Focus-Blamage: "Neue" Hardell-Studie in Pathophysiology (Medien)
Wenn es um Mobilfunk-Alarm geht, läuft hierzulande nichts in der Spur. Die Protagonisten der jüngsten Entgleisung sind Focus, BILD und natürlich "Hesse". Am schlimmsten trifft es diesmal den Focus, doch lesen Sie selbst ...
Ein gammeliges Beutestück
Unter der Titelzeile Handy am Ohr erhöht die Gefahr eines Hirn-Tumors bringt Focus-online einen der üblichen Alarmberichte, der aus einer einzelnen Studie ziemlich blauäugige Schlüsse zieht. Hauptsache man kann es wieder einmal krachen lassen.
Teilnehmer "Hesse" des hese-Forums hat den Focus-Bericht als Beutstück unverzüglich ins hese-Forum geschleppt und dort zur Schau gestellt.
Doch "Hesse" bestätigt einmal mehr seinen Ruf, der etwas unterbelichtete Vollpfosten der Anti-Mobilfunk-Szene zu sein. Denn der Focus-Artikel ist zwar vom 13.11.2014 und daher aktuell, doch der Link zur Studie, wie ihn Focus nennt, führt zu einer Hardell-Studie, die der alte Schwede bereits im Oktober 2012 einreichte und die im April 2013 publiziert wurde.
Dein Link ist mein Link
Was immer sich FOCUS-Online-Redakteurin Jennifer Litters dabei gedacht haben mag, heute den Schnee vom vergangenen Jahr aufzutischen, es bleibt ihr Geheimnis. Sollte man meinen. Doch dann bekam ich einen Tipp: Focus habe bei BILD abgeschrieben. Beweis: Auch bei BILD wird irrtümlich der Link zur alten Hardell-Studie angegeben.
Dabei hätte es durchaus eine neue Hardell-Studie in Pathophysiology gegeben, eine gepoolte, die erst am 28. Oktober 2014 online publiziert wurde: Cell and cordless phone risk for glioma - Analysis of pooled case-control studies in Sweden, 1997-2003 and 2007-2009
Hochnotpeinlich für den Focus
Ob sich Redakteurin Litters da versehentlich verlinkt hat? Nein, hat sie nicht, denn die jüngere Studie weist nur Lennart Hardell und Michael Carlberg als Autoren aus. An der älteren Arbeit war dagegen auch Kjell Hansson Mild beteiligt gewesen, und den nennt Frau Litters auch in ihrem Artikel, in dem es ausschließlich um die alte Hardell-Studie geht. Vermutlich war Frau Litters entzückt, am Linkende den Volltext der Arbeit angetroffen zu haben, ohne dafür Eintrittsgeld hinblättern zu müssen.
Ziemlich peinlich für den Focus: Offensichtlich hat "man" sich ausgerechnet am falschen Link bei BILD bedient und so eine Story um eine angeblich neue Studie gestrickt, die tatsächlich jedoch älter als zwei Jahre ist. BILD hat hingegen wenigstens im Text die neuere Studie Hardells verwurstet und nur beim Link daneben gelangt. Dumm gelaufen, Deutschland, deine "Qualitätsmedien" ...
Dramatik ohne Substanz
Die neue Arbeit Hardells ist offenbar diejenige, die hier unter Ziffer 1 angekündigt wurde.
Wie viele der von Pandora und teilweise auch von Gigaherz gesponserten sieben Hardell-Studien inzwischen veröffentlicht wurden weiß ich nicht, da sich die Arbeiten stark ähneln ist es nicht ganz leicht den Überblick zu behalten. Ebenso wenig weiß ich, ob die scheibchenweise Publikation von sieben ähnlichen Studien hintergründig dem Zweck einer anhaltenden Alarmvervielfachung über Jahre hinweg dient.
Aus Wissenschaftskreisen waren zur neuen gepoolten Arbeit Hardells jedenfalls eher skeptische Töne zu hören: Nichts neues, nur zwei alte Studien gepoolt und neu ausgewertet. Da kann nichts anderes rauskommen als vorher. Zu eindeutig um wahr zu sein und gesponsert von der Stiftung Pandora des Ex-Tabak-Lobbysten Adlkofer. Aber schreiben: No conflicts of interest exist.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –