HF-EMF-Messprotokolle der britischen Regulierungsbehörde Ofcom (Technik)
Ähnlich wie die BNetzA in Deutschland, protokolliert der britische Telko-Regulierer Ofcom (Office of Communications) auf der Insel an bestimmten Messpunkten die Entwicklung der HF-EMF-Immission. Das Mobile & Wireless Forum der Mobilfunkindustrie ist von den aktuellen Messprotokollen des Ofcom so begeistert, dass es diesen ein schön anzuschauendes Video gewidmet hat. Aber: Bei Licht besehen sagen die Messprotokolle kaum etwas aus.
"Wie haben sich die HF-EMF-Werte in der Nähe von Mobilfunkstationen im Laufe der Zeit verändert, insbesondere mit der Einführung von 5G? Anhand der Daten aus den jüngsten Messungen des Ofcom decken wir die Auswirkungen von 5G im Wandel der Zeit auf." Mit diesen Worten im Begleittext stimmt das Mobile & Wireless Forum auf YouTube Betrachter seines jüngsten Videos ein auf das, was dann knapp drei Minuten über den Bildschirm flimmert:
Die beruhigende Botschaft des Videos konterkariert frühere Behauptungen organisierter Mobilfunkgegner, 5G-Strahlenkeulen würden alles gnadenlos zerschmettern, was sich ihnen in den Weg stellt: Menschen, Tiere, Bäume. Dem Video zufolge ist der Zuwachs an Funkstrahlung infolge der 5G-Netze alles andere als dramatisch, sondern so marginal, dass er der Rede nicht wert ist. Da nicht das abhängige Mobile & Wireless Forum der Mobilfunkindustrie die Messwerte erhoben hat, sondern das unabhängige Ofcom, kann die Botschaft durchaus Eindruck machen.
So wie die BNetzA nennt auch Ofcom keine Messwerte für die am Messpunkt gemessene elektrische Feldstärke oder die Leistungsflussdichte einer benachbarten Mobilfunkbasisstation, sondern den Grad der Grenzwertausschöpfung. Mutmaßlich steckt hinter dieser Praxis die Überlegung, dass Laien mit einem Messwert von z.B. 5 V/m nicht allzu viel anzufangen wissen, mit Nennung der Grenzwertausschöpfung von 8,2 Prozent (bezogen auf den frequenzabhängigen Grenzwert von 61 V/m) hingegen auch Laien sofort erkennen können, dass es sich um einen Wert im grünen Bereich handelt, weil dieser offensichtlich tief unter dem zulässigen Grenzwert liegt. Mit Grenzwert sind die Referenzwerte gemäß Icnirp gemeint, die in rd. 140 Ländern gelten.
Nie nichts Genaues weiß man nicht
Da Ofcom im Gegensatz zur BNetzA nicht nur die Summe aller an einem Messpunkt einwirkenden Grenzwertausschöpfungen nennt, sondern aufgedröselt nach Trägerfrequenz auch jede einzelne Grenzwertausschöpfung, lassen sich mit etwas Mühe aus den genannten Werten die konkreten Messwerte in V/m berechnen. Das ist gut. Aufkommende Freude an Ofcom-Messprotokollen wird jedoch gleich wieder getrübt, denn der Regulierer hält sich mit Angaben, wo genau sich ein Messpunkt befindet, ungewöhnlich stark zurück. Was der Betrachter eines Messprotokolls zu sehen bekommt, ist lediglich ein Ausschnitt aus Google Earth, der z.B. eine etwa 3 km x 2 km große Fläche aus der Vogelperspektive zeigt. Wo sich auf dieser Fläche von 6 km² die Messpunkte befinden und wo die gemessenen Mobilfunkbasisstationen, erfährt der Betrachter nicht. Unter diesen Umständen ist eine Angabe auch nicht zu erwarten, in welcher Höhe über dem Erdboden denn gemessen wurde und Ofcom enttäuscht diese Erwartung nicht.
Wer meine Behauptungen an einem konkreten Ofcom-Messprotokoll selbst nachprüfen möchte, gerne. Dieses Exemplar entstand am 23. August 2024 um 11:25 Uhr in Belfast. Es zeigt tabellarisch die Grenzwertausschöpfungen, die an sechs Messpunkten irgendwo im Stadtgebiet (siehe Screenshot "EMF Measurement") aufgenommen wurden. Jede Menge weitere Messprotokolle gibt es auf der Website von Ofcom.
Auszug aus einem Ofcom-Messprotokoll: Wo bitte sind die Messpunkte, wo die Funkmasten?
Da bekanntlich die Entfernung zwischen einer Mobilfunkbasisstation und einem Messpunkt gemäß Abstandsgesetz höllisch stark in die Messwerte eingeht, sind geringe Grenzwertausschöpfungen mühelos dadurch erzielbar, dass Messpunkte einfach in große Entfernung zur gemessenen Mobilfunkbasisstation gelegt werden. Es ist mir ein Rätsel, warum Ofcom so mit Angaben geizt, die der Aussagekraft seiner HF-EMF-Messprotokolle ausgesprochen gut täten. Wenn ich's nicht vergesse, werde ich den britischen Telko-Regulierer danach befragen.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –