Umweltsyndrome - ein Überblick (Allgemein)
Das sogenannte "Mikrowellensyndrom" steht nicht alleine da, es konkurriert mit den Umweltsyndromen "Sick-Building", "Chronische Müdigkeit" und "MCS". Die Symptome sind teilweise deckungsgleich. Das Bayerische Landesamt für Umwelt hat dazu 2001 die Fachinformation Umwelt und Gesundheit erarbeitet, die auf sieben Seiten schnell einen guten Überblick verschafft. Hier ein Auszug ...
Die Umweltmedizin geht davon aus, dass für die Behandlung von Patienten mit Umweltsyndromen eine äußerst differenzierte und ganzheitliche Diagnostik nötig ist und versucht, vor diesem Hintergrund erste Hypothesen zur Entstehung von Umweltsyndromen abzuleiten. Wohlgemerkt handelt es sich um Erklärungsmodelle, die noch einer Vielzahl weiterer Studien bedürfen, um in sichere Aussagen überführt werden zu können. Im Folgenden werden die wichtigsten dieser Hypothesen beschrieben.
Sensibilisierung
In einem ersten Erklärungsansatz gehen Mediziner davon aus, dass Patienten nach einer akut hohen oder auch chronisch niedrigen Schadstoffexposition eine Überempfindlichkeit gegenüber einem oder mehreren Fremdstoff(en) entwickeln. Nach der "Sensibilisierung" genügen dann selbst kleinste Dosen, um entsprechende Symptome auszulösen. Der Mechanismus, welcher eine solche Überempfindlichkeit auslösen könnte, ist noch nicht geklärt. Hinweise dafür kennt man aber aus der Drogenforschung.
Geruchsempfindlichkeit
Einem neurotoxikologischen Erklärungsansatz folgend, könnten Umweltsyndrome auch Ausdruck einer Beeinträchtigung des Geruchssystems sein. Konkret könnte sich über einen längeren Zeitraum hinweg eine Geruchsempfindlichkeit gegenüber bestimmten Stoffen ausbilden, die über die Nervenbahnen an das Gehirn weitergeleitet wird. Im Falle einer erneuten Exposition könnten dann selbst bei niedrigsten Konzentrationen neurologisch bedingte Gesundheitsstörungen auftreten.
Fehldiagnosen
Eine provokative These geht davon aus, dass zumindest ein Teil der als Umweltsyndrome definierten Krankheitsbilder auf Fehldiagnosen beruht, bei denen die wahren körperlichen oder psychischen Ursachen nicht erkannt wurden. Umweltbelastungen stünden nach diesem Modell in keinem Zusammenhang mit den Beschwerden.
Psychosomatische Ursachen
Als (Mit-)Erklärungsmodell kommt auch ein psychosomatischer Ansatz in Frage. Einen Hintergrund dafür liefert die Stressforschung: Manche Menschen reagieren auf Stress mit körperlichen Reaktionen. Es wäre denkbar, dass auch eine einmalig hohe Schadstoffexposition dazu führen könnte, solche körperlichen "Stressreaktionen" zu entwickeln. Diese würden dann selbst bei niedrigsten Konzentrationen auftreten.
Eine weitere denkbare psychologische Erklärung bedient sich Erkenntnissen aus der Reflexforschung: Bei dem bekannten tierverhaltenstherapeutischen Experiment von Pawlow wurden durch geruchliche und geschmackliche Reizung Reflexe ausgelöst. Nach einer Phase der Gewöhnung reichten bereits neutrale Reize, die zusammen mit den Gerüchen angeboten wurden, aus, um denselben Reflex auszulösen. Dies würde erklären, warum Betroffene zum Teil auch ohne Anwesenheit der ihrer Ansicht nach ursächlichen Schadstoffe Reaktionen zeigen.
Alle genannten Hypothesen sind noch mit einer ganzen Reihe von Fragezeichen versehen, die der genauen Abklärung bedürfen. Dafür ist ein hoher diagnostischer Aufwand nötig, bei dem umfangreiche Patientenkollektive – ihr Einverständnis vorausgesetzt – sich groß angelegten Studien unterziehen müssten. Erst dann wird es vielleicht möglich sein, den Betroffenen, die häufig schon eine Odyssee an Diagnose- und Therapiemaßnahmen hinter sich gebracht haben, wirklich zu helfen.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –