Kleine Chronik der Befindlichkeitsstörungen (Elektrosensibilität)
"Elektrosensibilität" zählt aus medizinischer Sicht zu den Befindlichkeitsstörungen, so wie das Chronic-Fatigue-Syndrom, MCS (Multiple Chemical Sensitivity) oder das Fibromyalgie-Syndrom. Wer nun aber glaubt, Befindlichkeitsstörungen wären ein Phänomen unserer Tage, der irrt. Schon in der Antike wurden unerklärliche Beschwerden der Gebärmutter (Hystera) in die Schuhe geschoben. Dies geht aus einer Chronik der Befindlichkeitsstörungen hervor, die vom 2. Jahrhundert bis 1988 reicht.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
1923: Entdeckung einer neuen Telephonkrankheit
Alles schon mal dagewesen. Die "Neue Freie Presse" aus Wien berichtete in ihrer Ausgabe vom 20. Oktober 1923 auf Seite sechs über eine neue Telephonkrankheit.
Auszug aus Neue Freie Presse, Wien.
Bild: Neue Freie Presse, Wien
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
Telephonkrankheit: "Elektrosensibilität" im Jahr 1905
Eine Ausgabe des Buches "Saluti aegrorum. Aufgabe und Bedeutung der Krankenpflege im modernen Staat ..." von Alfred Lindheim findet sich im Fundus der Harvard University, sie wurde von Google digitalisiert. Die "Telephonkrankheit" wird in der Einleitung des Werks als "Zustand der Nervosität" beschrieben, welche Beschäftigte in Telephonbetrieben (Vermittlungsämter) aufgrund der dort herrschenden Hektik befällt. Die Anfänge der "Elektrosensibilität" lassen sich daher mMn mit etwas Mut zur Lücke mindestens auf das Erscheinungsjahr 1905 des Buches zurückdatieren.
Auszug aus "Saluti aegrorum. Aufgabe und Bedeutung der Krankenpflege im modernen Staat ...".
Quelle: Google
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
1894: elektrischer Sonnenstich & Telephonkrankheit
Die Abendausgabe der Lübeckische Anzeigen vom Freitag, den 2. März 1894 bringt in der Rubrik Kunst, Literatur und Wissenschaft eine Rezension des Buches "Die Electricität im Dienste der Menschheit". Es ist eine populäre Darstellung der magnetischen und elektrischen Naturkräfte und ihrer praktischen Anwendungen nach dem gegenwärtigen Standpunkte der Wissenschaft. Bearbeitet wurde das über 1100 Seiten dicke Werk von Dr. Alfred Ritter von Urbanitzky.
Der Screenshot zeigt den Ausschnitt der Rezension, der belegt, dass in Deutschland der Begriff "Telephonkrankheit" bereits 1894 Buchwissen war, und nebenbei erfahren wir auch von dem in Vergessenheit geratenen elektrischen Sonnenstich.
Quelle: Stadtbibliothek Lübeck
Google hat auch das Buch des Ritter von Urbanitzky digitalisiert, ein PDF davon gibt es hier unentgeltlich. Die Suchbegriffe "elektrischer Sonnenstich" und "Telephonkrankheit" konnte ich darin jedoch nicht auffinden, auch nicht im Stichwortverzeichnis. Schade, über den "elektrischen Sonnenstich", der mir in noch keiner Symptomliste "Elektrosensibler" begegnet ist, hätte ich gerne mehr erfahren.
Möglicherweise hat Google eine andere Ausgabe des Buchs digitalisiert, als die, welche in den Lübeckische Anzeigen rezensiert wurde. Oder bei der Digitalisierung mit OCR wurden die Begriffe verfremdet. Mich hat es ohnehin verwundert, dass das in Frakturschrift gedruckte Buch überhaupt digitalisiert werden konnte. Tipp: Wer sich mit dem Lesen der Frakturschrift schwer tut, Copy-Paste genügt, um die kopierte Textpassage in einer heute gängigen Schrift lesen zu können.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
1895: elektrischer Sonnenstich, eine Berufskrankheit
Schade, über den "elektrischen Sonnenstich", der mir in noch keiner Symptomliste "Elektrosensibler" begegnet ist, hätte ich gerne mehr erfahren.
"Der Naturarzt" berichtete im 23. Jahrgang in Ausgabe 1 vom Januar 1895, was es mit dem rätselhaften "elektrischen Sonnenstich" auf sich hat. Es handelt sich dabei um eine Berufskrankheit, gegen die noch heute Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen.
Quelle: Die digitale Landesbibliothek Oberösterreich
Hintergrund
DGUV Information 209-010 - Lichtbogenschweißen
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –