Neues von Berenis (16): April 2019 (Forschung)

H. Lamarr @, München, Montag, 03.06.2019, 23:18 (vor 1760 Tagen)

Im Zeitraum Ende April bis Anfang August 2018 wurden 57 neue Publikationen identifiziert, von denen acht von Berenis vertieft diskutiert wurden. Drei davon wurden gemäß den Auswahlkriterien als besonders relevant und somit zur Bewertung ausgewählt.

Experimentelle Tier- und Zellstudien

50 Hz magnetische Felder beeinträchtigen kognitive und motorische Fähigkeiten von Honigbienen (Shepherd et al. 2018)

In der Studie von Shepherd et al. (2018) wurden Honigbienen niederfrequenten Magnetfeldern (NF-MF) (50 Hz) mit Intensitäten um 20-100 μT und 1000-7000 μT ausgesetzt, wie sie bei Hochspannungsleitungen in Bodennähe bzw. in unmittelbarer Nähe der Leiterseile anzutreffen sind.

Lernen und Gedächtnis wurden mittels der Rüsselverlängerungsreaktion der Bienen bezüglich Glukose getestet (Geruchslernen). Kurzzeitige Exposition von einer Minute zeigte eine intensitätsabhängige Beeinträchtigung des Lernverhaltens. Die Beeinträchtigung war auch eine Stunde nach der Exposition noch sichtbar. Um die Auswirkung der Felder auf das Flugverhalten zu untersuchen, wurden die Änderungen der Flügelschlagfrequenz im Fesselflug gemessen. Es zeigte sich eine intensitätsabhängige Erhöhung der Flügelschlagfrequenz, wobei sich diese nur bei der höchsten Intensität (7000 μT) von den nichtexponierten Kontrollbienen signifikant unterschied. Die Auswirkungen von 100 μT Magnetfeldern auf die Nahrungssuche wurden im Flugtunnel untersucht, wobei die ausgehenden Flüge (jedoch nicht die Rückkehr) beeinträchtigt waren. [...]

Magnetorezeption – Über den Einfluss von schwachen statischen Magnetfeldern auf biologische Prozesse (Zwang et al. 2018)

Die Studie von Zwang et al. (2018) untersucht ein mögliches Konzept der Magnetorezeption, also der Fähigkeit ein Magnetfeld (MF) wahrzunehmen. [...]

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese innovative Studie konzeptionelle Hinweise liefert, wie ein magnetischer Kompass von Lebewesen auf molekularer und biochemischer Ebene funktionieren könnte. Erstmals konnte dabei der Einfluss von schwachen Magnetfeldern direkt auf biologisch-relevante enzymatische Abläufe gezeigt werden, wo Radikal-Paarungs-Mechanismen eine Rolle spielen. Allerdings ist damit die Suche nach dem Magnetsensor oder dem Magnet-sensitiven biologischen Prozess nicht abschliessend geklärt. Es scheint eher unwahrscheinlich, dass ein biologischer Kompass auf den doch relativ gefährlichen UV-C-verursachten Schäden der Erbsubstanz basiert, und die dazu benötigten fixen molekularen Strukturen sind nicht bekannt. Hinsichtlich der noch nicht vollumfänglich verstandenen Rolle der Cryptochrome höherer Lebewesen bleibt noch viel Raum für weitergehende experimentelle Untersuchungen bezüglich der Funktionsweise und deren Beeinflussung durch zivilisationsbedingte elektromagnetische Felder.

Epidemiologische Studien

Mobilfunkstrahlung und Gedächtnisleistung bei Jugendlichen in der Schweiz (Foerster et al. 2018)

In der von Foerster et al. (2018) durchgeführten Studie wurde der Zusammenhang zwischen der HF-EMF-Exposition durch Mobiltelefone und der Gedächtnisleistung bei Jugendlichen untersucht. [...]

Es zeigte sich, dass die kumulative Hirn-HF-EMF-Exposition durch Mobiltelefone über ein Jahr hinweg einen negativen Einfluss auf die Entwicklung der räumlichen Gedächtnisleistung bei Jugendlichen hatte. Damit bestätigt die Studie die Ergebnisse von 2015. Das figurale Gedächtnis ist hauptsächlich in der rechten Gehirnhälfte angesiedelt, und der Einfluss von HF-EMF war bei jenen Jugendlichen ausgeprägter, die ihr Mobiltelefon auch auf der rechten Seite des Kopfes benutzten (80% der Studienteilnehmer). Das verbale Gedächtnis ist eher in der linken Gehirnhälfte angesiedelt. Bei den Jugendlichen, die ihr Mobiltelefon auch auf der linken Kopfseite nutzen, wurde tendenziell ein negativer Effekt auf die Entwicklung der verbalen Gedächtnisleistung beobachtet, basierend auf den Nutzungsdaten von den Mobilfunkbetreibern beobachtet. Andere Aspekte der drahtlosen Kommunikation wie das Senden von Textnachrichten, Spielen oder Surfen im Internet verursachen nur eine geringe Strahlenbelastung des Gehirns und zeigten keinen Zusammenhang mit der Entwicklung der Gedächtnisleistung.

Die Seitenabhängigkeit der Ergebnisse und nicht vorhandene Korrelationen in Bezug auf das Versenden von Textnachrichten, Spielen oder Surfen im Internet deuten darauf hin, dass vom Gehirn absorbierte elektromagnetische Strahlung für die beobachteten Zusammenhänge verantwortlich ist. Dabei spielt vor allem der Strahlungsbeitrag von Telefonaten mit dem eigenen Mobiltelefon eine Rolle, während der Dosisbeitrag von Mobilfunkbasisstationen und WLAN gering ist. Dies ist weltweit die erste epidemiologische Studie, die Dosisberechnungen für das jugendliche Gehirn gemacht hat und dazu auch objektiv erhobene Nutzerdaten von Mobilfunkbetreibern verwendet hat. Die Effekte waren relativ gering, und der Wirkungsmechanismus ist nicht bekannt. Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass auch andere Faktoren eine Rolle gespielt haben, die nicht erfasst wurden. So könnten die Studienergebnisse beispielsweise durch die Pubertät beeinflusst worden sein, die sich sowohl auf die Mobiltelefonnutzung als auch auf das Verhalten und die kognitiven Fähigkeiten der Teilnehmenden auswirkt.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Zwang, Shepherd, Foerster


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