Verblödet die Anti-Mobilfunk-Szene langsam aber sicher? (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 03.10.2020, 23:50 (vor 1320 Tagen)

Nein, pauschal lässt sich meiner Erfahrung nach nicht behaupten, Mobilfunkgegner seien dümmer als andere. Gegen den Vorwurf kollektiver Dummheit spricht, dass mit jeder neuen Generation der Mobilfunktechnik und der damit einher gehenden Netzverdichtung, in der Bevölkerung frische Truppen für die Reihen der Mobilfunkgegner ausgehoben werden. Gemäß diverser Umfragen sind Mobilfunkgegner in so ziemlich allen Gesellschafts- und Bildungsschichten vertreten. Aus dieser Sicht ist die Unterstellung, Mobilfunkgegner seien besonders dämlich nicht haltbar, es müssen auch kluge Köpfe darunter sein.

Rückhalt findet hingegen die Unterstellung, schaut man sich Petitionen von Mobilfunkgegnern und öffentlich wahrgenommene Repräsentanten der Anti-Mobilfunk-Szene genauer an. So wurde in der Schweiz am 26. April 2020 eine Online-Petition gestartet, die Bundespräsident Ueli Maurer auffordert, sämtliche 5G-Antennenstandorte zu demontieren. Immerhin 7'980 Schweizer haben bislang diese noch drei Wochen laufende Petition mit ihrer grotesken Forderung unterstützt. Dämlich ist das noch nicht, aber schon dicht dran. Tief in den roten Bereich der Dämlichkeit schlägt das Zeiger jedoch aus, wenn man weiß: Ueli Maurer wurde bereits im Dezember 2019 von Simonetta Sommaruga als Bundespräsidentin mit 1-jähriger Amtszeit abgelöst. Bei den knapp 8000 Schweizer 5G-Gegnern scheint sich der Wechsel an der Spitze ihres Staates bis heute nicht herumgesprochen zu haben und auch der Initiator hält bis heute unbeirrt an Ueli Maurer als amtierenden Bundespräsidenten fest. Solche Dinger erlebe ich mit der Anti-Mobilfunk-Szene der D-A-CH-Länder am laufenden Band, nur ein kleiner Bruchteil davon ist hier im Forum dokumentiert.

Doch wie kann es möglich sein, dass Vollpfosten die Szene dominieren, wo ist die Intelligenz abgeblieben?

Mein Erklärungsmodell: Gewinnt nach spätestens zwei Jahren der Kopf wieder die Oberhand über den Bauch, erkennt als erstes die Intelligenz die Ränkespiele der Anti-Mobilfunk-Szene und macht sich leise vom Acker. Spinnt man den Faden dieser simplen Theorie weiter, kommt man zwangsläufig zu dem Schluss: Sollte sich jemals unter Mobilfunkgegnern ein repräsentativer Anteil Intelligenter befunden haben, so wurde dieser in den vergangenen Jahrzehnten systematisch ausgedünnt und die frei gewordenen Plätze wurden von Vollpfosten eingenommen, was zu einer stetig fortschreitenden schleichenden Verblödung der Szene führt.

Personell sind die Vollpfosten der Intelligenz mittlerweile haushoch überlegen, doch auch Vollpfosten fluktuieren. Mutmaßlich später und aus anderen Gründen als die Schlaumeier, aber auch sie tun es. Und wegen ihrer großen Anzahl wirken sich zehn Prozent Fluktuation bei ihnen in absoluten Zahlen viel stärker aus als bei der schwindenden Intelligenz. Weitgehend stabil bleibt nur die Szene-Gruppe derjenigen, deren Geschäftsmodell auf Angst gegenüber Elektrosmog beruht. Diese Gruppe ist der Kern der Szene, sie bedient sich der Vollpfosten nach belieben und weint der schwindenden für sie aber potenziell gefährlichen Intelligenz keine Träne nach. Geschäftemacher und Vollpfosten füllen das Vakuum, das die abgereiste Intelligenz hinterlässt.

Tatsächlich hat das Erklärungsmodell der schleichenden Verblödung noch ein paar hier nicht erwähnte weitere Facetten, im Großen und Ganzen trifft die Schilderung oben den Nagel jedoch mMn ganz gut auf dem Kopf. Und es wird deutlich: Ändert sich nichts Gravierendes an den Randbedingungen (z.B. der Forschungslage) könnte der Abbau der kreativen Intelligenz die 1992 begonnene Selbstzerstörung der Anti-Mobilfunk-Szene nachhaltiger beschleunigen als Corona dies gegenwärtig tut.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Schwarmintelligenz, Netzverdichtung, Sommaruga, Open-Petition, Akademiker

David Dunning: "Wir sind alle zuversichtliche Idioten"

H. Lamarr @, München, Montag, 05.10.2020, 22:31 (vor 1318 Tagen) @ H. Lamarr

Auszug aus spektrum.de vom 1. Oktober 2020:

[...] Unglücklicherweise betrachten wir uns besonders dann durch die rosarote Brille, wenn es um Kompetenzen geht, an denen es uns mangelt. Diese These vertritt zumindest der US-Psychologe David Dunning. Zusammen mit seinem damaligen Mitarbeiter Justin Kruger veröffentlichte er vor zwei Jahrzehnten eine einflussreiche Studie, in der sie den nach ihnen benannten Dunning-Kruger-Effekt demonstrierten.

In einem ihrer Experimente baten die beiden sowohl Studierende als auch professionelle Comedians, eine Reihe von Witzen zu bewerten. Gerade die Studentinnen und Studenten, deren Urteil am stärksten von dem der Humor-Profis abwich, waren sich besonders sicher, einen guten Scherz von einem schlechten unterscheiden zu können. Auch in anderen Bereichen tauchte der Dunning-Kruger-Effekt auf: Schlechte Bridge-Spieler überschätzen sich deutlicher als gute, schwache Schüler mehr als die Klassenbesten.

David Dunning hält diese Tendenz nicht für bösen Willen oder Selbstbetrug, sondern für unausweichlich: »Die Logik selbst verlangt fast diesen Mangel an Selbsteinsicht«, schrieb er in einem Artikel mit dem Titel »Wir sind alle zuversichtliche Idioten« (»We are all confident idiots«). Um ihre Unfähigkeit zu erkennen, bräuchten Leistungsschwache genau die Expertise, an der es ihnen fehle. Der Dunning-Kruger-Effekt ist nicht unumstritten. Doch selbst Kritiker stimmen zu, dass Experten die eigenen Fähigkeiten auf dem Gebiet ihrer Expertise besser einschätzen können als Laien die ihren. [...]

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– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Dunning-Kruger-Effekt

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