Schweiz: Bundesrat schließt Lücken in NISV (Technik)

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 17.04.2019, 12:36 (vor 2046 Tagen)

Am 17. April 2019 hat der Bundesrat Änderungen an der NISV genehmigt. In der Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung wurden technische Anpassungen gemacht, auch um den Aufbau des 5G-Netzes vorzubereiten.

Im Februar 2019 wurden dem Mobilfunk neue Frequenzen (700 MHz, 1400 MHz und 3500 MHz) zugewiesen und von drei Mobilfunkanbieterinnen – auch im Hinblick auf den Ausbau der 5G-Netze – erworben. Für den Frequenzbereich um 1400 MHz existierte in der Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV) bislang kein Grenzwert für Mobilfunkantennen (Anlagegrenzwert). Diese Lücke hat nun der Bundesrat mit der Verordnungsänderung geschlossen. Die bestehenden Grenzwerte sind von der Revision nicht betroffen, das vorsorgliche Schutzniveau bleibt damit gleich [mit der in der Schweiz diskutierten Lockerung der Anlagegrenzwerte hat diese NISV-Änderung nichts zu tun; Anm. Postingautor].

Weiter wurde eine Rechtsgrundlage hinzugefügt, welche die sachgerechte Beurteilung sogenannter adaptiver Antennen (beam forming antennas) ermöglicht. Solche Antennen dürften in Zukunft vermehrt zum Einsatz kommen. Zudem wird das Bundesamt für Umwelt Bafu beauftragt, Daten zur nichtionisierenden Strahlung in der Umwelt und zur Exposition der Bevölkerung zu erheben und periodisch über den Stand zu informieren.

Eine Arbeitsgruppe, die Bundesrätin Doris Leuthard am 20. September 2018 eingesetzt hat, hat daneben den Auftrag, Bedürfnisse und Risiken für die nähere und weitere Zukunft von Mobilfunk und Strahlenbelastung, insbesondere im Zusammenhang mit der Einführung von 5G, zu analysieren. Vertreten sind die betroffenen Kreise. Die Federführung obliegt dem Bafu. Die Arbeitsgruppe wird bis im Sommer einen Bericht mit Empfehlungen an das UVEK liefern.

Quelle: Schweizer Regierung

Hintergrund
Änderungen an der Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV) (PDF, 308 kB)
Erläuternder Bericht zur Änderung der NISV (PDF, 459 kB)

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Verordnung, NIS, NISV, NIS-Verordnung

Berichtigung: keine weitere NISV-Revision in Sicht

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 26.06.2019, 20:44 (vor 1976 Tagen) @ H. Lamarr

... [mit der in der Schweiz diskutierten Lockerung der Anlagegrenzwerte hat diese NISV-Änderung nichts zu tun; Anm. Postingautor].

Obige Behauptung ist falsch. Wie eine Anfrage beim Bafu ergab, ist die Revision der NISV vom 17. April 2019 die im Zuge der Lockerung der Anlagegrenzwerte diskutierte Revision! Meine Behauptung beruhte darauf, dass die Revision vom 17. April entgegen der Ankündigung ohne öffentliche Konsultation durchgeführt wurde. Ich hatte deshalb irrtümlich angenommen, es werde bis Ende Q2/2019 noch eine weitere Revision der NISV geben, dann aber mit öffentlicher Konsultation.

Entgegen wilder Spekulationen Schweizer Mobilfunkgegner ist die Revision der NISV unerwartet zurückhaltend ausgefallen, von einer Lockerung der Anlagegrenzwerte ist auf den ersten Blick nichts zu sehen. Lediglich die Textpassage "[...] bei adaptiven Antennen wird die Variabilität der Senderichtungen und der Antennendiagramme berücksichtigt" weist auf eine Lockerung hin, die aber im Grunde keine ist.

Die Passage bedeutet, dass eine Antenne nicht wie bisher starr in eine Richtung strahlt, sondern der Strahlenkegel automatisch einem Nutzer folgt. Das bedeutet: Unbeteiligte (z.B. Anwohner) geraten nur zufällig und kurzfristig in einen Strahlenkegel einer adaptiven 5G-Antenne, ähnlich wie bei Suchscheinwerfern, deren Strahlenkegel durch die Nacht geistern. Es liegt auf der Hand, diese Situation bedeutet eine schwächere Immission für Unbeteiligte und ist mit einem Reduzierungsfaktor anders zu bewerten, als die starre Ausleuchtung einer Funkzelle nach dem Gießkannenprinzip.

Solche Reduzierungsfaktoren sind seit GSM üblich. Ein Handy sendet im GSM900-Modus zwar mit 2 W Spitzenleistung, dies aber nur in einem von acht möglichen Zeitschlitzen. Die effektive Strahlungsleistung beträgt deshalb bei Konformitätsbetrachtungen nicht 2 W, sondern nur 250 mW (1/8 der Spitzenleistung). Gestört hat sich seinerzeit an diesem Reduzierungsfaktor 8 kein Mobilfunkgegner, jetzt ist davon auszugehen, dass ein noch konkret zu benennender Reduzierungsfaktor für 5G die Empörungskultur Schweizer Mobilfunkgegner ordentlich in Wallung bringen wird. Dabei ist der 5G-Reduzierungsfaktor nur die technische Abbildung des Umstands, dass Unbeteiligte nicht mehr ständig bestrahlt werden, sondern, nicht zu ihrem Nachteil, in einer chaotisch-unvorhersehbaren Weise mal mehr, mal weniger, mal gar nicht.

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– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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