EMF-Grenzwerte: Funknetz 5G strahlt gezielt (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 19.01.2019, 13:55 (vor 2172 Tagen)

Das Badener Tagblatt schreibt am 18.01.2019:

[...] Die Strahlen werden zielgerichteter aufgebaut als jetzt. Darum spricht Physiker Jürg Leuthold, Professor für Photonik an der ETH Zürich, von sogenannten «Pencilstrahlen», also Bleistiftstrahlen. Das steht für die Präzision, mit der die adaptiven Antennen ein Smartphone ins 5G-Netz einbinden. Im Gegensatz zum bisherigen Mobilfunknetz, das heute fast überall hin reicht, bestrahlen die neuen Antennen nur einen schmalen Bereich um das Gerät herum.

Die aktuell gültigen Grenzwerte für Mobilfunkanlagen berücksichten gebündelte Strahlung jedoch nicht. «Die Rechtslage ist im Moment unklar», erklärt Urs Walker, der beim Bundesamt für Umwelt Bafu die Abteilung leitet, die sich mit Mobilfunkstrahlung befasst. Darum werden die adaptiven Antennen manchmal so behandelt, als würden sie in alle Richtungen mit der maximalen Intensität strahlen. So sprengt die 5G-Strahlung in vielen Fällen die Grenzwerte, vor allem dann, wenn es in der Nähe schon 4G-Antennen hat. Mit dem Resultat, dass heute 90 Prozent des Gebiets in Städten nicht mit 5G aufgerüstet werden können. [...]

Kommentar: Ich kapier's nicht so ganz, was Urs Walker sagen will. Seit GSM hat jede Mobilfunk-Sektorantenne eine Richtwirkung, welche die effektive Strahlungsleistung ERP der Antenne in einem Raumsektor bündelt (meist 120°). Im Vergleich zu einer Rundstrahlantenne erzielt eine Sektorantenne bei gleicher Sendeleistung mehr Reichweite und statt einer einzigen Funkzelle gibt es mit drei 120°-Sektorantennen drei Funkzellen (3-fache Teilnehmerkapazität). Maßgebend für die Zulassung einer Mobilfunkantenne ist die elektrische Feldstärke, die an Orten wo sich Menschen aufhalten können, bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten darf. Da die Emission einer Antenne verkehrsabhängig schwankt, wird die Emission über sechs Minuten gemittelt, erst der daraus resultierende Mittelwert darf den Grenzwert nicht überschreiten. Beliebig groß dürfen kurzzeitige Emissionsspitzen aber auch nicht sein, hierzulande dürfen sie den Grenzwert um maximal das 32-fache überschreiten. Ob das in der Schweiz ebenso ist und dort der niedrige Anlagegrenzwert kurzzeitig um nicht mehr als das 32-fache überschritten werden darf, habe ich momentan nicht auf dem Schirm. Nehmen wir mal an, es sei auch in der Schweiz so.

In Deutschland wären bei den vorgesehenen 5G-Trägerfrequenzen (Grenzwert 61 V/m) Immissionsspitzen bis maximal 1952 V/m zulässig, in der Schweiz (Anlagegrenzwert 5 V/m) hingen nur maximal 160 V/m. Es liegt auf der Hand, dass der scharf gebündelte Bleistiftstrahl einer 5G-Antenne nahe am Ursprungsort die 160 V/m reißen kann, wenn die Funkzelle eine für wirtschaftlichen Betrieb hinreichend große Abmessung (Radius) haben soll. Wenn dies zutreffend ist, haben sich die Schweizer mit ihren Anlagegrenzwerten ein für die neue Antennentechnik problematisches Ei ins Netz gelegt. Andererseits muss man sehen, dass ein gesteuerter Bleistiftstrahl auf seinem Weg zum Teilnehmer auf der Straße weitaus weniger Unbeteiligte an "empfindlichen Orten" befeldet (räumlich und zeitlich gesehen) als ein herkömmlicher 120°-Sektorstrahler.

Keine beneidenswerte Aufgabe für das Bafu, das alles rechtssicher zu verpacken und einer von Desinformanten aufgehetzten Bevölkerung klar zu machen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Grenzwert, Feldstärke, Bafu, Adaptive Antennen

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