. Lamarr
bearbeitet von Kuddel, Freitag, 27.11.2020, 22:34

Antennengewinn hat bezüglich SAR bei körpernah betriebenen Endgeräten selten eine schädliche Auswirkung...im Gegenteil, denn mit mehr Antennengewinn verteilt sich die Leistung auf eine größere Strahlungsfläche, womit die SAR gegenüber einer Antenne mit geringem Gewinn sogar geringer ausfällt.

Mit mehr Antennengewinn verteilt sich die Leistung (infolge der zwangsläufig mit zunehmenden Antennengewinn einsetzenden stärkeren Richtwirkung) auf einen schmaleren Abstrahlkegel und daher auf eine kleinere Strahlungsfläche.

Ja im Fernfeld wird die bestrahlte Fläche kleiner und die Leistungsdichte entsprechend höher.
Aber um das zu erreichen, muss die wirksame Antennenfläche (Nahfeld) vergrößert werden, wodurch sich die (lokale) SAR im Nahfeld verringert, weil sich die Sendeleistung auf eine größere Fläche (bzw viele Dipole) verteilt.

"Antennengewinn" ist proportional zur Antennenfläche und kommt überhaupt erst im Fernfeld zustande, da es einen gewissen Abstand zu den Einzeldipolen braucht, um eine konstruktive Überlagung der Felder zu erreichen.
Sie brauchen sich nur die Daten von Antennen ansehen. Je mehr Gewinn, umso größer die Ausdehnung der Antenne.
Je größer die Antenne, desto größer der Abstand in welcher das Fernfeld "beginnt".
Bei einem Einzeldipol fängt das Fernfeld erst bei mindestens einer Wellenlänge Abstand an.
Bei Antennen "Arrays" jedoch erst bei einem Vielfachen der maximalsten Ausdehung D der Antenne ~(D²/Lambda) . Bei einer Basisstationsantenne von 1 Meter Höhe (und signifikantem Gewinn), erst in etlichen Metern Abstand. Unterhalb dieses Abstands reduziert sich der "Gewinn" bis ins Negative, weil sich ja die eingespeiste Leistung auf viele Dipole aufteilt.

Sie meinen mit den 16 Antennen diejenigen der Simulation? Ihr Beispiel leuchtet mir ein, würden die 16 Antennen alle gleichzeitig gespeist. Aber ist das denn der Fall? Ich habe das Multi-Mimo-Antennenkonzept von 5G-Mobiltelefonen so verstanden, dass die Sendeleistung, wie immer auch, nur auf die Antennen geht, die situationsbezogen nicht von der Hand abgedeckt werden.

Das wäre bei 28GHz nicht realisierbar, da eine hochfrequente Umschaltmatrix, die mehrere Einzeldipole einer einzigen Sendestufe zuzuordnet, mehr Verluste hätte, als die Antenne Gewinn erzielen könnte.
Jede Einzel-Antenne wird daher eine eigene Sendestufe haben und die volle Sendeleistung wird nur durch die Summe der Einzel-Sender erreicht. Wenn bei Abschattung- z.B. durch die Hand- Antennen abgeschaltet werden , um Strom für "unnütze" Antennen zu sparen, dann reduziert sich damit auch die maximale Sendeleistung des Gerätes.

K

5G-Mobilfunk auf 28 GHz könnte heiße Ohren verursachen

H. Lamarr @, München, Sonntag, 29.11.2020, 00:44 (vor 1245 Tagen) @ Kuddel

Danke für die Nachhilfestunde, "Kuddel", Ihre Detailkenntnisse beeindrucken mich immer wieder neu. Ich kann mir diese nur so erklären, dass Sie eben kein Verwaltungsfachwirt sind, sondern praktische Erfahrungen in der Nachrichtentechnik sammeln konnten, mutmaßlich als HF-Entwickler. Wollen Sie uns nicht doch mal Ihren Beruf verraten?

Ich geh' schon mal in Vorleistung: Als Kind hat mich der "Radiomann" von Kosmos so fasziniert, dass ich eine Ausbildung als Elektromechaniker/Elektronik bei Rohde & Schwarz absolvierte und danach erfolgreich Nachrichtentechnik an der FH München studierte. Gearbeitet aber habe ich keinen Tag in diesem Beruf. Das lag daran, dass mir auch das Texten & Schreiben schon immer große Spaß machte und macht und zufällig eine Elektronik-Fachzeitschrift unmittelbar nach meiner Graduierung zum Ingenieur der Nachrichtentechnik eben einen solchen suchte. Das war 1978. Die Bewerbung klappte und seither hat mich die schreibende Zunft nicht mehr losgelassen. Ende der 1980er-Jahre ging ich als Technischer Redakteur in die Industrie und schrieb dicke Benutzerhandbücher für Funkmessplätze (Stabilock) und ähnliche Kisten. Mitte der 1990er machte ich mich in diesem Beruf selbstständig, d.h. ich arbeite selbst und ständig :-).

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