Mind Control: Üben für den festen Aberglauben (Forschung)
Mit der Kraft der Gedanken die Bewegungen eines kleinen Balls steuern? Dies verspricht Spielzeughersteller Mattel mit Mindflex, das im Herbst auch bei uns für ungefähr 120 Euro in den Handel kommen soll. Darüber, wie das Gerät im Detail funktioniert, schweigt sich Mattel aus, und legt damit geschickt den Grundstein dafür, dass sich auch Esoteriker der Mind-Control-Szene an dem Gerät ergötzen können. Um das Unglaubliche zu erleben, muss sich der Spieler ein Stirnband aufsetzen, mit dem angeblich seine Hirnaktivität gemessen wird. Mit reiner Willenskraft soll er dann einen Luftstrom regulieren, der einen Schaumstoffball auf- und absteigen lässt. „Je höher Ihre Konzentration, desto höher schwebt der Ball“, heißt es in der Bedienungsanleitung.
Aber: Dies ist zu schön, um wahr zu sein.
John-Dylan Haynes von der Berliner Charité gilt als einer der profiliertesten Hirnforscher weltweit. Im Auftrag des "Spiegel" schaute er sich Mindflex genauer an. Haynes nahm den Plastikkopf einer Schaufensterpuppe und legte ein nasses Handtuch darüber. Dann zog er das Hirnsteuerungs-Stirnband über das feuchte Tuch, dessen elektrischer Widerstand in etwa dem eines menschlichen Kopfes entspricht — und schaltet die Maschine ein: Wie von Geisterhand schwebte der Ball in die Höhe, kurz darauf sank er wieder ab. So ging das minutenlang. Keine Fehlermeldung erschien. Danach schloss Haynes die Kontakte des Sensor-Stirnbands mit Hilfe einer Büroklammer kurz. Munter flog der Ball weiter. Die Mindflex-Maschine merkte nicht, dass da zwischen den Sensoren eine wichtige Zutat fehlte: ein menschliches Gehirn.
Alle Spieler versichern dennoch glaubhaft, genau zu spüren, wie das Auf und Ab des Balls von der eigenen Konzentration abhänge. Wie passt das zusammen?
„Bei Mindflex geht es nicht um Hirnforschung, sondern um Psychologie“, erläutert Haynes. Der zugrunde liegende psychologische Trick sei schon seit 1948 bekannt. Damals fütterte der US-Psychologe B. F. Skinner mit einem Automaten Tauben in regelmäßigen Abständen. Die Vögel lernten dabei schnell etwas — ob wohl es gar nichts zu lernen gab. Wenn etwa eine Taube zufällig unmittelbar vor dem ersten Füttern eine bestimmte Körperdrehung vollführt hatte, wiederholte sie diese Bewegung später immer wieder, weil sie glaubte, dies würde ihr Futter bringen. Kam dann das Futter tatsächlich, allerdings rein automatisch — verstärkte sich der Reflex noch wie von selbst. Die Taube verhielt sich so, als könnte sie mit ihren Bewegungen das Futter herbeizaubern. Skinner nannte dieses Verhalten "Aberglauben".
"Bei Mindflex werden Nutzer psychologisch darauf trainiert, einen Zusammenhang anzunehmen, wo keiner besteht"...
urteilte Haynes.
Quelle & Textübernahme: "Aberglaube im Kinderzimmer". Der SPIEGEL, Ausgabe 8/2010
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –