Elektrosmog-Report: Alarmieren um jeden Preis (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 09.06.2009, 22:19 (vor 5451 Tagen)

Der "Elektrosmog-Report" hat in seiner jüngsten Ausgabe vom Juni 2009 eine Titelstory über Zellforschung. Und die beginnt so:

Gepulste Felder verändern das Zellwachstum

Zwei experimentelle Arbeiten befassen sich mit der Wirkung von gepulsten elektromagnetischen Feldern auf Zellen. In menschlichen Knochenmark-Stammzellen wurden Entwicklung der Zelldichte, Form und Differenzierung der Zellen sowie die Phasen der Zellteilung untersucht. Außer bei der Zellform gab es signifikante Unterschiede zwischen Kontrollzellen und EMF-behandelten Zellkulturen.

So, und nun die Preisfrage: Um welche Felder geht es hier?

Allem Anschein nach geht es um gepulste elektromagnetische Felder, also um Mobilfunkfelder. Aber nur dem Anschein nach. Denn obwohl in dem Text noch mehrmals von elektromagnetischen Feldern gesprochen wird, geht es nicht um diese, sondern um Magnetfelder. Der Begriff Magnetfeld findet sich in der immerhin eine komplette Seite umfassenden Titelgeschichte kein einziges mal, ersatzweise wird nebulös von "gepulsten Feldern" geredet. Einziger konkreter Hinweis darauf, dass es tatsächlich um etwas ganz anderes geht, ist die Nennung der Befeldungsstärke, die mit sage und schreibe 1,8 mT bei 15 Hz Pulsfrequenz (1800 µT) allerdings ums 18-fache über dem Grenzwert liegt.

Aus meiner Sicht ist dies Desinformation, Titel und Text erweckt bei Laien den Eindruck, es ginge hier um gepulste Mobilfunkfelder. Und diese Fehlinterpretation wird dann prompt weiter getragen und in 0,nix wird daraus auf entsprechenden Seiten: Gepulste Mobilfunkfelder verändern das Zellwachstum. Das Gigaherz-Forum z.B. ist voll von derartigen Fehldeutungen, denn zur Erkennung, dass es hier eben nicht um Mobilfunk geht, ist ein Mindestmaß an Fachkompetenz erforderlich, hier etwa das Wissen um die Bedeutung der Einheit Tesla. "Beihilfe zur Desinformation" leisten die Autoren der Studien und sogar das EMF-Portal, die ebenfalls von "elektromagnetischen Feldern" sprechen. Erst bei den Expositionsparametern benennt das EMF-Portal Ross und Reiter und macht unmissverständlich klar: hier geht es nicht um Mobilfunk, sondern um ein niederfrequentes Magnetfeld.

Für meinen Geschmack ist die irreführende Titelstory des Elektrosmog-Reports kein Zufall, sondern die Kundschaft, die Alarmmeldungen erwartet, soll diese um jeden Preis auch bekommen. Und wenn dazu ein falscher Eindruck erweckt werden muss. Ich wundere mich nicht selten über verkorkste Argumente von Mobilfunkgegnern, die z.B. regelmäßig NF und HF durcheinanderbringen. Glänzt jedoch schon ein sogenannter Fachinformationsdienst, wie der Elektrosmog-Report einer für Mobilfunkkritiker sein will, mit Ungenauigkeiten, dann ist schon am Start der Informationskette der Wurm drin.

Sie zweifeln? Gut, dann bitte ich um eine plausible Erklärung dafür, warum der Elektrosmog-Report an exponierter Stelle über Studien berichtet, die mit sehr niederfrequenten Magnetfelder 18-fach über Grenzwert Erkenntnisse zur Knochenheilung herbeiführen wollen. Was bitte hat dies mit Elektrosmog zu tun?

Die Qualität und Ergiebigkeit des Elektrosmog-Reports hat mMn in den letzten Jahren erheblich gelitten, so dass wir den Bezug wohl schmerzlos kündigen werden. Kompetente Studieninterpretationen, einst Stärke des Blattes, sind Mangelware. Das Internet ist schneller, umfassender und nicht so einseitig auf die Interessen von Sendemastengegnern fixiert.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Fehlinterpretation, Elektrosmog-Report, Strahlentelex, Fehldeutung

Elektrosmog-Report: Alarmieren um jeden Preis

charles ⌂ @, Dienstag, 09.06.2009, 22:54 (vor 5451 Tagen) @ H. Lamarr

Es ist nicht nur ein Fehler welche Laie machen, sondern auch von bestimmte Wissenschaftler.

Es ist so:
Man hat elektrische Felder, und getrennt davon die magnetische Felder.
Sie können zwar gesamt auftreten, aber müssen getrennt gemessen werden.
Sie befinden sich meistens untehalb von ca 1 MHz (genau zwischen 50 und ca 100 kHz). Man nennt das Niederfrequenz.
Einheit: V/m und nTesla

Oberhalb von genannte 1 MHz nennt man die Felder elektromagnetische Felder, weil das elektrische und das magnetische Feld hier miteinander verknöpft sind. Da es hier eine richtige Verknöpfung zwischen die beide Felder gibt, braucht man hier nur eines der beide Felder zu messen.
Meistens wird hier dann das elektrische Feld genommen, weilo man daraus, falls gewünscht das Magnetfeld berechnet werden kann.

Also, wenn man es richtig macht, reden wir bei elektromagnetische Feldern ausschliesslich von Hochfrequenz.
Einheit: V/m oder µW/m².

Bei Niederfrequenz reden wir also von elektrische Felder wenn Spannung auf die Leitung steht, und wenn Strom fliesst reden wir von ein zusätzliches Magnetfeld.

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Charles Claessens
www.milieuziektes.nl

Elektrosmog-Report: Alarmieren um jeden Preis

H. Lamarr @, München, Dienstag, 09.06.2009, 23:45 (vor 5451 Tagen) @ charles

Es ist nicht nur ein Fehler welche Laie machen, sondern auch von bestimmte Wissenschaftler.

Schön erklärt, charles. Ein "Fachinformationsdienst" sollte diesen Fehler mMn korrigieren - es sei denn, er kann oder will nicht.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Fehlgeleitete Meinungsäußerung

KlaKla, Mittwoch, 10.06.2009, 07:11 (vor 5451 Tagen) @ charles

Man hat elektrische Felder, und getrennt davon die magnetische Felder.
Sie können zwar gesamt auftreten, aber müssen getrennt gemessen werden.
Sie befinden sich meistens untehalb von ca 1 MHz (genau zwischen 50 und ca 100 kHz). Man nennt das Niederfrequenz. Einheit: V/m und nTesla ...

Im Schweizer-Forum wurde folgende Aussage gemacht,

Behauptung: Der Kampf gegen diese krankmachende Mobilfunktechnologie, die bereits viele Opfer (besonders unter den Kindern) gekostet hat, geht weiter.
Frage: Von welchen Opfern sprechen sie und wieso Kinder?
Antwort: Leukämie und elektromagnetische Felder

Eine derartig oberflächliche Aussage des Schreiberlings im Schweizer-Forum ist nach Ihrer Erklärung für mich nur eine weitere Bestätigung der Angst machenden Desinformation durch Mobilfunkgegner oder Betroffene.
Der ElektrosmogReport bietet wohl durch unpräzise Berichte die entsprechende Munition.

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Meine Meinungsäußerung

Tags:
, Gigaherz

Fehlgeleitete Meinungsäußerung ▼

charles ⌂ @, Mittwoch, 10.06.2009, 09:31 (vor 5451 Tagen) @ KlaKla

Deswegen rede ich immer von Elektrosmog.

Andere nennen das EMF, womit man eigentlich das gleiche meint.
Also, Niederfrequenz und Hochfrequenz (und Gleichfelder) zusammen.
Das ist eine grosse Familie.

Troll-Wiese: http://www.izgmf.de/scripts/forum/index.php?id=31838

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Charles Claessens
www.milieuziektes.nl

Bienenstich ist süss, Dilettantismus ist grausam

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 10.06.2009, 15:14 (vor 5450 Tagen) @ KlaKla

Behauptung: Der Kampf gegen diese krankmachende Mobilfunktechnologie, die bereits viele Opfer (besonders unter den Kindern) gekostet hat, geht weiter.
Frage: Von welchen Opfern sprechen sie und wieso Kinder?
Antwort: Leukämie und elektromagnetische Felder

Du drückst es zwar nur sehr indirekt aus, aber genau das ist der Punkt: Dieser "Bienstich" behauptet pauschal eine krankmachende Wirkung des Mobilfunks mit seinen hochfrequenten elektromagnetischen Feldern - und begründet dies mit Leukämie durch niederfrequente Magnetfelder, die ihm irgendwann einmal ein Schlamper oder Desinformant als "elektromagnetische" Felder verkauft hat. Damit ist klar, "Bienenstich" muss ein technischer Laie sein, der keinen blassen Schimmer hat, wovon er redet. Denn das eine hat mit dem anderen nicht das geringste zu tun, niederfrequente Magnetfelder treten bei Hochspannungsleitungen auf, bei Trafohäuschen und bei Haushaltsgeräten, überall dort eben wo kräftig Strom fließt, je mehr desto stärker die Magnetfelder. Untrügliches Merkmal solcher Magnetfelder ist deren niedrige Frequenz von 60 Hz, 50 Hz oder weniger. Beim Mobilfunk sind die Frequenzen millionenfach höher, z.B. 900 MHz sind 900'000'000 Hz.

Wenn nun aufgeregte Laien wie dieser "Bienenstich" den Elektrosmog-Report als Quelle für ihr Wissen heranziehen, dann gute Nacht. Dies könnte allerdings die unglaublich vielen Irrtümer erklären, die in den Argumentationen von Sendemastengegnern häufig anzutreffen sind.

Einen solchen Irrtum, einen kapitalen, hat sich bei Gigaherz im selben Strang Teilnehmer "unwichtig" geleistet: Der mahnt an, dass schon ab 0,2 µT Magnetfeldbelastung Kinderleukämie beobachtet wurde, der Grenzwert (100 µT) deshalb ein Skandal sei. Und dann übt "unwichtig" sich eifrig darin, den Wissenschaftler Joachim Schüz als industriefreundlichen Gefälligkeitsgutachter fertig zu machen. Was "unwichtig" nicht weiß: Kein anderer als Schüz war es, der mit zwei Großstudien den Hinweis auf das Kinderleukämierisiko ab 0,2 µT gab! Dieser "unwichtig" benutzt also - ohne es zu ahnen - ein Resultat von Schüz für seine Zwecke und begeht zugleich genüsslich "Rufmord" an dem Mann, wobei er sich auch dabei lediglich des Geplappers aus den Ratsch-&-Tratsch-Ecken des Internets bedient. Fakten? Fehlanzeige! Das ist schon an der Schmerzgrenze. Und solche Irrtümer leisten sich Sendemastengegner peinlich oft, jahraus, jahrein, immer wieder, was mMn daran liegt, dass bei denen häufig das Personal wechselt und immer wieder Frischlinge ganz von vorne anfangen, die Fehler der Vorturner fein säuberlich nachzuturnen. Genährt von einem "Fachinformationsdienst" und "Broschürenschreibern", die die Kunst des Tunnelblicks perfekt beherrschen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Dilettantismus, NF, Tunnelblick, Klarstellung, Gigaherz, Elektrosmog-Report, Broschüren, Irrtum, Fachinformationsdienst, Kinder Leukämie

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