Sendeleistung bei Mobiltelefonen begrenzen (Technik)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 10.05.2020, 18:41 (vor 1966 Tagen)

Inzwischen sollte es sich herumgesprochen haben: Nicht das Mobiltelefon entscheidet, mit welcher Leistung es situationsabhängig sendet, sondern die jeweilige Mobilfunkbasisstation übernimmt diesen wichtigen Job. Wenig bekannt ist hingegen, dass Mobilfunknetzbetreiber die maximale Sendeleistung von Mobiltelefonen offenbar auch nach belieben deckeln können.

Anlässlich einer anderen Recherche verwies mich das Bundesamt für Strahlenschutz auf das Forschungsprojekt Bestimmung der SAR-Werte, die während der alltäglichen Nutzung von Handys auftreten, das für das Deutsche Mobilfunkforschungsprogramm in Auftrag gegeben wurde.

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Das Diagramm zeigt, wie sich die Empfangs- und Sendeleistung eines GSM-Mobiltelefons änderte, als 2005 eine Person mit dem Telefon in der Halle 13 der Hannover-Messe umher spazierte. Die Halle wurde seinerzeit von mehreren GSM-Baisstationen versorgt, so dass bei einem Streifzug durch die Halle Zellenwechsel und das Verhalten der Sendeleistungsregelung gut beobachtet werden konnte.

In dem Diagramm erkennt man ein interessantes Netzregelungsverhalten, das seinerzeit ein D-Netzbetreiber für sein GSM-Netz vorgegeben hat. Die Basisstationen wurden so programmiert, dass sie anscheinend einem Mobiltelefon eine maximale Sendeleistung von nur 0,5 Watt bewilligten. Die eingestellte maximale Sendeleistungsbegrenzung gilt für alle in dieser Zelle eingebuchten Telefone, sei es ein fest eingebautes Autotelefon (das mit z. B. 5 Watt senden könnte) oder für ein GSM-Mobiltelefon, das mit maximal 2 Watt senden kann. Aber: Der Parameter der Basisstation, der die maximale Sendeleistung für das Endgerät vorgibt, wurde im Datensatz für das Projekt nicht aufgezeichnet, so dass die Reduzierung der Maximalleistung zwar beobachtet wurde, aber nicht definitiv gesagt werden kann, dass eine Sendeleistungsbegrenzung durch die Basisstation vorlag. Die mittlere Sendeleistung eines bei diesem Netzbetreiber eingebuchte Mobiltelefons ist sehr gering, da zum einen die Sendeleistungsregelung bei gutem Empfang weit herunterregelt, zum anderen bei Zellwechsel oder ungünstigeren Empfangsbedingungen die maximale Sendeleistung bedingt durch die Vorgaben der Basisstation nur 0,5 Watt beträgt.

Sollte die Beobachtung den Tatsachen entsprechen und Netzbetreiber die maximale Sendeleistung eines Mobiltelefons beliebig drosseln können, gibt dies Stoff für Gedankenexperimente. Kostprobe: Sollte sich zweifelsfrei herausstellen, langjähriger Dauergebrauch von Mobiltelefonen steigere das Risiko von Hirntumoren in unzumutbarer Weise, könnten die Mobilfunknetzbetreiber weltweit theoretisch von einem Tag auf den anderen die maximale Sendeleistung sämtlicher Mobiltelefone auf niedrigere Wert senken und somit schnell auf die Forschungslage reagieren. Die unerwünschte Folge wäre: Zwangsläufig würde die Netzversorgung schlagartig schlechter, es käme vermehrt zu Verbindungsproblemen und -abbrüchen, denen mit einer weiteren Netzverdichtung entgegen gewirkt werden müsste. Nachvollziehbar, die Netzbetreiber werden diesen teuren Schritt nicht ohne Not freiwillig tun. Das fiktive Szenario könnte dennoch schon bald Realität werden, denn mit der 5G-Versorgung werden Kleinzellen in Ballungsgebieten so oder so kommen und schmerzfrei auch ohne Deckelung eine maßgebliche Sendeleistungsreduzierung bei Mobiltelefonen bewirken.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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