Die von Mobilfunkgegnern herbeigesehnte große Welle von 5G-Moratorien in Schweizer Kantonen ist ausgeblieben, seit der Aufregung im April und Mai 2019 hat sich kaum noch etwas getan. Bis jetzt. Wie die Aargauer Zeitung berichtet, hat der Kanton Aargau am 17. September ein im Mai 2019 beantragtes 5G-Moratorium mit großer Mehrheit abgelehnt. Bejubelten Mobilfunkgegner im Frühjahr noch jedes neue kantonale 5G-Moratorium, schweigen sie jetzt betreten.
Der Aargauer Grosse Rat hat einem Moratorium gegen 5G (mit 81 zu 40 Stimmen) und Maßnahmen gegen einen drohenden Antennenwald (mit 85 zu 31 Stimmen) eine Abfuhr erteilt. Beide Vorstöße kamen von der CVP mit Harry Lütolf als Sprecher. Das Parlament ist der Regierung gefolgt, welche die zwei Anliegen zur Ablehnung empfohlen hatte.
Nachfolgend der Wortlaut der abgeschmetterten Motion für ein 5G-Moratorium:
Der Regierungsrat wird beauftragt, umgehend alle notwendigen Massnahmen in die Wege zu leiten, um im Kanton Aargau baldmöglichst ein befristetes Moratorium für den Einsatz hochfrequenter Strahlung (im Zusammenhang mit der Mobilfunktechnologie 5G) zu ermöglichen.
Begründung
I. Ausgangslage
Mit einer Auktion hat die Eidgenössische Kommunikationskommission (ComCom) die Vergabe von neuen Mobilfunkfrequenzen (700 MHz, 1400 MHz und 3500 MHz) am 7. Februar 2019 erfolgreich abgeschlossen. Diese zusätzlichen Frequenzen sind die Voraussetzung für die Entwicklung der schnellen Mobilfunktechnologie 5G. Alle drei bisherigen Mobilfunkbetreiberinnen (Salt, Sunrise und Swisscom) haben in unterschiedlichem Ausmass das Recht auf die Verwendung der besagten Frequenzen erworben. Die drei Mobilfunkbetreiberinnen haben jedoch nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, diese Frequenzen für den Betrieb ihrer Netze tatsächlich einzusetzen (Art. 14 ff. Fernmeldegesetz, FMG).
II. Befristetes Moratorium für den Einsatz hochfrequenter Strahlung
Mit Schreiben vom 17. April 2019, unter dem Titel "Mobilfunk und Strahlung", haben sich das Bundesamt für Umwelt (BAFU) und das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) gemeinsam an die Bau-Planungs- und Umweltdirektorenkonferenz der Kantone gerichtet. In diesem Schreiben wird unter anderem die vom Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) eingesetzte Arbeitsgruppe erwähnt, welche bis im Sommer 2019 einen Bericht mit Empfehlungen an das UVEK zu liefern hat. Der Auftrag lautet, die Bedürfnisse und Risiken des zukünftigen Mobilfunks zu analysieren, insbesondere auch beim Aufbau der Mobilfunktechnologie 5G. Im besagten Schreiben wird aber festgehalten, dass es nicht Aufgabe dieser Arbeitsgruppe sei, eine Studie über die gesundheitlichen Auswirkungen von 5G zu erstellen, Entscheide zu fällen oder über die Einführung von 5G in der Schweiz zu befinden.
Dem erwähnten Schreiben war ein Informationsblatt vom 17. April 2019 beigelegt. Unter Ziffer 7.3 zur Technologie 5G ist folgendes festgehalten: "Die zurzeit laufende Einführung von 5G erfolgt in Frequenzbereichen, wie sie bereits jetzt für den Mobilfunk und für WLAN verwendet werden. Längerfristig soll 5G auch in einem höheren Frequenzbereich zur Anwendung gelangen, man spricht hier auch von "Millimeterwellen". Bei der Einwirkung solcher Strahlung auf den Menschen bestehen aus wissenschaftlicher Sicht noch Unklarheiten und es besteht hier noch Forschungsbedarf. Ein Zeitplan, wann in der Schweiz Millimeterwellen zur Anwendung gelangen könnten, liegt noch nicht vor."
Unter Ziffer 7.2 des Informationsblattes wird über den heutigen Stand der wissenschaftlichen Untersuchungen zu hochfrequenter Strahlung ausgeführt, dass es neben der Erwärmung des Körpergewebes infolge der Absorption der Strahlung noch andere biologische Effekte gibt, die nicht auf eine Erwärmung zurückgeführt werden können. Nach wissenschaftlichen Kriterien ausreichend nachgewiesen sei eine Beeinflussung der Hirnströme. Begrenzte Evidenz bestehe für eine Beeinflussung der Durchblutung des Gehirns, für eine Beeinträchtigung der Spermienqualität, für eine Destabilisierung der Erbinformation sowie für Auswirkungen auf die Expression von Genen, den programmierten Zelltod und oxidativen Zellstress. Weiter habe die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hochfrequente Strahlung als möglicherweise krebserregend klassiert, gestützt auf Befunde bei der Nutzung von Mobiltelefonen. Für die wesentlich schwächere Belastung durch ortsfeste Sendeanlagen würden aussagekräftige Langzeituntersuchungen noch fehlen. Die WHO arbeite seit fünf Jahren an einem neuen Übersichtsbericht zu den Gesundheitsauswirkungen von hochfrequenter nichtionisierender Strahlung. Es sei unklar, wann dieser fertig gestellt ist.
Das BAFU und das BAKOM schliessen daraus, dass aus wissenschaftlicher Sicht die Anwendung des Vorsorgeprinzips bei der Regulierung dieser Strahlung nach wie vorangezeigt ist, wie dies mit den vorsorglichen Anlagegrenzwerten in der Schweiz praktiziert werde. Diese Schlussfolgerung geht jedoch zu wenig weit! Die beiden Bundesämter räumen selber ein, dass Unklarheiten und Forschungsbedarf bestehen. Da es sich bei den in Frage stehenden körperlichen Schädigungen um keine Lappalien handelt, muss der Einsatz hochfrequenter Strahlung im Zusammenhang mit der Mobilfunktechnologie 5G baldmöglichst und so lange unterbunden werden, bis weitere Forschungsergebnisse vorliegen; insbesondere der erwähnte Übersichtsbericht der WHO. Selbstredend muss aus diesen Forschungsergebnissen hervorgehen, dass die hochfrequente Strahlung keine der zuvor erwähnten oder andere körperlichen Schädigungen verursachen kann.
Der Regierungsrat wird mit der vorliegenden Motion angehalten, in dieser Hinsicht sofort aktiv zu werden
Mitunterzeichnet von 26 Ratsmitgliedern
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –