Goldenes Brett vorm Kopf: Prozesshansel ausgezeichnet (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 09.01.2020, 22:22 (vor 1805 Tagen) @ H. Lamarr

Gehen einem die überzeugenden Sachargumente aus, lässt sich ein Meinungsstreit auf der Ebene der Justiz fortsetzen. Ex-Tabaklobbyist Franz Adlkofer ist diesen Weg im Streit um den Fälschungsverdacht gegenüber seinen Mobilfunkstudien ("Reflex"-Projekt) schon mehrfach gegangen, jetzt folgt ihm ein Hersteller von teuren Zuckerkügelchen.

Der Hersteller (Hevert) erhielt im Dezember 2019 in Wien für seine juristische Jagd auf Homöopathie-Kritiker den Schmähpreises "Goldenes Brett (vorm Kopf)". Franz Adlkofer ging leer aus. Was der Standard, Österreich, über die geistvolle Begründung der Preisvergabe berichtet, passt mMn jedoch 1:1 auch für den Ex-Tabaklobbyisten. Auszug:

[...] Den Hauptpreis vergab die Vereinigung GWUP (Gesellschaft zur Wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften) 2019 an den deutschen Homöopathika-Hersteller Hevert.

Zwischen Placebo- und Streisand-Effekt

Wenig überraschend sei noch, dass eine Firma, die homöopathische Präparate herstellt, von deren Wirksamkeit überzeugt ist, heißt es in der Begründung. Allerdings fordere das Unternehmen von Homöopathie-Kritikern juristisch Unterlassungserklärungen ein, wonach sie Aussagen wie "nicht über den Placeboeffekt hinaus wirksam" nicht mehr tätigen sollen.

Diese Vorgehensweise berge eine ernste gesellschaftliche Gefahr, so die GWUP: "Sie macht den rationalen wissenschaftlichen Diskurs unmöglich. 'Homöopathie wirkt nicht über den Placeboeffekt hinaus' ist eine wissenschaftliche Aussage, die man nach allgemein anerkannten Methoden prüfen kann." Wissenschaftliche Wahrheiten könnten nicht per Anwaltsbrief geklärt oder vor Gericht ausverhandelt werden, begründen die Initiatoren des Preises: "Sie sind, wie sie sind. Ob das irgendjemandem gefällt oder nicht, darf keine Rolle spielen." Mit derselben Logik könnten sonst Autofirmen Berichte über klimaschädliche Abgase unterdrücken oder Tabakkonzerne Studien über Lungenkrebs stoppen.

Etwas Positives habe das Hevert-Vorgehen aber: Der Satz "Homöopathie wirkt nicht über den Placeboeffekt hinaus" sei durch die Diskussion quasi zum geflügelten Wort geworden. Womit er zu einem schönen Beispiel für einen ganz anderen Effekt wird, benannt nach der US-Sängerin Barbra Streisand. Die hatte im Jahr 2005 versucht, per Klage die Veröffentlichung von Luftaufnahmen ihres Anwesens zu verhindern, was überhaupt erst die öffentliche Aufmerksamkeit darauf lenkte. Seitdem steht der Streisand-Effekt dafür, mit dem Versuch der Unterdrückung unliebsamer Informationen das genaue Gegenteil zu erreichen. [...]

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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