Mobilfunk-Bienenstudien: Verdacht auf Ablenkungsforschung (Forschung)

H. Lamarr @, München, Freitag, 19.02.2021, 19:08 (vor 1374 Tagen)

Arte-Dokumentation Forschung, Fake und faule Tricks, verfügbar vom 16/02/2021 bis 23/04/2021. Nächste Ausstrahlung am Dienstag, 23. Februar um 21:45

Ob Asbest, CO2-Emissionen, 5G oder Corona: Im immer hitzigeren Ringen um die Wahrheit kommt der Wissenschaft die fragwürdige Rolle des Meinungsmachers zu, und dazu wird sie nach Belieben beeinflusst, manipuliert und untergraben. Die Reportage zeigt anhand mehrerer großer Umwelt- und Gesundheitsskandale die Strategien zur Instrumentalisierung der Wissenschaft.

Warum dauerte es Jahrzehnte, bis Tabak offiziell als gesundheitsschädlich eingestuft wurde? Warum glauben viele Leute noch immer, der Klimawandel sei nicht menschengemacht? Warum wollen wir nicht wahrhaben, dass Pestizide für das Bienensterben verantwortlich sind, obwohl dies durch zahlreiche Studien hinreichend belegt wurde? Nie war die wissenschaftliche Erkenntnis so groß, nie haben sich mehr Kontroversen an ihr entzündet. Warum werden wissenschaftliche Fakten immer wieder angezweifelt?

Dass die Industrie der Öffentlichkeit Erkenntnisse vorenthält, die ihren Profit schmälern könnten, wundert niemanden mehr; ebenso wenig, dass sie die öffentliche Debatte bewusst fehlsteuert, um politische Entscheidungen zu verzögern. Aber welche ausgefeilten Strategien sie einsetzt, um die Wissenschaft für ihre Zwecke zu missbrauchen, war bislang nicht bekannt. In immer mehr Organisationen werden gezielt wissenschaftliche Fakten angezweifelt, um den Fortschritt in sensiblen Bereichen zu behindern.

Interdisziplinäre Forscher haben sich mit der bewussten Produktion von Nichtwissen befasst und legen die dahinterliegenden Mechanismen offen. Am Beispiel spektakulärer Gesellschaftsskandale entlarven Agnotologen die Methoden der Wissensbehinderung: Es werden "Nebelkerzen" geworfen, Datenreihen frisiert und Versuchsprotokolle gefälscht. Dabei zeigt sich jedoch auch, wie unbewusste Denk- und Verhaltensmuster die Menschen veranlassen, die Unwissenheit zuweilen dem Erkenntnisgewinn vorzuziehen. Die Dokumentation klärt wissenschaftlich und unparteiisch über ein Räderwerk auf, an dem alle mitdrehen.

Kommentar: Ich habe mir am Anfang (vorerst) nur kurz eine Passage aus der Doku angeschaut, in der es um ein Massensterben von Honigbienen geht. Dabei staunte ich nicht schlecht. Denn Forscher fanden einen Zusammenhang mit einer damals neuen Sorte von Pestiziden (Neonicotinoide). Ab Minute 6:55 dann der Knalleffekt: Kaum war die Ursache des Massensterbens wissenschaftlich formuliert, dies war bereits Anfang der 2000er-Jahre der Fall, stieg die Anzahl der privaten und öffentlichen Studien, die andere Ursachen als die Pestizide untersuchten, sprunghaft an. Plötzlich schien das Problem ganz woanders zu liegen. Dieser Meinung schlossen sich, was für ein Zufall, auch die Pestizidhersteller an.

Die zahlreichen Versuche, Mobilfunk als Ursache des Bienensterbens mithilfe von Mobilfunkgegnern plausibel erscheinen zu lassen, sind hier jedem Stammleser bekannt. Da liegt der Gedanke nahe: Was die Schweizer Daniel Favre und Hans-U. Jakob fabriziert haben ist nichts anderes als die von der Tabakindustrie bekannte Ablenkungsforschung, um den eigentlichen Verursacher aus dem Schussfeld zu bringen :surprised:. Forumteilnehmer "sektor3" (Hinweis: Link führt nur nach Login ins Forum zum Ziel) hat uns vor Jahren mit vielen Originalbelegen aus der Tobacco-Library für die Ablenkungsforschung der Tabakindustrie sensibilisiert.

Sollte der Verdacht zutreffen, hat die Agrarchemie die alten Tricks der Tabakindustrie einfach 1:1 kopiert. Und bei der Kopie passt alles nahtlos zusammen: Es gibt kommerzielles Interesse, Täter, Helfer und Kolporteure, die für die Verbreitung des Mobilfunk-killt-Bienen-Fakes sorgen. Ob Favre und/oder Jakob ihre beunruhigenden "Bienenstudien" im Auftrag von Hintermännern produzierten weiß ich nicht, besonders bei Jakob fällt es mir schwer, dies anzunehmen. Beide sind aus meiner Sicht von professioneller Forschung weiter weg als der Mond von der Erde, ich sehe sie deshalb eher als Trittbrettfahrer, die ihre fixe Idee "Mobilfunk killt Bienen" mit dilettantischen Mitteln nur deshalb "belegen" konnten, weil das Ergebnis ihrer Experimente wegen mächtiger Voreingenommenheit schon feststand, bevor die Experimente begonnen wurden.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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