Hokuspokus Fidibus: Heilpraktiker für Psychotherapie (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Freitag, 03.02.2023, 23:28 (vor 644 Tagen)

Heilpraktiker für Psychotherapie sind seit 1993 in Deutschland befugt, Heilkunde im Bereich der Psychotherapie auszuüben. Die geschützte Berufsbezeichnung Psychotherapeut dürfen sie jedoch nicht führen. Aus gutem Grund, wie eine Recherche des Südwestrundfunks (SWR) ergeben hat.

Heilpraktiker befassen sich u.a. mit "Elektrosmog", Heilpraktiker für Psychotherapie u.a. mit "Elektrosensiblen". Es gibt also eine Verbindungslinie zwischen den Heilkundlern und den Themen dieses Forums. Doch was erwartet einen, wenn man schnell Hilfe sucht, jedoch unerträglich lang auf einen anerkannten Therapieplatz warten müsste und deshalb ersatzweise einen Heilpraktiker für Psychotherapie aufsucht? Ein SWR-Reporter machte mit versteckter Kamera die Probe aufs Exempel. Er besuchte ein Heilpraxis, gab sich als Patient mit Angststörung aus und zeigte die Aufnahmen von seiner Behandlung zur Bewertung einem Professor für Psychotherapie an der Humboldt Universität, Berlin. Dessen Urteil war eindeutig. Wissenschaftlich evident sei keine der in der Heilpraxis angewandten Methoden, dafür aber potenziell schädlich für Patientinnen und Patienten, die tatsächlich unter akuten Angststörungen litten. Darin erkenne er, so der Professor weiter, eine klare Überschreitung von Grenzen, eine Anmaßung von Kompetenzen.

Die Autoren des Films haben mehrere Fälle von Patientinnen und Patienten recherchiert, die wegen zu langer Wartezeiten bei Psychotherapeuten stattdessen Heilpraktiker für Psychotherapie aufgesucht haben. Geholfen wurde ihnen dort nicht, schildern sie vor der Kamera. Sie erlebten Verschwörungserzählungen, Impfgegnerschaft und Esoterik.

Im Zuge der Recherche wurden mehrere Heilpraktiker-Verbände angefragt, unter anderem der Verband Freier Psychotherapeuten, Heilpraktiker für Psychotherapie und Psychologischer Berater (VFP). Bis Redaktionsschluss im September 2022 lag keine Stellungnahme zu den Recherchen vor.

Dies und mehr zeigt das 30-min-Video des SWR-Rechercheformats "Vollbild":

Zu der Vollbild-Recherche im Jahr 2022 wollte sich der VFP nicht äußern. Als die ARD im November 2020 die Reportage "Heilpraktiker: Quacksalber oder sanfte Alternative?" ausstrahlte, vertrat der Verband die Interessen seiner Mitglieder noch engagiert auf seiner Website.

Anforderungen an Heilpraktiker für Psychotherapie

Wer die Heilkunde berufsmäßig ausübt, ohne als Arzt oder Psychotherapeut approbiert zu sein, bedarf dazu der Erlaubnis als Heilpraktiker durch die zuständige Landesbehörde. Eine erteilte Erlaubnis hat bundesweite Gültigkeit. Voraussetzungen für die Erlaubnis sind ein Mindestalter von 25 Jahren, der erfolgreiche Abschluss mindestens der Hauptschule oder ein gleichwertiger Abschluss sowie die körperliche und geistige Eignung für den Beruf, die durch ärztliches Attest und polizeiliches Führungszeugnis nachzuweisen ist. Zur Erlangung der Erlaubnis muss sich der Antragsteller nach § 2 Abs. 1 Buchstabe i) HeilprGDV einer Überprüfung seiner Kenntnisse und Fertigkeiten unterziehen, um festzustellen, ob die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde. [Quelle]

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Esoterik, Angststörung, Psychotherapie, Psychotherapeut, Hokuspokus, Heilpraktiker, Quacksalber, Anmaßung


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