Replikationskrise (Forschung)
Es ist schon länger ein Thema, nun haben es Forscher systematisch analysiert: 70 Teams haben denselben Datensatz von fMRI-Hirnbildern ausgewertet und kamen auf unterschiedliche Ergebnisse.
[...]
In einer Meta-Analyse der Hirnaktivierungskarten war die Übereinstimmung bezüglich der aktivierten Hirnregionen allerdings grösser, als man von den auf Ja-Nein-Antworten beruhenden Ergebnissen denken würde. Wenn man immer nur auf den p-Wert schaue – also auf den Wert, der die Signifikanz angibt –, gingen viele Informationen unter, sagt der Neuropsychologe Lutz Jäncke von der Universität Zürich, der nicht an der Arbeit beteiligt war. «Starke Effekte sieht man mit allen Auswertungsmethoden. Das Problem liegt bei den fragilen, kleinen Effekten, die können im Rauschen verloren gehen, in der Meta-Analyse werden sie dagegen sichtbar.»
Oft werden aber auch Effekte gefunden, die keine sind. «Dagegen helfen nur Replikationsstudien», sagt Jäncke. Solche Wiederholungen von Studien werden seit Jahren gefordert und auch vermehrt durchgeführt. Lange wurden in der Wissenschaft nur Studien publiziert, die einen Effekt aufzeigen, die also beispielsweise einen Zusammenhang zwischen einem Verhalten und einer neuronalen Signatur finden. Das schafft den Anreiz, die Daten so auszuwerten, dass solch ein Zusammenhang hervortritt. In vielen Fällen konnte dieser von anderen Forscherteams später aber nicht repliziert werden. Dieses Problem ist in allen Bereichen der Lebenswissenschaften schon länger ein Thema und unter dem Begriff der Replikationskrise bekannt.
Die Kritik an den fMRI-Studien flammt alle paar Jahre wieder auf, wenn Studien darauf hinweisen, auf welch wackligen Füssen manche Ergebnisse stehen. Vor vier Jahren etwa sorgte eine Arbeit von Anders Eklund aus Schweden für Furore, die zeigte, dass gewisse Analyseschritte bei der Auswertung von fMRI-Daten zu 70 Prozent falsch positiven Ergebnissen führen können.
[...]
Quelle: Neue Zürcher Zeitung (NZZ) vom 5. Juni 2020