Neue Studie beraubt 5G-Gegner ihrer stärksten Argumente (Forschung)

H. Lamarr @, München, Freitag, 15.04.2022, 01:06 (vor 982 Tagen)

Eine neue Studie empfiehlt den Übergang zu 5G-Mobilfunk, um die Exposition von Menschen zu verringern und hohe Datenraten zu erzielen. Zudem räumt das Papier mit beliebten Behauptungen organisierter Mobilfunkgegner auf. So führe 5G nicht zu einer signifikanten Erhöhung der Exposition durch Basisstationen und die Trennung von Innen- und Außenabdeckung durch Mobilfunk zeige keine Vorteile hinsichtlich der Exposition der Bevölkerung.

Im Oktober 2020 beauftragte das Schweizer Bundesamt für Kommunikation (Bakom) die Stiftung IT'IS (Kuster-Gruppe) mit der Evaluierung verschiedener 5G-Netztopologien in Bezug auf die Exposition von Menschen, die Qualität der mobilen Kommunikation und die Nachhaltigkeit, um Fragen zu beantworten, die in der politischen Motion Häberli-Koller vom 30. Juli 2020 gestellt wurden. Die Studie wurde gemeinsam durchgeführt mit der Imec-Waves-Gruppe des Departements für Informationstechnologie der Universität Gent, Belgien. Der Abschlussbericht trägt den Titel "Assessment of varied mobile network topologies on human exposure, mobile communication quality and sustainability" und wurde im September 2021 dem Auftraggeber übergeben, der ihn am 13. April 2022 veröffentlicht hat (Volltext, PDF, 43 Seiten, englisch). Für die Schweizer Regierung (Bundesrat) legte der Abschlussbericht das technische Fundament, um ihre Vorstellungen für die künftige Mobilfunkentwicklung in dem Alpenstaat konkret zu formulieren.

Der Abschlussbericht ist gut verständlich geschrieben, dürfte absolute Laien in Sachfragen der Mobilfunktechnik jedoch schon wegen der Terminologie vor erhebliche Probleme stellen. Alle anderen erwartet eine Fülle von Informationen, die etliche Behauptungen organisierter Mobilfunkgegner über 5G als Falschdarstellungen entlarven. Gut gelungen ist die mehrseitige Zusammenfassung zu Beginn, die übersichtlich ein ganzes Bündel von naheliegenden Fragen stellt und die Antworten gleich mitliefert. Einschränkend ist anzumerken, die Ergebnisse der Studie beruhen auf Simulationsmodellen, die wiederum zum Teil auf Annahmen beruhen, die in Kapitel 4 beschrieben sind. Die Auswirkungen dieser Annahmen werden in Kapitel 6 diskutiert. Anzumerken ist auch, da der Bericht nicht in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift publiziert wurde, kann dort eine wissenschaftliche Auseinandersetzung z.B. über die Aussagekraft der Simulationen nicht stattfinden. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass akademische Mobilfunkkritiker versuchen werden, die Studie auf ihren privaten Plattformen zu entwerten. Das könnte spannend werden, wenn Niels Kuster oder die anderen Autoren des Abschlussberichts dagegen halten.

Genug der Vorrede. Die folgende Übersetzung des Kapitels 7 (Conclusions) zeigt, welche Sprengkraft in den 43 Seiten steckt und warum es die Stop-5G-Bewegung nicht nur in der Schweiz künftig schwerer haben wird, mit technischer Desinformation über 5G zu punkten.

Die in dieser Studie vorgestellten Ergebnisse bestätigen, dass die Exposition eines Menschen, der ein Mobilfunknetz nutzt, durch das Uplink-Signal des eigenen Mobilgeräts dominiert wird. Die Expositionsverhältnisse [was das ist, wird auf Seite 2 unter "Statement of work" erklärt; Anm. Postingautor] im Uplink waren im Durchschnitt zehnmal höher als die Expositionsverhältnisse im Downlink. Bei der Optimierung von Netzen für eine niedrige Exposition von Menschen müssen immer sowohl der Uplink als auch der Downlink berücksichtigt werden. Unsere Ergebnisse zeigen, dass es nicht möglich ist, ein Netz mit einer guten Datenübertragungsqualität zu entwerfen, indem nur die Exposition im Downlink optimiert wird.

Aus Sicht der Datennetzqualität wurden die 5G-Netze in dieser Studie mit einer zehnfachen Kapazität im Vergleich zu 4G-Netzen ausgelegt. Diese 5G-Kapazitätserhöhung führt nicht zu einem signifikanten Anstieg der Downlink-Exposition im Vergleich zu 4G. Nur in den Szenarien mit der höchsten Datenrate stieg die Exposition in den 5G-Downlink-Netzen in allen drei Umgebungen [Stadt, Vorstadt, Land] um durchschnittlich 34 %. In der Uplink-Richtung trug der Einsatz von 5G dazu bei, die Exposition im Durchschnitt um –75 % bei der Basisdatenrate und um –61 % im Szenario mit hoher Datenrate zu verringern.

Was die Trennung von Innen- und Außenabdeckung betrifft, so zeigen unsere Ergebnisse, dass die Downlink-Belastung im Freien um den Faktor 10 reduziert werden kann, wenn nur die Außenabdeckung angestrebt wird. Für eine erfolgreiche Innenraumabdeckung waren im 4G-Netz im städtischen Umfeld hauptsächlich zusätzliche Basisstationen erforderlich. Insbesondere bei 5G ist der Bedarf an zusätzlichen Basisstationen zur Abdeckung von Innenräumen gering. In absoluten Zahlen benötigten 5G-Netze jedoch im Durchschnitt 3-mal so viele Basisstationsstandorte wie das betrachtete 4G-Netz. Da aber die Exposition im Uplink in allen Abdeckungs- und Datenraten-Szenarien sehr ähnlich und im Vergleich zur Exposition im Downlink dominant ist, führte eine Trennung von Innen- und Außenabdeckung in unseren Simulationen nicht zu einem Vorteil hinsichtlich der Exposition von Menschen.

Ein Mobilfunk-Einheitsnetz hat die Exposition der Menschen nicht wesentlich verändert, obwohl es in einigen Situationen aufgrund der begrenzten Netzkapazität zu einer höheren Exposition im Uplink führt. Ein Einheitsnetz kann jedoch dazu beitragen, die Anzahl der erforderlichen Basisstationen zu verringern. Die gleiche Netzqualität wurde in den drei verschiedenen Umgebungen mit 30 % bis 50 % weniger Basisstationen bei 4G bzw. mit 13 % bis 30 % weniger Basisstationen bei 5G erreicht. Die Reduzierung bei 5G ist geringer, da die in 5G verwendeten adaptiven Massive-Mimo-Antennen weniger Nutzer pro Basisstation unterstützen.

Die Studie hat gezeigt, dass zukünftige Netze ohne eine Lockerung der Vorsorgegrenzwerte realisiert werden können. Die Anzahl der Basisstationen wird hauptsächlich von den Datenanforderungen und nicht von den Grenzwerten bestimmt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Übergang zu einem 5G-Mobilfunknetz empfohlen wird, um die Exposition der Menschen zu verringern und hohe Datenraten zu erzielen. Die Vereinheitlichung der Netzinfrastruktur ist von Vorteil, um die Anzahl der Basisstationen zu verringern.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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