Dr. Jerry L. Phillips: mit Maulkorb von Motorola? (Forschung)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 14.02.2012, 12:15 (vor 4455 Tagen)

Ein aktuelles Posting bei Gigaherz lautet:

Dr. Jerry Phillips, ein Wissenschaftler der im Auftrag von Motorola und von ihr finanzierte Forschungen über die Sicherheit von Mobiltelefonen durchführte, spricht darüber wie Motorola versuchte, seine Schlussfolgerungen und Ergebnisse zu beeinflussen.

Ein stellenweise etwas beschädigtes Video vom 12.2.2012:
http://www.youtube.com/watch?v=8YBxyY8FoOs (unfortunately a little bit garbled)

Mein Bauch sagt mir, dass an diesem Posting etwas faul ist. Denn als ich 2002 als Mobilfunkgegner anfing, wurde noch emsig die Meldung herum gereicht, die Deutsche Telekom hätte versucht, das Erscheinen der berühmte Ecolog-Studie zu verhindern. Doch als Teilnehmerin "Doris" später bei Dr. Neitzke (Geschäftsführer bei Ecolog) direkt nachfragte, stellte sich die Meldung als falsch heraus. Also habe ich jetzt in Sachen Dr. Jerry L. Phillips einfach einmal angefangen ein bisschen zu recherchieren, und mich nicht auf das verlassen, was mir jemand unaufgefordert vorgesetzt hat.

Das Video wurde tatsächlich erst am 12.02.2012 auf YouTube hochgeladen, und zwar von jemandem, der schon etliche Elektrosmog-Alarmvideos hochgeladen hat. Das sieht nicht gut aus, denn niemand weiß, woher dieser YouTube-Teilnehmer sein Zeugs hat und wie alt es ist.

Eine Bestätigung der Vorwürfe findet sich - allerdings ohne jede Datumsangabe - auf dieser Seite:

Dr. Jerry Phillips, a biochemist researcher, began studying cell phone safety for Motorola more than a decade ago. When he started generating data that indicated that cell phones have negative effects on human health, Motorola took a number of steps to delay publication of Dr. Phillips' work.

According to Dr. Phillips, Motorola's main concerns with his data were how to handle public relations and how to spin the results in a way that was favorable to the industry.

Dr. Phillips also indicates that the only significant money that is available to do research on cell phone safety issues is industry money. This is why he has no faith in studies that are coming out.

Das Bemerkenswerte an dem Zitat oben ist für mich das Fragment: " ... more than a decade ago ...".

Auf dieser Seite ist Dr. Philipps ein Entdecker von "übermäßigen DNA-Brüchen in menschlichen weißen Blut-Zellen die einer Mikrowellenfrequenz von 800-900 MHz ausgesetzt wurden, wobei der SAR-Wert schätzungsweise circa 250 mal niedriger war als der SAR-Wert des "Blauen Engel". Doch diese Seite stammt aus dem Jahr 2002!

Auf dieser Seite lässt sich eine fast 45 Minuten lange Audiodatei abhören, in der Dr. Jerry Phillips über "The DNA & Cancer Connection" referiert. Auch hier fehlt ein Datum, so dass sich die Aktualität nicht feststellen lässt.

Letzte Zweifel, wo Dr. Phillips einzuordnen ist, räumt folgende Passage, entnommen einem PDF, aus:

In a March 2009 paper, "Electromagnetic fields and DNA damage," Dr. Jerry Phillips, Director, Science/Health Science Learning Center, University of Colorado, along with Dr. Singh and Dr. Lai from the University of Washington in Seattle, reviewed all the studies, from exposure to radio frequency radiation (RFR), with significant cellular DNA damage and studies with no significant cellular DNA damage.
[46] Their paper cites 14 studies showing significant effects and 17 studies that did not find significant effects.
Industry response: Motorola funded Professor Joseph Roti Roti fromWashington University in St. Louis. Dr. Roti Roti is an author on 8 of the 17 "no significant effect" papers.

Fazit: Mein Bauch hat mich nicht belogen. Aus meiner Sicht wird hier wieder einmal versucht, uralten Schnee als Neuschnee auf den Markt der Desinformation zu werfen. Sollte dies zutreffend sein, ist dies ein weiteres Beispiel dafür, wie manipulationswillig einige Strippenzieher in der Szene überzeugter Mobilfunkgegner sind. Es macht für Motorola einfach keinen Sinn, einen Forscher die Sicherheit von Mobiltelefonen erforschen zu lassen, der schon vor zehn Jahren angeblich DNA-Stangbrüche bei kleinsten Feldintensitäten gefunden hat. Dr. Phillips JL ist im EMF-Portal mit 16 Studien vertreten, die jüngste datiert von 2009. Ob Phillips von Motorola tatsächlich behindert wurde, oder er dies aus seiner Sicht nur behauptet, dazu konnte ich nichts Klärendes finden. Allerdings habe ich ein bemerkenswertes anderes (altes) Dokument gefunden, geschrieben von Studenten, die im Auftrag von Motorola eine Strategie erdacht haben, wie mit den Gesundheitsbedenken in der Öffentlichkeit umzugehen sei. In diesem Dokument kommt Dr. George Carlo, von einigen einheimischen Mobilfunkgegnern hochgejubelter US-Amerikaner mit Forschungsambitionen, am Rande außerordentlich schlecht weg.

--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
ECOLOG-Institut, Gerücht, Motorola, YouTube, Mottenkiste, Singh, DNA-Stangbrüche

Dr. Jerry L. Phillips: mit Maulkorb von Motorola?

Sektor3, Dienstag, 14.02.2012, 14:43 (vor 4455 Tagen) @ H. Lamarr
bearbeitet von Sektor3, Dienstag, 14.02.2012, 16:46

Ein aktuelles Posting bei Gigaherz lautet:

Dr. Jerry Phillips, ein Wissenschaftler der im Auftrag von Motorola und von ihr finanzierte Forschungen über die Sicherheit von Mobiltelefonen durchführte, spricht darüber wie Motorola versuchte, seine Schlussfolgerungen und Ergebnisse zu beeinflussen.

Ein stellenweise etwas beschädigtes Video vom 12.2.2012:
http://www.youtube.com/watch?v=8YBxyY8FoOs (unfortunately a little bit garbled)

Wer bei Motorola-Forschung an George Carlo denkt, dürfte nicht allzu weit daneben liegen.

1984 war Jerry Philipps mit einem gewissen William Ross Adey in Sachen ELF forscherisch aktiv. Schon damals fand er laut Microwavenews Leukämie durch Magnetfelder:

"In our studies we've seen increases in growth anywhere from 2 to 24 fold."

Die angesehene Zeitschrift "Lancet" schrieb 2004 in einem Nachruf auf den Reflex/Carlo-Forscher William Ross Adey folgendes:

Adey's work caught the attention of Motorola, which hired him and Jerry Phillips to research the effects of cell-phone radiation on tissue. “Our relationship with Motorola began well enough”, Phillips, now at Biological Science Curriculum Study in Colorado Springs, Colorado, told The Lancet. “Motorola indicated that they … didn't care what results we obtained as long as the research was of the highest quality.” But when Adey and Phillips' first animal study produced an effect, the company's attitude changed, somewhat counterintuitively. The researchers had observed a decrease in CNS tumours in animals exposed to cell-phone frequencies. “This was evidence of an interaction between the radiofrequency fields and tissue in a living organism”, Phillips said. There was pressure from Motorola, which ended the project, to play down the results, Phillips said, but Adey “held his ground and reported our data in a scientifically thorough and professional manner”.

Laut dem Lancet-Artikel war Adey auch der Entdecker des Fenster-Effektes (siehe Reflex). Kein Wunder, dass nicht nur Carlo, sondern auch Adlkofer gerne mit Adey zusammen forschte.

Wie Adey, war auch Jerry Phillips offenbar schon Jahre vor seinem Engagement für Motorola ein EMF-Gefahrenfinder.

Gemeinsam veröffentlichten Adey und Phillips zwischen 1992 und 1999 einige Studien (60 Hz - 837 MHz)

Tags:
Motorola, Carlo, Phillips

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