Faktencheck: Wo hat Büchi seine Information her? (Allgemein)
Und nun? Wo hat Büchi seine Information her? Gute Frage, nächste Frage ...
Eine öffentliche Nachfrage von heute beim "Beobachter" ergab: Die Quelle liegt der Redaktion als gedrucktes Dokument vor, darin die fragliche Textpassage aufzufinden sei zu aufwendig. Ja, wenn das Dokument umfangreich ist, kann ich das nachvollziehen. Des Rätsels Lösung steckt im folgenden Satz der Antwort:
Inhaltlich und im Zitat wird in der entsprechenden Passage ausgesagt, was die Forschungsstelle Mobilfunk der Uni Aachen mehrfach festgestellt hat: Für adaptive 5G-Antennen gibts - oder gabs mindestens bis vor einem Jahr - kaum eine verlässliche Messmethode, um die im Betrieb tatsächlich anfallenden Belastungswerte zu ermitteln.
Das kann man, meine ich, so gelten lassen. Denn gültig für die Schweiz hat das Metas in seinem technischen Bericht «Messmethode für 5G-NR-Basisstationen im Frequenzbereich bis zu 6 GHz» vom 18. Februar 2020 und im Nachtrag vom 15. Juni 2020 erstmals beschrieben, wie bei unterschiedlichen 5G-Antennendiagrammen auf den Beurteilungswert hochgerechnet werden kann. In der Schweiz platzte also der 5G-Messknoten Anfang 2020. Aber: Chefredakteur Büchi erweckt in seinem Kommentar vom 25. Februar 2021 den Eindruck, er rede vom aktuellen Status der 5G-Messverfahren, tatsächlich beschreibt er dort jedoch einen veralteten Status, der spätestens Anfang 2020 seine Gültigkeit verloren hat! Da ist er im Eifer des Gefechts übers Ziel hinausgeschossen. Dennoch halte ich Andres Büchi für einen integren Journalisten. Doch auch Fake-News-Setzer bedienen sich aus dem Zusammenhang gerissener veralteter (authentischer) Aussagen, um die öffentliche Meinung zum Nachteil anderer zurecht zu kneten wie dieses aktuelle Beispiel zeigt.
Wer jetzt denkt, Schweizer seien 2019/2020 möglicherweise einer unkontrolliert hohen 5G-Immission ausgesetzt gewesen, der irrt. Denn das Bafu hat bis zur Vorlage der 5G-Vollzugsempfehlungen im Februar 2021 5G-Antennen sicherheitshalber nur unter der Bedingung zugelassen, dass diese Antennen wie herkömmliche Antennen ohne Beamforming beurteilt werden. Dies war sicher, da die tatsächliche Immission adaptiver 5G-Antennen dadurch stark überschätzt und die maximale Sendeleistung folglich stark reduziert wurde. Logisch, dass die Mobilfunknetzbetreiber über diese Kastration ihrer adaptiven Antennen wenig begeistert waren und auf eine Vollzugsempfehlung drängten, die das Beamforming angemessen berücksichtigt.
Eine dazu von der RWTH für Februar 2021 angekündigte Publikation steht offiziell noch immer aus, mutmaßlich handelt es sich dabei jedoch um diesen gut verständlichen Fachbeitrag (Von schwenkenden Beams und hohen Datenraten, PDF-Datum 16. Februar 2021), der Büchis dramatische Zeilen freilich in keiner Weise bestätigt.
Kurios: Auch die Redaktion des "Beobachter" verweist in ihrer Antwort auf den verlinkten RWTH-Artikel, obwohl dieser, weil jung, Büchis dramatische (veraltete) Angaben über einen früheren 5G-Wissensstand der RWTH nicht stützt.
Auf Nachfrage bestätigte die RWTH mir heute, der verlinkte Artikel ist identisch mit dem angekündigten Artikel und wurde bereits in Ausgabe 2/2020 der "RWTH-Themen" veröffentlicht. Corona brachte den Zeitplan durcheinander, deshalb erschien diese Ausgabe verspätet erst im Februar 2021. Heißt, in der kommenden Ausgabe 1/2021 der RWTH-Themen erscheint kein weiterer Artikel über die 5G-Forschung der RWTH.
Hintergrund
170. Gigaherz: Die Unterstellungen des Hans-Ulrich Jakob (I)
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
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- Faktencheck: Seltsame Stimmen in der 5G-Debatte -
H. Lamarr,
28.05.2021, 00:32
- Faktencheck: Wo hat Büchi seine Information her? - H. Lamarr, 28.05.2021, 23:23