HF-EMF-Messprotokolle der britischen Regulierungsbehörde Ofcom (Technik)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 02.01.2025, 22:56 (vor 2 Tagen)

Ähnlich wie die BNetzA in Deutschland, protokolliert der britische Telko-Regulierer Ofcom (Office of Communications) auf der Insel an bestimmten Messpunkten die Entwicklung der HF-EMF-Immission. Das Mobile & Wireless Forum der Mobilfunkindustrie ist von den aktuellen Messprotokollen des Ofcom so begeistert, dass es diesen ein schön anzuschauendes Video gewidmet hat. Aber: Bei Licht besehen sagen die Messprotokolle kaum etwas aus.

"Wie haben sich die HF-EMF-Werte in der Nähe von Mobilfunkstationen im Laufe der Zeit verändert, insbesondere mit der Einführung von 5G? Anhand der Daten aus den jüngsten Messungen des Ofcom decken wir die Auswirkungen von 5G im Wandel der Zeit auf." Mit diesen Worten im Begleittext stimmt das Mobile & Wireless Forum auf YouTube Betrachter seines jüngsten Videos ein auf das, was dann knapp drei Minuten über den Bildschirm flimmert:

Die beruhigende Botschaft des Videos konterkariert frühere Behauptungen organisierter Mobilfunkgegner, 5G-Strahlenkeulen würden alles gnadenlos zerschmettern, was sich ihnen in den Weg stellt: Menschen, Tiere, Bäume. Dem Video zufolge ist der Zuwachs an Funkstrahlung infolge der 5G-Netze alles andere als dramatisch, sondern so marginal, dass er der Rede nicht wert ist. Da nicht das abhängige Mobile & Wireless Forum der Mobilfunkindustrie die Messwerte erhoben hat, sondern das unabhängige Ofcom, kann die Botschaft durchaus Eindruck machen.

So wie die BNetzA nennt auch Ofcom keine Messwerte für die am Messpunkt gemessene elektrische Feldstärke oder die Leistungsflussdichte einer benachbarten Mobilfunkbasisstation, sondern den Grad der Grenzwertausschöpfung. Mutmaßlich steckt hinter dieser Praxis die Überlegung, dass Laien mit einem Messwert von z.B. 5 V/m nicht allzu viel anzufangen wissen, mit Nennung der Grenzwertausschöpfung von 8,2 Prozent (bezogen auf den frequenzabhängigen Grenzwert von 61 V/m) hingegen auch Laien sofort erkennen können, dass es sich um einen Wert im grünen Bereich handelt, weil dieser offensichtlich tief unter dem zulässigen Grenzwert liegt. Mit Grenzwert sind die Referenzwerte gemäß Icnirp gemeint, die in rd. 140 Ländern gelten.

Nie nichts Genaues weiß man nicht

Da Ofcom im Gegensatz zur BNetzA nicht nur die Summe aller an einem Messpunkt einwirkenden Grenzwertausschöpfungen nennt, sondern aufgedröselt nach Trägerfrequenz auch jede einzelne Grenzwertausschöpfung, lassen sich mit etwas Mühe aus den genannten Werten die konkreten Messwerte in V/m berechnen. Das ist gut. Aufkommende Freude an Ofcom-Messprotokollen wird jedoch gleich wieder getrübt, denn der Regulierer hält sich mit Angaben, wo genau sich ein Messpunkt befindet, ungewöhnlich stark zurück. Was der Betrachter eines Messprotokolls zu sehen bekommt, ist lediglich ein Ausschnitt aus Google Earth, der z.B. eine etwa 3 km x 2 km große Fläche aus der Vogelperspektive zeigt. Wo sich auf dieser Fläche von 6 km² die Messpunkte befinden und wo die gemessenen Mobilfunkbasisstationen, erfährt der Betrachter nicht. Unter diesen Umständen ist eine Angabe auch nicht zu erwarten, in welcher Höhe über dem Erdboden denn gemessen wurde und Ofcom enttäuscht diese Erwartung nicht.

Wer meine Behauptungen an einem konkreten Ofcom-Messprotokoll selbst nachprüfen möchte, gerne. Dieses Exemplar entstand am 23. August 2024 um 11:25 Uhr in Belfast. Es zeigt tabellarisch die Grenzwertausschöpfungen, die an sechs Messpunkten irgendwo im Stadtgebiet (siehe Screenshot "EMF Measurement") aufgenommen wurden. Jede Menge weitere Messprotokolle gibt es auf der Website von Ofcom.

Auszug aus einem Ofcom-Messprotokoll: Wo bitte sind die Messpunkte, wo die Funkmasten?
[image]

Da bekanntlich die Entfernung zwischen einer Mobilfunkbasisstation und einem Messpunkt gemäß Abstandsgesetz höllisch stark in die Messwerte eingeht, sind geringe Grenzwertausschöpfungen mühelos dadurch erzielbar, dass Messpunkte einfach in große Entfernung zur gemessenen Mobilfunkbasisstation gelegt werden. Es ist mir ein Rätsel, warum Ofcom so mit Angaben geizt, die der Aussagekraft seiner HF-EMF-Messprotokolle ausgesprochen gut täten. Wenn ich's nicht vergesse, werde ich den britischen Telko-Regulierer danach befragen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Ofcom praktiziert in UK das Wunder von NRW

H. Lamarr @, München, Freitag, 03.01.2025, 19:45 (vor 1 Tag, 11 Stunden, 43 Min.) @ H. Lamarr

Wer meine Behauptungen an einem konkreten Ofcom-Messprotokoll selbst nachprüfen möchte, gerne. Dieses Exemplar entstand am 23. August 2024 um 11:25 Uhr in Belfast.

Der erste Absatz des Messprotokolls lautet:

This report presents the results of measurements of electromagnetic field emission levels in the vicinity of mobile base stations. Results are presented as percentages of the power density reference levels for general public exposure in the 1998 edition of the Guidelines published by the International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection (ICNIRP)1, with figures provided for individual frequency bands used for base station (downlink) transmissions as well as an overall figure for all other frequency bands between 420 MHz to 6 GHz. The total percentage equals the sum of all individual percentages.

Oooch nö! Ich bin davon ausgegangen, Ofcom hat die elektrische Feldstärke gemessen und nicht die Leistungsflussdichte. Da lag ich wohl neben der Spur ...

Doch schon im zweiten Absatz heißt es:

The power density reference levels in the ICNIRP Guidelines are the root mean square (rms) values averaged over six minutes. In this report, we have measured the average E-field strength over a six-minute period in each measurement location.

Ja was jetzt!? Also doch die elektrische Feldstärke gemessen? Wie aber verträgt sich das mit dem ersten Absatz?

:confused:

Ich deute die vermeintlich widersprüchlichen Zeilen in dem Messprotokoll nach reiflicher Überlegung so: Schaut man sich den ersten Absatz genauer an, steht dort, die Resultate der Messungen werden als Grenzwertausschöpfung der Leistungsflussdichte präsentiert. Dort steht nicht, dass die Leistungsflussdichte gemessen wurde. Und im zweiten Absatz ist zweifelsfrei von der Messung der elektrischen Feldstärke die Rede. Heißt mMn im Klartext: Ofcom mißt die Feldstärke, rechnet diese um in Leistungsflussdichte und bestimmt erst dann den Grad der Grenzwertausschöpfung.

So aber ist es kein Wunder, dass Ofcom vernachlässigbar geringe Grenzwertausschöpfungen melden kann ...

Für mich ist das, was der britische Regulierer da anstellt, ein Déjà-vu. Denn vor rd. 22 Jahren erlebte ich dass Gleiche hierzulande schon einmal. Seinerzeit war der "Täter" jedoch nicht die BNetzA, sondern das Informationszentrum Mobilfunk (IZMF), also eine Interessenvertretung der deutschen Mobilfunknetzbetreiber. Was mich damals wie heute an den auffallend geringen Grenzwertausschöpfungen störte, habe ich 2003 in dem Beitrag Das Wunder von NRW festgehalten, einem der ersten Beiträge auf der frischgebackenen IZgMF-Website.

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Ofcom praktiziert in UK das Wunder von NRW

e=mc2, Freitag, 03.01.2025, 22:21 (vor 1 Tag, 9 Stunden, 7 Min.) @ H. Lamarr

Was mich damals wie heute an den auffallend geringen Grenzwertausschöpfungen störte, habe ich 2003 in dem Beitrag Das Wunder von NRW festgehalten, einem der ersten Beiträge auf der frischgebackenen IZgMF-Website.

Über diese Frage lässt sich trefflich streiten und wurde wohl auch schon stundenlang gemacht. Fakt ist, dass man in der Literatur beide Vorgehensweise antrifft. Gemäß Anhang der 26. BlmSchV müsste ab 100 kHz die Grenzwertausschöpfung in Bezug auf die Leistungsflussdichte präsentiert werden (d.h. für die Berechnung sind die Feldstärken zu quadrieren). Dasselbe schreibt auch ICNIRP in ihren Richtlinien von 2020.

Das führt einerseits zu unsinnigen Konstellationen, weil die Grenzwerte in Deutschland, Schweiz und anderen Ländern bis in den hohen Gigahertz-Bereich nur als elektrische Feldstärke spezifiziert sind. Es ist ja kaum nachvollziehbar, wenn in einem Bericht stehen würde: Es wurde 1 V/m gemessen und dies entspricht 0.03% vom Grenzwert von 61 V/m.

Andererseits ist es gängig beim SAR-Werte die Grenzwertausschöpfung in Bezug auf den die absorbierte Leistung auszudrücken. Auch biologisch würde der Bezug zur Leistungsflussdichte Sinn machen, da der etablierte Wirkungsmechanismus im hochfrequenten Bereich ab 10 MHz (Wärme) proportional zur Leistung und nicht proportional zum elektrischen Feld ist. Zudem erspart man sich Komplikationen, falls man sich an den ICNIRP-Richtlinien orientiert und für Frequenzen >2GHz nur noch die Leistunsflussdichte als Grenzwert spezifiziert wird.

So oder so, ein Konsens hat sich noch nicht durchgesetzt. So wurde beim Schweizer NIS-Monitoring-Bericht auf das Wunder von NRW verzichtet.:yes:
Vielleicht ist ja die Präferenz für die eine oder andere Methode eine Art Lackmustest. Analog wie die Nutzung des Begriffs Atomkraft bzw. Kernkraft einiges über die Einstellung des Absenders zu dieser Technologie offenbart.

Ofcom praktiziert in UK das Wunder von NRW

e=mc2, Freitag, 03.01.2025, 22:29 (vor 1 Tag, 8 Stunden, 59 Min.) @ e=mc2

So oder so, ein Konsens hat sich noch nicht durchgesetzt. S

Und das meint der Chatbot zur Sache::wink:

Guten Tag, was möchten Sie über "Elektrosmog" wissen?

Wie soll die Grenzwertausschöpfung im hochfrequenten EMF-Bereich berechnet werden?
Die Grenzwertausschöpfung im hochfrequenten EMF-Bereich wird in der Regel durch die Messung der Leistungsflussdichte oder der elektrischen Feldstärke an einem bestimmten Ort berechnet. Diese Messungen werden dann mit den festgelegten Grenzwerten verglichen, um zu bestimmen, wie viel Prozent des Grenzwertes ausgeschöpft werden. Es ist wichtig, dabei auch die Messunsicherheiten zu berücksichtigen, um eine genaue Einschätzung zu erhalten. Wenn Sie weitere Informationen oder spezifische Anleitungen benötigen, empfehle ich, sich an Fachstellen oder Experten auf diesem Gebiet zu wenden. Ich hoffe, das hilft Ihnen weiter!

Aber soll nun die elektrische Feldstärke oder die Leistungsflussdichte für diese Berechnung verwendet werden?
Für die Berechnung der Grenzwertausschöpfung im hochfrequenten EMF-Bereich kann sowohl die elektrische Feldstärke (V/m) als auch die Leistungsflussdichte (W/m²) verwendet werden. Die Wahl zwischen diesen beiden Größen hängt oft von den spezifischen Anforderungen der Messung und den geltenden Richtlinien ab. Beide Größen sind miteinander verknüpft und können unter bestimmten Bedingungen ineinander umgerechnet werden. Es ist wichtig, die Einheit zu verwenden, die in den relevanten Grenzwerten und Richtlinien spezifiziert ist. Ich hoffe, das klärt Ihre Frage!

Gar nicht so schlecht aber auf die Äste raus lässt er (sie?) sich auch nicht.
Ich frage jetzt nicht auch noch, ob man sich an den Grenzwerten oder an den Richtlinien orientieren soll.
:wink:

Das Narrativ steuern

H. Lamarr @, München, Freitag, 03.01.2025, 22:57 (vor 1 Tag, 8 Stunden, 31 Min.) @ e=mc2

Vielleicht ist ja die Präferenz für die eine oder andere Methode eine Art Lackmustest. Analog wie die Nutzung des Begriffs Atomkraft bzw. Kernkraft einiges über die Einstellung des Absenders zu dieser Technologie offenbart.

Lackmustest ist ein schöner Begriff für den Gebrauch von Schlüsselwörtern. Wie dem auch sei, es gilt, das Narrativ zu steuern, z.B. durch Framing:

Mobilfunkstrahlung vs. Mobilfunkfelder
µW/m² vs. W/m²
Mobilfunkstrahlung vs. Exposition durch Mobiltelefon oder Basisstation
...

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