Wir üben Desinformieren (7): Advertorial verfassen (Allgemein)
Nahezu wöchentlich erreichen uns Anfragen, ob wir bereit sind, gegen Entgelt Advertorials von Fremdautoren auf der IZgMF-Website zu veröffentlichen. Nein, sind wir nicht. Denn Advertorials sind das Krebsgeschwür der Medien, weil sie versteckte Werbung (Advertisement) sind, die in redaktionelle Beiträge (Editorials) eingestreut wird. Um die Illusion zu optimieren, sehen Advertisements üblicherweise in Typografie und Layout auch so aus, als wären sie echte redaktionelle Beiträge.
Legal sind Advertorials dann, wenn sie als solche kenntlich gemacht werden. Dafür gibt es vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft zwar Regeln, die jedoch nicht jedermann befolgt. Nicht selten werden Advertorials deshalb gar nicht oder nur der Form halber kenntlich gemacht. Je trickreicher die Verschleierung, desto mehr berechtigte Zweifel darf man an der Seriosität des Mediums haben.
Ein Advertorial zu schreiben ist nicht schwer, wir üben das jetzt mal mit ein paar Stichpunkten.
► Das A&O eines Advertorials ist eine Titelzeile, die unsere Opfer neugierig macht. Da wir hier in einem Elektrosmog-Forum sind lassen wir es mit einem dazu passenden Thema krachen und titeln zum Beispiel: Angst vor Elektrosmog: Machen uns 5G, WLAN und Co. krank?
► Jetzt brauchen wir irgendein seriös wirkendes Blabla, das halbwegs zur Titelzeile passt und den Lesen den Eindruck vermittelt, sie würden von uns mit exklusiven Informationen versorgt. Wenn uns nichts selber dazu einfällt ist es keine Sünde, im www zu wildern und sich dort irgendwelches passendes Material zusammen zu suchen. Es muss ja schnell gehen, denn die Honorare für Advertorial-Schreiber sind nicht so üppig, dass wir stundenlang an einem Text herumdoktern können. Damit ein Plagiat nicht auffällt, formulieren wir geangelte Texte vorsorglich ein bisschen um.
► Steht der redaktionelle Teil unseres Advertorials, ist das Schlimmste schon geschafft. Nun müssen wir noch das Produkt oder die Dienstleistung unseres Kunden irgendwie in den redaktionellen Text so einweben, dass der Übergang von Redaktion zu Werbung möglichst unauffällig ist. Einfach und deshalb beliebt ist es, einer passenden Textpassage, etwa die Phrase "Schutz vor Elektrosmog" mit einem Link zur Website unseres Auftraggebers zu hinterlegen. Wir können die Ware oder Dienstleistung aber auch klar beim Namen nennen, den Link zum Anbieter hinterlegen und mit dem Hinweis, es handle sich hier um ein "Beispiel", den Eindruck von Schleichwerbung mildern. Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt, je geschickter wir unsere Werbung tarnen, desto erfreuter wird unser Auftraggeber sein.
► Die Antwort auf die Gewissensfrage, ob wir unser Advertorial nun hinreichend kenntlich machen oder nicht, hängt von unseren Skrupeln ab. Sind wir frei davon, lassen wir jeden Hinweis weg und hoffen, ungeschoren davon zu kommen.
Von der Theorie zur Praxis
Wie ein reales Advertorial mit Elektrosmog als Köder aussieht kann man sich bei Xing ansehen. Bis zum letzten Absatz ist dort nicht ersichtlich, worauf die Autorin abzielt. Der Text ist zwar tendenziell klar besorgniserregend und teilweise wortwörtlich von einer anderen Quelle kopiert worden, die kritische Textpassage zu einer Behauptung Buchners beruhigt jedoch erfolgreich den misstrauischen Wächter an der Pforte zu unserem Hirn. Gut gemacht.
Im letzten Absatz zeigt die Autorin weniger Geschick, sie nennt dort ihren Auftraggeber aufdringlich in Versalien und drischt wenig behutsam mit der Strahlenkeule auf ihre Leser ein, um diese für die Produkte des Auftraggebers empfänglich zu ängstigen. Kein Fingerspitzengefühl auch unter "Weiterführende Informationen". Das Buch von Quatschkopf Buchner mit Krout führt nicht weiter, sondern nur in die Abgründe unqualifizierter Mobilfunkgegner, Eigenwerbung der Autorin ist dort fehl am Platz und der Tipp "Was Sie vor dem Kauf einer Neubauwohnung wissen sollten" hat viel mit dem Auftraggeber und wenig mit Elektrosmog zu tun.
Selten und deshalb interessant ist der akademische Titel der Autorin, der an exponierter Stelle auch unübersehbar genannt wird. Kein Zufall, denn im traditionell autoritätsgläubigen Deutschland dürfte Frau Hildebrandt allein schon mit ihrem Titel unachtsame Leser einwickeln. Beim Thema Elektrosmog hat sie als Dr. phil. indes keinen Kompetenzvorsprung gegenüber anderen fachlichen Laien.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –