DECT: Bis zu 35 Meter Sicherheitsabstand für Haustiere (Forschung)
Zur Abwechslung kümmerte sich kürzlich nicht die Medizinische Universität Wien (MUW) um EMF-Gesundheitsfragen, sondern die Veterinärmedizinische Universität Wien. Dort untersuchte eine Arbeitsgruppe die Frage, ob die Exposition durch Ortungsgeräte (Tracker) für Haustiere gesundheitlich bedenklich ist (Tracking Devices for Pets: Health Risk Assessment for Exposure to Radiofrequency Electromagnetic Fields). Die Studie gibt es im Volltext hier. In der Zusammenfassung heißt es:
Um die Wahrscheinlichkeit des Wiedersehens zwischen Besitzern und entlaufenen Haustieren zu erhöhen, werden Ortungsgeräte für Haustiere eingesetzt. Die Position des Haustiers wird von Satelliten (z. B. GPS) bestimmt und über Funkfrequenzen (HF) an ein Mobiltelefon übertragen. In dieser Studie wurden die Gesundheitsrisiken untersucht, die sich aus der Exposition gegenüber Funkfrequenzen ergeben, die von Radios, Fernsehern, Mobilfunknetzen, Geräten in Innenräumen (z. B. WLAN, Bluetooth), Mobiltelefonen und bei der Verwendung solcher Ortungsgeräte ausgesendet werden. Es wurde festgestellt, dass die Strahlenbelastung weit unter den internationalen Grenzwerten liegt, was bedeutet, dass gesundheitsschädliche Auswirkungen unwahrscheinlich sind. Das Risiko einer hohen Exposition von Haustieren wird hauptsächlich durch HF-emittierende Geräte in Innenräumen, wie WLAN-Geräte, verursacht. Diese Exposition kann durch eine Verringerung der Expositionszeit und eine Vergrößerung des Abstands zwischen dem Tier und dem HF-emittierenden Gerät begrenzt werden. Auch wenn die Exposition von Haustieren gegenüber hochfrequenten elektromagnetischen Feldern (HF-EMF) unter den Grenzwerten liegt und daher kein Gesundheitsrisiko darstellt, werden Empfehlungen für die Verwendung von Ortungsgeräten und die Begrenzung der Exposition gegenüber Geräten in Innenräumen gegeben.
So weit, so gut.
Wenn aber Bello und Mieze durch EMF kein Gesundheitsrisiko droht, warum dann die Empfehlungen zur Expositionsbegrenzung? Da das Wort Vorsorge (precaution) in der Arbeit nicht vorkommt, was ist es dann? Beim schnellen Querlesen der Arbeit wurde ich nicht schlauer, da die Empfehlungen am Ende des Textes den Schlussfolgerungen ohne Begründung hinzugefügt wurden. Aus meiner Sicht ist dies ziemlich irritierend weil widersprüchlich zum Befund. So wäre ich nicht weniger verdutzt, würde mein Internist mir ohne Begründung nach einer Untersuchung sagen, ich sei gesund, hätte das Idealgewicht, sollte aber ein paar Kilogramm abnehmen.
Tabelle 5 kurbelte meine Irritation weiter an. Die Studienautoren postulieren dort eine aus baubiologischer Geschäftssicht bereits "stark auffällige" Leistungsflussdichte von 100 µW/m² als erstrebenswert und leiten aus diesem Wert einen Sicherheitsabstand für Haustiere zur Emissionsquelle DECT von sage und schreibe maximal 35 Meter ab (minimal 7 Meter). Würde ich diesen Rat beherzigen, wäre ich unsere Haustiere los, denn unsere beiden Vierbeiner müssten bei 35 Metern nicht ein Haus weiterziehen, sondern zwei. Doch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit würde selbst das die Hunde nicht retten, hat doch so gut wie jeder heute ein Schnurlostelefon nach DECT-Standard.
Mit Verlaub: Einfach mal so nebenbei für Haustiere einen hypothetischen Sicherheitsabstand von 35 Metern um Schnurlostelefone in die Welt zu setzen halte ich für höheren Blödsinn und für einen tiefen Kratzer im Lack dieser Studie. Kleinere Kratzer wären mMn die unsinnig genau (teilweise mit Nachkommastelle) genannten schwachen Immissionswerte, mit der die Autoren unfreiwillig zu erkennen geben, dass ihnen die Messfehler von Immissionsmessungen (ca. ±50 Prozent) nicht geläufig sind. Eine weitaus tiefere Fallgrube scheinen die Autoren indes erkannt zu haben, nämlich dass ein gegebener Leistungsflussdichtewert bei Hunden und Katzen wegen ihrer geringeren Größe (bei üblichen Mobilfunkfrequenzen) einen höheren SAR-Wert bewirkt als bei Menschen.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –