Baurekursgericht Zürich watscht Gigaherz-Jakob ab (Technik)
Der Präsident des Vereins Gigaherz ist deshalb eine so beliebte Zielscheibe für Spott, weil er – selbst mit bestem Willen daneben zu schießen –, nicht zu verfehlen ist. In seiner jüngsten Steilvorlage glaubt der Ex-Elektriker aus Schwarzenburg allen Ernstes, das Zürcher Baurekursgericht hätte ein sensationelles Geständnis abgelegt, indem es mit einem Urteil vom Juli 2020 eine seiner Behauptungen für richtig erklärte. Das ist natürlich völliger Blödsinn.
Die Jubelmeldung des Gigaherz-Präsidenten gibt es auf seiner Website zu lesen. Da sie wie üblich wirr und ausschweifend ist, ist auch die Widerlegung ein leider etwas umständliches Unterfangen. Ich versuche es so kurz wie möglich zu halten.
Seit eh und je behauptet Jakob als einziger Mensch auf der Welt, von ein paar seiner verstörten Anhänger abgesehen, die Schweizer Vorsorgewerte, auch unter dem Synonym Anlagegrenzwerte bekannt (4 V/m bis 6 V/m) wären eine üble Mogelpackung ohne Schutzwirkung. Er begründet dies stets damit, auch die hohen Immissionswerte (max. 61 V/m) anderer Länder würden dort, wo sich Menschen dauerhaft aufhalten könnten, auf ähnlich niedrige Werte fallen wie die Schweizer Anlagegrenzwerte. Maßgebend dafür sei a) die Schwächung der Funkwellen durch die Bausubstanz von Häusern und b) die Richtungsabschwächung, die technisch bedingt abseits der Hauptstrahlrichtung einer jeden Antenne auftritt. Wegen dieser beiden Faktoren würden selbst hohe Feldstärken eines Mobilfunksenders "von ganz allein" und ohne die Einführung von Vorsorgewerten auf erheblich niedrigere Werte fallen. Dies predigt Jakob seit etwa 17 Jahren unbeirrt gegen die Schweizer Vorsorgewerte, obwohl ihm das Schweizer Bundesgericht bereits 2004 einen kapitalen Denkfehler nachgewiesen hat –, um den es jetzt und hier jedoch nicht geht.
Dass die Leistungsdichte von Funkwellen dem Abstandsgesetz 1/r² folgt ist unbestritten, die Grundlage für diese Erkenntnis legte jedoch nicht Jakob, sondern bereits 1785 der französische Physiker Charles Augustin de Coulomb. Gleichwohl sieht sich Jakob als der Erleuchtete, der als erster Mensch die Schweizer Vorsorgewerte als Mogelpackung entlarvte. Und deshalb kokettiert der Grenzwertschwindler frei nach der Devise "Angriff ist die beste Verteidigung":
Was musste sich doch der Präsident von Gigaherz wegen der Aufdeckung dieses Schwindels alles anhören. Im Internet versuchte man ihn mit übelsten Schimpfworten mundtot machen. Vom pensionierten Dorfelektriker bis hin zum dementen Dattergreis oder Sektenbruder und Rechtsextremist musste er sich anhören. Sogar Pillen gegen Alzheimer wurden ihm wärmstens empfohlen. Bis hin zur angedrohten Gefährdungsmeldung an die KESB.
Hallo Leser, noch bei der Stange? Gut, dann kommen wir jetzt endlich zur Sache, nämlich zu Jakobs vermeintlicher Siegesmeldung, die im Kern lautet:
Und jetzt kommt Unterstützung von völlig unerwarteter Seite. Nämlich ausgerechnet vom Baurekursgericht des Kantons Zürich, welches in über 100 Urteilen noch nie eine Beschwerde gegen den Bau von Mobilfunkmasten gutgeheissen hat und in Kreisen der Mobilfunk-Skeptiker als durch und durch korrupt betrachtet wird.
Steht doch da in den Urteilen Nr. 0109/2020 und 0110/2020 in Kapitel 9.3
Zitat: Im Falle, dass einzig Immissionsgrenzwerte einzuhalten sind, (von 40-60V/m, Red) kann es zwar durchaus vorkommen, dass bei einem Standort auf Grund dessen Distanz und Lage zur Antenne und der sich daraus ergebenden Richtungsabschwächung ein mit den Schweizerischen Anlagegrenzwerten vergleichbarer Wert (von 4-6V/m, Red) resultiert. Allerdings kann dieses – im Gegensatz zu einer Regelung mit zusätzlichen Anlage-Grenzwerten wie in der Schweiz – nicht garantiert werden. Ende Zitat.
Das muss man sich mal auf der Zunge vergehen lassen. Da kommt erstmals nach 20Jahren ein Schweizer Gerichtshof zum Schluss, der Gigaherz-Jakob hat also doch recht, bloss garantieren kann man das (noch) nicht.
Doch, doch garantieren lässt sich das sehr gut. Erstens durch Berechnung, so man dazu fähig ist und zweitens durch Nachmessen mittels guter Messgeräte, so man solche hat.
Es ist geradezu grotesk, wie der Gigaherz-Präsident den zitierten Text des Gerichts falsch versteht und zu seinen Gunsten ins Gegenteil uminterpretiert, denn in Wahrheit watscht auch das Baurekursgericht Jakob nicht weniger ab als 2004 das Bundesgericht. Überzeugen Sie sich selbst! Im Urteil 109/2020 vom 16. Juli 2020 lautet die von Jakob zitierte Textpassage im Kontext:
[...] dass der Verordnungsgeber erkannt habe, dass mit der blossen Übernahme der ICNIRP-Grenzwerte mit Blick auf mögliche nicht-thermische Wirkungen der Schutz vor nichtionisierender Strahlung lückenhaft wäre. Er habe daher zusätzlich vorsorgliche Emissionsbegrenzungen angeordnet (Art. 4 NISV), die das Risiko schädlicher Wirkungen, die zum Teil erst vermutet würden und noch nicht absehbar seien, möglichst gering halten sollen. Für verschiedene Kategorien von Anlagen bestimme sich die vorsorgliche Emissionsbegrenzung auf Grund besonderer Anlagegrenzwerte (Art. 4 Abs. 1 NISV), bei den übrigen Anlagen seien die Emissionen so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar sei (Art. 4 Abs. 2 NISV). Mit diesen zusätzlichen Emissionsbegrenzungen trage die neue Verordnung dem Vorsorgeprinzip Rechnung (Art. 1 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 2 USG) und konkretisiere die im Sinne der Vorsorge erforderlichen Massnahmen. Entgegen den rekurrentischen Vorbringen ist es aufgrund der zusätzlichen Festlegung von Anlagegrenzwerten tatsächlich so, dass hierzulande strengere Anforderungen hinsichtlich der Emissionsbegrenzung gelten als in Ländern, in welchen einzig Immissionsgrenzwerte festgelegt wurden. Dies deshalb, weil mit der Festlegung von Anlagegrenzwerten diese in jedem Fall einzuhalten sind. Im Falle, dass einzig Immissionsgrenzwerte einzuhalten sind, kann es zwar durchaus vorkommen, dass bei einem Standort aufgrund dessen Distanz und Lage zur Antenne und der sich daraus ergebenden Richtungsabschwächung ein mit den schweizerischen Anlagegrenzwerten vergleichbarer Wert resultiert. Allerdings kann dies – im Gegensatz zu einer Regelung mit zusätzlichen Anlagegrenzwerten wie in der Schweiz – nicht garantiert werden. [...]
Jeder verständige Mensch kann diesem Text des Gerichts entnehmen, dass Gigaherz-Jakob nicht (mehr) imstande ist, den Inhalt richtig zu rezipieren. So stellt das Gericht zweifelsfrei fest ...
► die Anlagegrenzwerte der Schweiz setzen strengere Anforderungen hinsichtlich der Emissionsbegrenzung als in anderen Ländern.
► die Schwächung von Funkwellen kann auch im Ausland aufgrund von Distanz und Lage eines Messorts zur Antenne und der sich daraus ergebenden Richtungsabschwächung zu einem den schweizerischen Anlagegrenzwerten vergleichbaren Wert führen, der im Ausland jedoch nicht garantiert werden könne. Anmerkung Postingautor: Die Unverbindlichkeit niedriger Immissionswerte im Ausland ist trivial, da ein Mobilfunknetzbetreiber die Konfiguration eines Standorts jederzeit in Abstimmung mit der Regulierungsbehörde in Richtung höherer Immissionen ändern kann, solange die Gesamtimmission für Anwohner unterhalb der Immissionsgrenzwerte (max. 61 V/m) bleibt.
► in der Schweiz garantieren die Anlagegrenzwerte, dass die Immission an einem Omen nicht über maximal 6 V/m steigt.
► die im Urteil behandelten Beschwerden wurden vom Gericht samt und sonders abgewiesen, auch wenn Jakob versucht, den gegenteiligen Eindruck zu erwecken. Aus gutem Grund setzt er deshalb keinen Link auf das Urteil, um seinen Lesern die Prüfung seiner Faktenverdrehungen zu erschweren.
Von Jakobs vermeintlicher Siegesmeldung bleibt somit nur ein Häufchen rauchender Asche übrig, nichts von dem, was er in das Urteil hinein interpretiert, trifft für die Schweiz zu. Mutmaßlich verhindert das unterentwickelte Textverständnis des Gigaherz-Präsidenten, dass er erkennen konnte, die Ausführungen des Gerichts, an denen er sich berauscht, gelten nicht für die Schweiz, sondern für andere Staaten wie Deutschland, die keine Anlagegrenzwerte kennen.
w.z.b.w.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
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H. Lamarr,
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