5G-Stopp in Brüssel: Versuchskaninchen müssen warten (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Montag, 03.02.2020, 23:27 (vor 1706 Tagen)

Auszug aus Welt vom 16. August 2019:

Selten gelingt es einer regionalen Umweltministerin mit einem einzigen Satz, in der ganzen Welt Schlagzeilen zu schreiben. Die Belgierin Céline Fremault, bis vor Kurzem in der Regionalregierung der Stadt Brüssel zuständig für Lebensqualität und Ökologie, schaffte das Ende März. Eine Anmerkung der 45-jährigen Juristin sauste wie ein Blitz durch ganz Europa, ja sogar bis Übersee: „Die Brüsseler sind keine Versuchskaninchen, deren Gesundheit ich für den Profit verkaufen kann“, hatte Fremault gesagt.

Zwar war das wohl nicht ganz so drastisch gemeint, wie es aus dem Zusammenhang gerissen klang. Dennoch wird Fremault bis heute oft und hartnäckig zitiert, selbst wenn sie nicht mehr im Amt ist, nachdem in Belgien Wahlen waren. Aber ihre Aussage kommt all jenen bestens zupass, die vor dem neuen Mobilfunkstandard 5G als Teufelszeug warnen.

Wer damals alles vom Fremault-Blitz getroffen wurde, lässt sich <hier> erforschen, bekannte 5G-Phobiker rangieren gegenwärtig auf eher hinteren Plätzen.

Nur zwei Monate nach ihrer denkwürdigen Entscheidung war für Fremault bereits Schicht im Schacht. Anlässlich der Parlamentswahlen in der Region Brüssel am 26. Mai 2019 eroberte ihre Partei Centre Démocrate Humaniste (CDH) im Brüsseler Regionalparlament nur sechs der 89 Sitze und die CDH wurde an der neuen Regierung nicht mehr beteiligt. Ihr Nachfolger ist Alain Maron (Ecolo), Fremault ist heute CDH-Fraktionssekretärin. Auch Maron hat jedoch keine Eile, 5G in Brüssel salonfähig zu machen.

Doch was im März 2019 anlässlich des Medienrummels um Fremaults Zitat völlig übersehen wurde: Die damalige Ministerin konnte sich risikolos für ihre Versuchskaninchen stark machen, denn seinerzeit war in Belgien die Versteigerung der 5G-Lizenzen noch nicht einmal in Sicht, geschweige denn vollbracht. Und dies ist auch heute noch so, in Belgien liegt das 5G-Pionierband 3,6 GHz noch immer brach. Wann die Versteigerung stattfinden wird ist ungewiss. Möglicherweise werden die 5G-Lizenzen mit 20 Jahren Laufzeit für die Frequenzen 700 MHz, 1400 MHz und 3,6 GHz erst im März 2021 versteigert, wenn auch die Lizenzen für 900 MHz, 1800 MHz und 2,6 GHz auslaufen und ohnehin neu vergeben werden müssen.

Die belgischen Mobilfunknetzbetreiber Orange, Proximum und Telenet ließen sich weder von der Ungewissheit der Lizenzvergabe noch von Fremaults 5G-Bann erkennbar beeindrucken, sie halten an ihren 5G-Plänen fest. Wahrscheinlich beruht diese Gelassenheit darauf, dass 5G auch in Belgien technologieneutral auf beliebigen Frequenzen erprobt werden kann und 5G bekanntlich in der ersten Ausbauphase, solange noch kein 5G-Kernnetz existiert (5G-NSA; non standalone) ohnehin huckepack auf den Schultern des 4G-Kernnetzes (LTE) daher kommt, dann zwar im Downlink schneller als 4G ist, nicht aber im Uplink. Erst später, ab 2021 soll 5G SA (standalone) kommen und alle Vorzüge von 5G bieten. Denkbar, dass in Belgien/Brüssel die NSA-Phase übersprungen wird, die Netzbetreiber dort nach der Lizenzvergabe unverzüglich mit 5G SA starten und so sprunghaft zu den Spitzenreitern im 5G-Rennen aufschließen.

Wie die Geschichte weiter ging erfahren Sie <hier>.

Hintergrund
‘No rush’ to bring 5G network to Brussels, says Environment Minister (10. Oktober 2019)
Belgium postpones 5G spectrum auction to 2020 or later (21. Januar 2019)

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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