Spuren der Resignation im Bioinitiative Report 2012 (Allgemein)

Lilith, Samstag, 12.01.2013, 09:00 (vor 4123 Tagen)

Teilnehmer "R.Brehm" vom hese-Forum übersetzte uns freundlicherweise Passagen aus einer Zusammenfassung des in der Mobilfunkgegnerszene populären neuesten "Bioinitiative Report", den diese Organisation alle paar Jahre veröffentlicht (im selben Rhythmus wie die Klimawandel-Berichte, sei angemerkt. Man heischt nach Bedeutung).

Vorgeblich ist das ein Bericht an die Öffentlichkeit. Eigentlich aber stellt der "Bioinitiative Report" eine Botschaft an die eigene Klientel dar. Denn vorrangig in der Szene selbst liest man diese Mitteilungen. Es geht bei solchen Botschaften immer auch um Ausrichtung und Motivation der Anhänger.

Man darf heute vermuten, daß sich in den verbliebenen Organisationen der Mobilfunkgegner mehr und mehr Resignation breit macht. In Deutschland haben viele der vormals lauthals "Alarm!" rufenden lokalen Initiativen ihre Aktivitäten inzwischen eingestellt. Das Scheitern ihrer "Bewegung" würden die verbliebenen Chefideologen selbst nie bestätigen. Aber sie müssen sich letztlich doch in irgendeiner Weise mit ihrer eigenen, schrumpfenden Klientel verständigen, ihr erklären, was es auf sich hat mit dem Schwund in den eigenen Reihen. Für uns aussenstehende Skeptikerinnen und Skeptiker ist es lehrreich, ihre Botschaften genau zu lesen und zu versuchen zu verstehen, was damit wirklich gemeint ist.

Die "Bioinitiative" fragt sich zum Beispiel:

"Wissen wir genug, um zu handeln?" ("Do We Know Enough to Take Action?")

Es ist dies nur scheinbar eine Frage an die Außenwelt. Die eigentliche Frage richtet sich an die eigene Klientel der Mobilfunkgegner. An die eigenen Mitstreiter.

Die gewählte Form einer Fragestellung indiziert Spuren von Resignation. Hermeneutisch betrachtet, könnte die eigentliche Botschaft an die Anhänger demnach so lauten:

"Macht es überhaupt noch Sinn, was wir Mobilfunkgegner tun?", oder:
"Macht es noch Sinn, weiterzumachen wie bisher?"

Teilnehmer "R.Brehm" vom hese-Forum übersetzt uns die Anfangspassage aus dem erwähnten Text zum "Bioinitiative Report" so ins Deutsche:

"Die letzten fünf Jahre im Lichte neuer wissenschaftlicher Studien sagen uns, die Situation ist viel schlimmer als im Jahr 2007 [zum Zeitpunkt des letzten BioInitiative-Reports] und dabei sind die Menschen auf der ganzen Welt sogar noch viel mehr täglicher Exposition ausgesetzt als vor fünf Jahren. Die Expositionen sind verknüpft mit einer Vielzahl negativer gesundheitlicher Folgen, die erhebliche Konsequenzen für die öffentliche Gesundheit haben können. Wenn wir uns vor Augen halten, dass über Milliarden von Menschen weltweit als Teilnehmer hinzugekommen sind, kann es jetzt kein überzeugendes Argument für einen 'Status quo' mehr geben."

Wenn man den nicht sichtbaren Inhalt, den man für gewöhnlich als "zwischen den Zeilen" bezeichnet, mitliest und -übersetzt, so verwandelt sich der Text in eine Endzeitbotschaft - gerichtet an die Gemeinde der Szeneanhänger:

"Die letzten fünf Jahre im Lichte neuer wissenschaftlicher Studien sagen uns, die Situation ist für uns organisierte Mobilfunkgegner viel schlimmer als im Jahr 2007 [zum Zeitpunkt des letzten BioInitiative-Reports]. Die Menschen auf der ganzen Welt nutzen die Funktechnik in ihrem alltäglichen Leben inzwischen in einem nie dagewesenem Ausmaß. Obwohl wir Mobilfunkgegner immer darauf hingewiesen haben, dass die Expositionen mit einer Vielzahl negativer gesundheitlicher Folgen verknüpft seien, wollen sich in der Bevölkerung einfach keine der von uns prophezeiten 'erheblichen Konsequenzen für die öffentliche Gesundheit' einstellen. Wenn wir uns vor Augen halten, dass im Zeitraum unserer weltweiten Alarmkampagne Milliarden von Menschen als Mobilfunkteilnehmer hinzugekommen sind und unbeschadet dabei bleiben, dann wird damit klar, dass sich die Behauptungen in unseren extremen Alarmbotschaften in der Realität nicht bestätigt haben - und uns immer weniger Menschen zuhören, geschweige denn glauben."

Das ist für die organisierte Mobilfunkgegnerschaft eine fatale Bilanz. Eine des Scheiterns.

Wie also weiter? Wie in Weltanschauungsorganisationen üblich, sind deren leitende Gremien die letzten, die ausdrücklich eigene Fehler einräumen und ihre Plätze räumen wollen. Angesichts schwindenden Interesses müssen sie aber irgendwas tun. Bei nur oberflächlicher Betrachtung des Textes gewinnt man den Eindruck, dass ihnen auch weiterhin nicht viel mehr als das Mittel der Verschärfung der altbekannten Dramatisierungen einfällt. Es soll demnach weitergehen mit dem Schüren von Angst. Stichworte wie Spermienqualität, Spermien-Tod, Fruchtbarkeit, Fortpflanzung, Fötus, Säugling, Kleinkind, Kinder werden dafür weiterhin benutzt. Deren Gebrauch sei, so die Botschaft hinter der Botschaft an die Mitstreiter, zu intensivieren. An dieser Stelle also nichts Neues - außer vielleicht beim skeptischen Beobachter die unangenehme Ahnung, dass sich die Mobilfunkgegner-Ideologen vielleicht gar insgeheim genau die Epidemien herbeiwünschen, vor denen sie seit Jahren "warnen" - einfach deshalb, um irgendwann recht gehabt zu haben.

Aber man bietet der Anhängerschaft immerhin eine Perspektive an: Man müsse in Zukunft die globalen Infrastrukturen überdenken, heisst es nun. Sprich: diese unabhängiger von Funktechniken machen ("It is time to rethink our global commerce, energy, banking, transportation and communications infrastructures so we are all committed to sustaining healthy living spaces and conserve safe sanctuary for all species on earth"). Diese sich andeutende Flucht ins Globale umweht ein Hauch von Resignation.

Und doch könnte dieser globale Ansatz doch endlich einmal etwas Neues sein. Ein Ruck hinein ins Globale, also in das Große Ganze. Die "Bewegung" der Mobilfunk-Mitstreiter hätte damit eine neue Mission, die sich sogar verknüpfen ließe mit verwandten Kampagnen anderer, erfolgreicherer Organisationen - Greenpeace, Robin Wood, WWF, etc.

Vom lokalen Anti-Mobilfunk-Gepöbele hin zur Globalisierungskritik - das wäre zugleich ein Quantensprung und doch auch gleich wieder ein weiter Weg. Hauptproblem dabei: das Personal würde nicht ausgewechselt. Und frischgebackene Globalisierungskritiker aus der deutschen und schweizerischen Provinz, die keinen Mobilfunk wollen, wären nun mal ein Unikum. Deren vorhersehbare geistige Bauchlandungen dürften dann bei ihren Skeptikern auch weiterhin für wiederkehrende Erheiterung sorgen.

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"Wer die Dummbatzen gegen sich hat, verdient Vertrauen." (frei nach J.-P. Sartre)

Tags:
Bruchköbel, Pöbeln, Greenpeace, Scheitern, Bio-Initiative-Report

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