Professorentitel: auf den Hund gekommen (Allgemein)

Gast, Dienstag, 25.12.2018, 21:03 (vor 2160 Tagen)

Professoren waren lange Zeit diejenigen, die über ihr Fachgebiet hinaus die Deutungshoheit auch über Streitfragen des täglichen Lebens gepachtet zu haben schienen. Ein Herr Professor konnte behaupten die Erde sei flach, Gutgläubige kauften es ihm unbesehen ab. Doch weltliche Erosion nagt auch am Habitus der Titelträger. So die Einschätzung des Insiders, der hier seine Meinung sagt. Mögliche Ähnlichkeiten mit Professoren aus der Anti-Mobilfunk-Szene sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Eine Junior-Professur ist akademischer Mittelbau. Das Gehalt dieser Leute ist in etwa das, was jeder Studienrat (z.B. Sport oder Religionslehre) ganz ohne Doktortitel und zudem Jahre früher bezieht. Der Studienrat hat klare Aufstiegsoptionen, der Junior-Professor nicht. Und der Junior-Professor weiß auch, dass sein Endgehalt etwa so hoch sein wird wie es Industriebetriebe gleich-qualifizierten Berufseinsteigern zahlen. Sofern er denn überhaupt eine volle Stelle innehat. Wenn nicht, wird es mit der Altersversorgung eines Professors trotz Beamtenstatus ziemlich eng.

Den Professorentitel können sich einige wenige vergolden: Etwa durch Auswertung von Patenten oder durch Veröffentlichungen (Spitzer kann das besonders gut). Wem sich diese Möglichkeiten nicht bieten, braucht im Wissenschaftsbetrieb zwingend einen Plan B. Und so turnen denn Wissenschaftler allüberall umher, sammeln Pöstchen und Honorare gerne auch fachfremd ein und hoffen auf den Durchbruch, egal wo und wodurch. Ein professoraler Wissenschaftler mit zweitem Standbein ist ziemlich normal. Auch im Ruhestand. Der vermeintliche Titel, der in Wahrheit ein akademischer Grad ist, verschafft Ansehen. Doch fett macht er nur wenige seiner Träger.

Also nicht wundern, wenn Akademiker in schräger Umgebung auftreten! Nicht alle machen das aus schierer Begeisterung oder gar Überzeugung. Die wollen auch nur ihren Kindern und Enkeln etwas Schönes zu Weihnachten schenken. Und mancher testet dafür die Grenzen der Glaubwürdigkeit aus, zuweilen auch die zur Lächerlichkeit.

Ohne Kenntnis des Arbeitsvertrags eines Professors erschließt sich einem nicht so leicht, ob man es mit einem Großfürsten des Geistes nahe dem Nobelpreis zu tun hat oder mit einem langjährigen Assistenz-Professor auf der dritten befristeten halben Stelle. Überdies ist in den Bundesländern vieles uneinheitlich geregelt, in Österreich noch ganz anders, auch das Einstellungsdatum spielt eine maßgebende Rolle.

Kurz, der altehrwürdige Professorentitel alleine besagt heute (fast) nichts mehr, weder über die wissenschaftliche Qualifikation noch über die Einkommensverhältnisse. Vollends unübersichtlich wird es, wenn Titelträger umher geistern (Privatdozent, außerordentlicher Professor, Junior-Professor und andere mehr), die nur kurze Zeit ein paar Vorlesungen für Studienanfänger gehalten haben, deren Brotberuf jedoch außerhalb einer Uni zu verorten ist. Den Professorentitel dürfen solche Akademiker von Fall zu Fall ehren- oder gnadenhalber weiter führen.

Faustregel: Je stärker der Titel betont wird, desto mehr Skepsis ist geboten.

Tags:
Glaubwürdigkeit, Titelträger, Fachfremd

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