NIR vs. IR: Vergleichende Bewertung der Krebsrisiko-Evidenz (Forschung)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 27.08.2019, 22:30 (vor 1948 Tagen)

Gesundheitsrisiken sind in unserer Lebenswelt allgegenwärtig und unvermeidbar. Wir alle sind ihnen bewusst oder unbewusst ausgesetzt. Das eigene Verhalten zum Schutz vor einem Risiko wird jedoch nicht nur von der objektiven Größe eines Risikos, sondern wesentlich auch von der subjektiven Wahrnehmung seiner Größe bestimmt. Dies ist der Grund, weshalb Risikofaktoren als bedrohlich wahrgenommen werden und die öffentliche Diskussion sogar dominieren können, denen aus wissenschaftlicher Sicht eine eher geringere Bedeutung zukommt, während andere Risikofaktoren unterschätzt werden, obwohl sie ein höheres Problembewusstsein rechtfertigen würden. Um einen Beitrag zur Versachlichung der öffentlichen Diskussion zu leisten, wurde die Strahlenschutzkommission vom Bundesumweltminister beauftragt, einen auf objektiven Kriterien basierenden nachvollziehbaren Vergleich der Risiken elektrischer und magnetischer Felder sowie elektromagnetischer Wellen und Strahlungen der verschiedensten Frequenzbereiche von den statischen Feldern bis einschließlich der ionisierenden Strahlung vorzunehmen.

So geschehen 2011.

Weil schon ziemlich betagt, zeigt das 81-seitige-Dokument heute wahrscheinlich nicht mehr den aktuellen Stand des Wissens. Warum ich es dennoch einstelle liegt an den ausführlich beschriebenen Evidenzklassen, die sich die SSK seinerzeit für den Vergleich hat einfallen lassen. Da kann man als Zaungast einiges lernen, beispielsweise, dass der Befund "keine Evidenz für einen Zusammenhang" die Möglichkeit eines Zusammenhanges nicht kategorisch ausschließt. Sogar für das "Nicht-Vorhandensein eines Zusammenhangs" hat die SSK eine Evidenzklasse definiert, für mich überraschend, ist doch häufig zu lesen, dass sich das Nicht-Vorhandensein eines Zusammenhangs wissenschaftstheoretisch nicht beweisen lässt. Mutmaßlich löst die Definition dieser Klasse den Widerspruch auf.

Abschließend kommt die SSK u.a. zu der Einschätzung, insgesamt zeige der Vergleich, dass die wissenschaftlich abgeschätzte Evidenz für ein Krebsrisiko [durch NIR- oder IR-Einwirkung] mit der in der Öffentlichkeit wahrgenommenen nicht übereinstimmt.

Zuletzt hat sich die SSK übrigens im Dezember 2016 mit NIR beschäftigt und auch da ging es schon nicht mehr um elektromagnetische Felder (des Mobilfunks), sondern um das Forschungsprogramm zur Verbesserung der Risikobewertung und Risikokommunikation beim Stromnetzausbau. Der jüngste Statusbericht der SSK zu EMF datiert vom Juli 2013 (Elektromagnetische Felder neuer Technologien). Damals war 5G noch hinter dem Horizont, es ging daher u.a. um LTE.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Risikokommunikation, SSK, Risikobewertung

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