Quadratischer Mittelwert bei Immissionsbetrachtungen (Technik)

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 07.08.2019, 19:18 (vor 1934 Tagen)

In diesem Posting über das 90-V/m-Grenzwertmärchen eines Ex-Elektrikers aus der Schweiz wurde beiläufig die quadratische Mittelung erwähnt, die zur korrekten Bestimmung einer schwankenden (zeitlich veränderlichen) Immission in einem 6-Minuten-Intervall erforderlich ist. Doch warum müssen die Messwerte ausgerechnet quadratisch gemittelt werden, täte es nicht auch der schlichte arithmetische Mittelwert, den jeder noch aus der Schule kennt?

Bei der quadratischen Mittelung werden alle Messwerte zuerst quadriert, die Ergebnisse aufsummiert, durch die Anzahl der Messwerte geteilt und aus diesem Resultat die Quadratwurzel gezogen.

[image]
Bild: Academic

In der Technik hat das quadratische Mittel große Bedeutung bei periodisch veränderlichen Signalen wie dem Wechselstrom, dessen Stromwärme (Leistungsumsatz in einem Ohmschen Widerstand) mit dessen Quadrat ansteigt. Man spricht hier vom Effektivwert des Stromes. Der gleiche Zusammenhang gilt bei zeitlich veränderlichen Spannungen. Oder anders ausgedrückt: Die quadratische Mittelung bildet den effektiven Energieinhalt einer elektrischen Wechselgröße von allen Mittelungsverfahren am besten ab, da sie hohe Messwerte stärker gewichtet als niedrige. Die quadratische Mittelung passt damit widerspruchsfrei zu dem ICNIRP-Ansatz, dass bei hochfrequenten elektrischen Schwingungen (ab etwa 10 MHz) allein der für Wärmeentwicklung bedeutsame Energieinhalt der Schwingung, und nicht etwa die Schwingungsamplitude für biologische Wirkungen maßgebend ist. Beliebig hoch werden darf die Amplitude allerdings auch nicht, sie darf gemäß 26. BImSchV den quadratischen Mittelwert maximal ums 32-Fache überschreiten (Stichwort Radar).

Das liest sich jetzt komplizierter als es ist. Deshalb ein Beispiel. Jeder kennt die Wechselspannung 230 V(AC) unserer Stromversorgung für Haushalte in Europa. Dieser Wert ist bereits der quadratische Mittelwert einer periodischen sinusförmigen Wechselspannung mit 50 Hz Frequenz und 325 V(AC) Amplitude (Scheitelwert). Die 230 V(AC) werden auch Effektivwert genannt, denn sie sind genauso effektiv wie die Speisung eines ohmschen Verbrauchers mit 230 V(DC), also mit konstanter Gleichspannung. Ein Heizdraht wäre so ein ohmscher Verbraucher, gespeist mit 230 V(AC), wird dieser genauso heiß wie bei Speisung mit 230 V(DC).

Alles klar? Nein? Kein Problem.

Wissen ist Macht. Weißt nix, macht nix.

--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Mittelwert, Effektivwert

RSS-Feed dieser Diskussion

powered by my little forum