Neues von Berenis (25): Mai 2021 (Forschung)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 27.05.2021, 20:58 (vor 1318 Tagen)

Im Zeitraum von Mitte Juli bis Mitte Oktober 2020 wurden 108 neue Publikationen identifiziert, von denen acht von BERENIS vertieft diskutiert wurden. Drei davon sind gemäss den Auswahlkriterien besonders relevant. Sie wurden somit zur Bewertung ausgewählt und werden im Folgenden gekürzt vorgestellt (ungekürzter Berenis-Newsletter).

Experimentelle Tier- und Zellstudien

Verstärkte Entzündungsreaktion durch Exposition mit einem hochfrequenten elektromagnetischen Feld zusammen mit Feinstaub (Sueiro-Benavides et al. 2020)
Ein interessanter experimenteller Ansatz wurde in der Studie von Sueiro-Benavides et al. (2020) in kultivierten Zellen des Immunsystems angewendet. Es wurde die kombinierte Wirkung zweier Umweltfaktoren (HF-EMF und ein Modell für Russ) untersucht. Dazu haben die Autoren eine Makrophagen-Zelllinie der Maus (RAW 264.7) gleichzeitig einem 2,45-GHz-HF-Feld (SAR 0,4 W/kg) und zwei unterschiedlichen Konzentrationen von Russpartikeln ausgesetzt. Die Exposition dauerte 24 oder 72 Stunden, anschliessend wurden verschiedene Zellreaktionen mit Einzel- und Kontrollbehandlungen verglichen. Eine alleinige 24-stündige-HF-EMF-Exposition hatte keinen Einfluss auf die Vitalität der Zellkulturen, wohingegen die höhere Konzentration der Russpartikel zu einer Abnahme der Vitalität führte, welche durch die Kombination beider Faktoren noch verstärkt wurde. Exposition von 72 Stunden zeigten das gleiche Muster, wobei aber bei der tieferen Konzentration der Russpartikel der verstärkte Effekt durch die Kombination nicht festgestellt wurde und auch HF-EMF alleine zu einer leichten Reduktion der Vitalität der Kulturen führte. In Übereinstimmung mit diesen Beobachtungen wurden auch leichte Veränderungen des Apoptose-Markers Caspase 3 festgestellt. Im Weiteren wurde untersucht, wie sich die Exposition auf die Entzündungsreaktion auswirkt. Dazu wurden entsprechende Marker für Entzündungen wie TNFα (tumor necrosis factor α),IL-1β (Interleukin-1β) und Stickstoffmonoxid (NO) gemessen. Im Vergleich zur tieferen Russpartikeldosis löste die 24-stündige HF-EMF-Exposition einen ausgeprägteren Anstieg der Entzündungsmarker aus, und die Kombination beider Umweltfaktoren führte zu einer Verstärkung der NO-Bildung, aber nicht zu mehr TNFα und IL-1β. Für die NO-Analyse wurden zusätzlich noch Lipopolysaccharide (LPS) aus Bakterienzellwänden verwendet, um die Immunreaktion zu forcieren. Die Veränderungen dieser Immunparameter schlugen sich auch auf die Fressaktivität (Phagozytose) der Makrophagen nieder. So nahmen die HF-EMF-exponierten Zellen signifikant mehr der Russpartikel auf als die nicht befeldeten Kontroll-Zellen. Die Beobachtungen dieser Publikation sind insofern von Bedeutung, weil eine Kombination von verschiedenen Umwelteinflüssen einem realistischen Expositions-Szenario entspricht. [...]

Pflanzenstudie zu Cryptochrom und hochfrequenten elektromagnetischen Feldern (Albaqami et al. 2020)
Die Studie von Albaqami et al. (2020) ist zwar nicht relevant für die menschliche Gesundheit, aber sie zeigt einmal mehr, dass Wahrnehmung von Magnetfeldern durch den Cryptochrom- (CRY) Rezeptor vermittelt wird, einem evolutionär konservierten Flavo-Protein, das nicht nur in Säugetieren und Vögeln, sondern auch in Pflanzen existiert. Schotenkresse wurde für insgesamt 90 Minuten sechs Zyklen Blaulicht ausgesetzt (jeweils 5 Minuten Blaulicht, 10 Minuten dunkel). Die gleichzeitige EMF-Exposition (insgesamt 4 Wochen) bei 7 MHz, 2 μT oder einem schwachen Magnetfeld mit einer Feldstärke von 200 nT während einer Woche reduzierte die biologische Antwort auf Blaulicht via CRY1-Aktivität in den Setzlingen. Dieser Effekt war bei einer Ausrichtung des künstlichen Magnetfeldes zum Erdmagnetfeld von 90° ausgeprägter als bei einer Ausrichtung von 180°. Blaulicht bedingte eine Wachstumshemmung durch eine vermehrte CRY-Aktivität. HF-EMF sowie das Magnetfeld von 200 nT hemmten die Phosphorylierung von CRY1, und aktivierten damit den CRY1-Rezeptor. Nach HF-EMF-Exposition wuchsen die jungen Pflanzen schneller. [...]

Experimentelle Humansstudien

Wenig Hinweise auf Auswirkungen von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern auf den Schlaf von gesunden jüngeren und älteren Männern (Eggert et al. 2020)
In dieser Studie wurde untersucht, ob mögliche Auswirkungen von HF-EMF bei Männern altersabhängig sind. Dazu wurden Daten von drei doppelblind und randomisiert durchgeführten Experimenten analysiert. Je 30 jüngere (Durchschnittsalter 25,5 Jahre; 2 Gruppen) und ältere (Durchschnittsalter 69,1 Jahre) Männer wurden für 30 Minuten vor dem Schlafen und während der ganzen Nacht zwei Arten von HF-EMF und einer Kontrollbedingung ohne Feld ausgesetzt. Bei den HF-EMF-Bedingungen handelte es sich um GSM900 (SAR 2 W/kg) und Tetra (SAR 6 W/kg). Schlafdaten von je neun Nächten (drei Blöcke mit drei Bedingungen) wurden pro Proband registriert. In der Kontrollbedingung zeigten sich klare physiologische Schlafunterschiede zwischen jüngeren und älteren Männern, wie sie zu erwarten waren (bei den Älteren z.B. kürzere Schlafzeiten, längere Einschlaflatenz, fragmentierterer Schlaf, geringere Schlafeffizienz, weniger Tiefschlaf). Die Tetra-Exposition führte in beiden Altersgruppen zu einer signifikanten Verkürzung der Schlaflatenz (Dauer bis zum konsolidierten Schlaf), was als schlaffördernder Effekt betrachtet werden kann. GSM900-Exposition hatte keine Auswirkung auf objektive Schlafparameter. [...] Die sporadisch aufgetretenen signifikanten Testresultate können aufgrund der grossen Anzahl durchgeführter statistischer Tests auch als zufällig interpretiert werden. Die Effektgrössen waren jeweils gering.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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