"Mobilfunk mit Mass in Erlenbach" ist vom Netz (Allgemein)
Das Bullshit-Asymmetrie-Prinzip ist auch in der Lebensspanne von Anti-Mobilfunk-Websites erkennbar. Das Aufkommen solcher Websites verläuft in aller Regel laut und gerne mit ein bisschen Medienbegleitung. Das spätere Ableben findet hingegen in aller Stille so geräuschlos statt, dass die Wahrnehmung auf Zufall angewiesen ist. So hat sich in der Schweiz die Website des Vereins "Mobilfunk mit Mass in Erlenbach" am Zürichsee heimlich still und leise vom Acker gemacht.
Der Webauftritt www.mobilfunk-erlenbach.ch ist Geschichte. Seit wann genau lässt sich nicht genau sagen, weil das Webarchiv die Site seit 2021 nicht mehr auf dem Radar hatte. Sichtbare Lebenszeichen strahlte der Webauftritt seit spätestens 2014 nicht mehr aus. Auf der Website der 5700-Einwohner-Gemeinde Erlenbach feiert der Verein freilich noch fröhlich Urstände, mutmaßlich deshalb, weil der Vorstand vergessen hat, dass er sich einst dort eingetragen hat.
Auf sich aufmerksam machte der um 2004 herum gegründete Verein zuletzt 2007, als Vorständin Charlotte Jakob in der Zeitschrift Tier & Konsum (Ausgabe 2/2007) über "Fehlgeburten im Stall wegen Mobilfunkantennen" berichtete. Diagnose-Funk hat ein PDF des Artikels vor dem Verfall gerettet, sodass man noch heute nachlesen kann, was um die Jahrtausendwende Menschen und Kühe bewegte. Dass ich ausgerechnet kurz nach Weihnachten auf die "Fehlgeburten im Stall" gestoßen bin, ist reiner Zufall, denn in Jakobs Geschichte geht es definitiv um Kühe und nicht um eine gebärende Jungfrau. Was Jakob fachlich qualifizierte, über Fehlgeburten wegen Mobilfunk in den Ställen von zwei Schweizer Bauern zu schreiben (Franz Inauen und der unvermeidliche Hans Sturzenegger), konnte ich trotz guter Absichten nicht herausfinden. Bis drauf, dass Frau Jakob nicht nur die Kasse des Vereins beaufsichtigte, sondern auch für "Messungen" zuständig war. Vereinsmitglieder wurden für die Dienstleistung mit 80 CHF zur Kasse gebeten, alle anderen mit 120 CHF.
Allem Anschein nach hatte die Idee zur Vereinsgründung Marianne Brunner, die von Anfang bis Ende die Position der Vereinspräsidentin innehatte. Frau Brunner ist alternative Heilerin, eine Verbindung, die in der Anti-Mobilfunk-Szene nicht selten anzutreffen ist. Im konkreten Fall geht es um eine Praxis für Craniosacrale Biodynamic. Warum ausgerechnet Verfechter alternativer Heilmethoden vermehrt als Mobilfunkgegner wahrgenommen werden, ist weitgehend unerforscht, möglicherweise ist die evidenzfreie Beschäftigung mit dem Thema auf einer pseudowissenschaftlichen Glaubensbasis die Erklärung dafür, warum Patienten und Heiler im "Risiko HF-EMF" einen gemeinsamen Nenner sehen. Dem Heiler bringt das Umsatz, dem Patienten nicht nur finanziell Erleichterung.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –