WHO Review zu oxidativem Stress publiziert (Forschung)
e=mc2, Samstag, 17.08.2024, 16:09 (vor 127 Tagen)
Die Publikation findet sich hier.
Die Schlussfolgerung mit deepl übersetzt:
Die Evidenz für den Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber HF-EMF und Biomarkern für oxidativen Stress war von sehr geringer Sicherheit, da die Mehrheit der eingeschlossenen Studien mit einem hohen RoB-Level [Risiko für Bias] bewertet wurde und eine hohe Heterogenität aufwies. Dies ist auf ungenaue Messungen der Exposition und/oder der Messung von Biomarkern für oxidativen Stress und fehlende Informationen über die Verblindung des Forschungspersonals zurückzuführen. Es gibt möglicherweise keine oder eine uneinheitliche Wirkung von HF-EMF auf Biomarker für oxidativen Stress im Gehirn, in der Leber, im Blut, im Plasma und im Serum sowie im weiblichen Fortpflanzungssystem in Tierversuchen, aber die Beweise sind von sehr geringer Sicherheit. Es kann zu einem Anstieg der Biomarker für oxidativen Stress in Hoden, Serum und Thymus von Nagetieren kommen, aber die Beweise sind von sehr geringer Gewissheit. Künftige Studien sollten die Versuchspläne und die Charakterisierung der Expositionssysteme sowie die Verwendung von validierten Biomarker-Messungen mit Positivkontrollen verbessern.
Diese systematische Analyse unter Berücksichtigung der Studienqualität zeigt, dass die Fakten etwas komplizierter und weniger robust sind als gewisse Kreise es gerne sehen würden.
Tags:
Hypothese, Oxidativer Stress, Biomarker, Meta-Analyse, Kuhne, Henschenmacher
Gefahr für die Kalaschnikow organisierter Mobilfunkgegner
H. Lamarr , München, Sonntag, 18.08.2024, 00:57 (vor 127 Tagen) @ e=mc2
Diese systematische Analyse unter Berücksichtigung der Studienqualität zeigt, dass die Fakten etwas komplizierter und weniger robust sind als gewisse Kreise es gerne sehen würden.
Schaut man sich an, was der Ex-Gigaherz-Präsident einst glaubte, mit seiner neuen Wunderwaffe "oxidativer Stress" für einen Trumpf in der Hand zu halten, kann einem der alte Herr wirklich leid tun. Doch seine Ignoranz wird ihm helfen, die Review erst gar nicht zur Kenntnis nehmen zu müssen.
Zuletzt war "oxidativer Stress" die Kalaschnikow organisierter Mobilfunkgegner. Um die kostbaren Bestände nun nicht verschrotten zu müssen, werden sie voraussichtlich alles daran setzen, die systematische Review von Meyer et al. so schnell wie möglich zu entwerten. Auf dem Parkett war zu hören, dass David O. Carpenter bereits Weisung erteilt hat, in kommenden Ausgaben von Reviews on Environmental Health dafür Seitenkontingente frei zu schlagen. Und weil die Autoren solcher Entwertungen erfahrungsgemäß von den Strapazen des Berufslebens befreite Ruheständler sind, werden wir wohl nicht allzu lange warten müssen .
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
Oxidativer Stress: Entwertung der WHO-Review läuft an
H. Lamarr , München, Freitag, 23.08.2024, 21:16 (vor 121 Tagen) @ H. Lamarr
Zuletzt war "oxidativer Stress" die Kalaschnikow organisierter Mobilfunkgegner. Um die kostbaren Bestände nun nicht verschrotten zu müssen, werden sie voraussichtlich alles daran setzen, die systematische Review von Meyer et al. so schnell wie möglich zu entwerten. Auf dem Parkett war zu hören, dass David O. Carpenter bereits Weisung erteilt hat, in kommenden Ausgaben von Reviews on Environmental Health dafür Seitenkontingente frei zu schlagen. Und weil die Autoren solcher Entwertungen erfahrungsgemäß von den Strapazen des Berufslebens befreite Ruheständler sind, werden wir wohl nicht allzu lange warten müssen .
Den Anfang machte Louis Slesin (Microwave News) früher als erwartet bereits am 21. August 2024. Er bemängelt, die Review hätte mehr als 99 Prozent der Primärstudien ausgeschlossen. Von 11'599 Primärstudien zu oxidativem Stress im Frequenzbereich von 800 MHz bis 2450 MHz wären nur 56 in die Review eingeschlossen worden, 45 Tierstudien und 11 Zellstudien.
Offensichtlich hatten Meyer et al. strenge Ausschlusskriterien und möglicherweise mussten die 14.Mitglieder der Arbeitsgruppe notgedrungen so erbarmungslos sieben, um nicht bis an ihr Lebensende mit der Review beschäftigt zu sein. Wir rechnen das mal schnell über den Daumen gepeilt aus. Für ihre Review von 56 Primärstudien brauchte die Arbeitsgruppe mit allem drum und dran etwa drei Jahre. Hätte sie mit gleichem Tempo alle verfügbaren 11'599 Primärstudien analysieren wollen (der Review zufolge sind es übrigens nur 11'512), sie wäre 621 Jahre damit beschäftigt gewesen .
Joel Moskowitz pflichtet Slesin bei und soll in einem Interview gesagt haben, es gäbe gute Gründe, die Meyer-Review zurückzuziehen.
Plakative Retraktionsforderungen gegenüber einigen der zehn systematischen HF-EMF-Reviews, die im Auftrag der WHO ausgearbeitet wurden, stehen derzeit bei akademischen Mobilfunkkritikern deshalb so hoch im Kurs, weil sie damit zwei Fliegen mit einer Klappe erledigen: Denn diese Reviews sind eine tragende Säule für die bevorstehende neue Risikobewertung von HF-EMF durch die WHO. Indem sie diese Säule ansägen, schaffen die vereinigten Mobilfunkgegner das Kunststück, die weltweit maßgebende kommende WHO-Monographie (EHC) schon entwertet zu haben, bevor der mutmaßlich mehr als 500 Seiten starke Wälzer überhaupt erschienen ist. Ob von der Entwertung auch außerhalb der Echokammern organisierter Mobilfunkgegner groß Notiz genommen wird, steht freilich auf einem anderen Blatt und ist aus meiner Sicht unwahrscheinlich.
Slesin lässt auch Henry Lai zu Wort kommen. Der mittlerweile 83-Jährige sieht ein grundlegendes Problem der Meyer-Review darin, dass die dynamische Natur oxidativer Reaktionen ignoriert wurde. Lai meint damit, oxidativer Stress sei ein schwierig festzunagelnder Geselle. Je nach Zeitpunkt einer Messung zeige er sich in einer Zunahme, einer Abnahme oder ganz und gar ohne Wirkung. Lai geht davon aus, diese Wankelmütigkeit oxidativen Stresses habe möglicherweise das Ergebnis von Meyers Review verzerrt.
Eine von Lai privat geführte Liste zum Thema oxidativer Stress infolge HF-EMF-Einwirkung umfasst derzeit 367 Studien, die zwischen 1997 und 2024 veröffentlicht wurden. Der gebürtige Taiwan-Chinese hat damit nicht wie Meyer et al. 99,5 Prozent der vorhandenen Primärstudien ausgeschlossen, sondern "nur" 96,8 Prozent. Daran stößt sich Slesin in seinem Beitrag erwartungsgemäß nicht . Warum nicht? Im Gegensatz zu Meyer kommt Lai zu der Erkenntnis, 89 Prozent der 367 Studien zeigten signifikante Auswirkungen. So einfach ist das. Lai kommt zur "richtigen" Erkenntnis und bleibt deshalb von "friendly fire" verschont.
Der Haken an der Sache ist aus meiner Sicht der, dass Lai sich schon vor langer Zeit im Lager der Mobilfunkkritiker niedergelassen hat. Und so dürfte seine Erkenntnis schlicht darauf beruhen, dass er dem "Bestätigungsfehler" (Confirmation Bias) auf den Leim ging, indem er wahrscheinlich unbewusst a) andere und b) vor allem mildere Ausschlusskriterien als Meyer ersonnen hat, um das insgeheim erwartete alarmierende Ergebnis zu bekommen. Auch Wissenschaftler sind halt Menschen aus Fleisch und Blut.
Der Schnellschuß von Slesin reicht mMn bei weitem nicht, der Meyer-Review ernsthaft zu schaden. Da muss noch mehr kommen. Schließlich geht es mit "oxidativem Stress" um den Fortbestand der Kalaschnikow organisierter Mobilfunkgegner ...
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
Oxidativer Stress: Entwertung der WHO-Review läuft an
e=mc2, Samstag, 24.08.2024, 13:10 (vor 120 Tagen) @ H. Lamarr
Er bemängelt, die Review hätte mehr als 99 Prozent der Primärstudien ausgeschlossen. Von 11'599 Primärstudien zu oxidativem Stress im Frequenzbereich von 800 MHz bis 2450 MHz wären nur 56 in die Review eingeschlossen worden, 45 Tierstudien und 11 Zellstudien.
Das tönt imposant aber ignoriert komplett wie eine systematische Literatursuche abläuft. Die Suchbegriffe werden so gewählt, dass möglichst keine relevante Studie verpasst werden. Logisch gibt es dann extrem viel Beifang, welcher nicht das geringste mit dem Thema zu tun hat, nur weil im Abstract das Wort oxidativ und radio oder electromagnetic erscheint. Die Suchbegriffe und Einschlusskriterien sind schon im Protokollpaper publiziert worden und hätten schon lange kritisiert werden können. Insofern haben diese Kritiken keine Auswirkungen ausserhalb der entsprechenden Echokammern. Das Schema der Kritiken ist zu einfach: nur Studien mit den richtigen Resultaten sollten berücksichtigt werden, der Rest gehört ausgeschlossen. Ev. sorgen diese Aktivitäten immerhin für Spendengelder für Microwves News und Environmental Health Trust, und im Idealfall überzeugen sie sogar einen Richter, damit ein paar Anwälte in einer Kompensationsklage dick absahnen können (höre auch BBC Podcast).
Auf den ersten Blick ist erstaunlich, dass diese Kritiken nicht schon nach Publikation der Protokolle gemacht worden sind. Es wäre dann ein leichtes gewesen nachher zu sagen, man habe schon immer gesagt, es sei der falsche Ansatz gewesen. Aber wahrscheinlich war das Risiko zu gross, dass es zu einer wissenschaftlichen Debatte gekommen wäre und das ganze Pulver schon verschossen gewesen wäre. Bin ja nun gespannt, ob Lai und Moskowitz einen Letter für Environmen International schreiben und sich einer echten Debatte stellen oder ob sie wieder ihr Hausblatt Reviews on Environmental Health zu Ehren kommen lassen.
Oxidativer Stress: Entwertung der WHO-Review läuft an
H. Lamarr , München, Samstag, 24.08.2024, 14:19 (vor 120 Tagen) @ e=mc2
Er bemängelt, die Review hätte mehr als 99 Prozent der Primärstudien ausgeschlossen. Von 11'599 Primärstudien zu oxidativem Stress im Frequenzbereich von 800 MHz bis 2450 MHz wären nur 56 in die Review eingeschlossen worden, 45 Tierstudien und 11 Zellstudien.
Das tönt imposant aber ignoriert komplett wie eine systematische Literatursuche abläuft. Die Suchbegriffe werden so gewählt, dass möglichst keine relevante Studie verpasst werden. Logisch gibt es dann extrem viel Beifang, welcher nicht das geringste mit dem Thema zu tun hat, nur weil im Abstract das Wort oxidativ und radio oder electromagnetic erscheint.
Ja, bei den 11'599 Primärstudien war der offenkundige Beifang (was für ein treffender Begriff!) aber schon zurück ins Meer gekippt worden. Denn ins Netz der Fischer gingen ursprünglich (inkl. Duplikate) sage und schreibe 27'845 Studien.
Bin ja nun gespannt, ob Lai und Moskowitz einen Letter für Environmen International schreiben und sich einer echten Debatte stellen oder ob sie wieder ihr Hausblatt Reviews on Environmental Health zu Ehren kommen lassen.
Ich setze zwei Kästen Franziskaner Hefeweißbier aufs Hausblatt .
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –